Mein Kopf ist noch dran und ich werde langsam wach. Ein gutes Zeichen! Nur das eifrig gebuddelte Loch direkt hinter meinem Zelt veranschaulicht mir nochmals, wer da mit welch heftigem Eifer zugange war. Keine Ahnung, welche Hormone in meinem Urin gerade unterwegs sind, was eine Hyäne daran interessieren könnte, welch erschreckende Nachrichten ich in den Boden gepinkelt habe. Wahrscheinlich aber war es nur irgendwie unbekannt-interessant, so wie beim gemeinen Leinen-Hund, der einem auf unseren Straßen begegnet und unfein am Schritt schnüffelt. Riecht halt für eine so feine Nase immer nach was, auch wenn der Schritt-Besitzer zweimal täglich duscht; damit kann ich im Moment leider nicht dienen. Doch das wird sich ändern, denn unser heutiges Ziel ist der Chobe NP, genauer gesagt Savuti und da existiert ein imposantes Waschgebäude, in dem man, so man will, exzessive Körperpflege betreiben kann. Doch solange mir die Hyänen nicht am Schritt hängen, kann es so schlimm nicht sein…
Wir packen zusammen, verlassen das Camp und fahren noch mal ein bisschen am Khwai herum. Die meisten Hippos haben sich bereits an Land gehievt, die noch im Wasser verbliebenen „gähnen“ uns an. Ob sie nun Sauerstoff horten oder Aggressionen zeigen oder beide, ist schwer festzustellen. Doch es ergibt schlicht und einfach Bilder, die sich jeder Safariist wünscht. Auf den letzten Metern entlang des Khwai präsentiert sich dann noch ein besonderer Leckerbissen. Ein Raubvogel, der so nassgebadet im seichten Wasser sitzt, dass es schier unmöglich ist ihn zu bestimmen. Mit seinen kräftigen, befederten Beinen steht er im Wasser und zieht irritiert die Nickhaut über die Augen, gerade, als könnte er nicht glauben, justament JETZT gestört zu werden. Man sieht, wie es in ihm arbeitet: Dableiben und fertig baden oder besser doch abhauen!?! Und man sieht, wie er sich langsam für letzteres entscheidet. Er breitet seine voll gesogenen Flügel aus und verbringt sich trotz des erheblichen Kraftaufwands sehr elegant vom nassen Boden auf den nächsten sicheren Baum. Und ein Glücksgefühl macht sich mal wieder in meinem Herzen breit, erst recht, als ich feststelle, diesen Moment auch noch mit der Kamera festgehalten zu haben, perfekt in Ausschnitt und Schärfe.
Schweren Herzens verlassen wir den Khwai River und fahren Richtung Chobe. Am Gate treffen wir eine südafrikanischen Familie, die uns von einer Löwensichtung auf der Marsh Road berichtet- sie seien gar nicht zu übersehen. Na ja, das wird sich zeigen. Im Park werden wir sowieso erst mal wieder „aufgehalten“. Drei Giraffen stehen an einem Wasserloch. Man sieht ihnen an, dass sie gerne trinken möchten, sich aber nicht richtig trauen. Wir verschanzen uns ein wenig hinter einem großen Baum und warten einfach. Die erste traut sich, sehr nervös spreizt sie ihre Vorderbeine und senkt ihren Kopf herunter zum Wasser. Die zweite wartet ab, ob das gut geht und riskiert es dann auch. Die dritte hingegen boykottiert den Mut der beiden, indem sie völlig unvermutet flüchtend losspurtet und die anderen so erschreckt, dass auch diese sich aus dem Staub machen.
Wir erreichen die von den Südafrikanern beschriebene Löwen-Pan, aber von den Katzen ist weit und breit nichts zu sehen. Dafür kommt gerade eine ziemlich große Elefantenherde zum Trinken. Es ist immer wieder ein spannendes Erlebnis, so etwas beobachten zu dürfen: Welche Tiere stehen so hoch in der Hierarchie, dass sie als erste und an die besten Stellen dürfen, wer muss warten. Die Mütter sorgen sich liebevoll um ihre Kälber, passen aber mit Argusaugen auf, dass der Trinktümpel nicht als Badewanne missbraucht wird. Ein Bulle, der noch nicht getrunken hat, aber offenbar eine hohe Stellung genießt, steht am Rande der Herde und beobachtet das Treiben. Ein anderer Bulle, kein junger mehr, jedoch von relativ kleiner Statur, steht ebenfalls im Abseits und wird bei jedem Versuch, doch ans Wasser zu gelangen, von den anderen unfreundlich zurückgewiesen. Und dann geschieht etwas, was mich ganz tief anrührt. Der Bossbulle sieht sich das Spiel eine Weile an, tritt zum unterlegenen Bullen, berührt ihn ganz zart mit seinem Rüssel am Kopf und macht ihm den Weg ans Wasser frei. Die anderen Elefanten lassen die beiden respektvoll passieren. Der Unterlegene trinkt, wenn auch immer noch unsicher und die anderen lassen ihn gewähren, denn der Boss steht daneben und passt auf. Nach einer Weile beschließt dieser, sein Schützling habe wohl genug Wasser getankt und lässt ihn alleine zurück. Sofort reagieren die übrigen Elefanten und drängen ihn wieder weg. Dieser kurze Augenblick aber, die kleine Berührung mit dem Rüssel, diese simple Geste, in der so viel Fürsorge, Zuneigung und Zartheit steckte, gehört mit zu den Erlebnissen, die ich nie vergessen werde.
Die Eles ziehen, einer nach dem anderen, dicht an uns vorbei von ihrer Trinkstelle weg und wir tun es ihnen nach. Heute scheint Giraffen-Day zu sein, denn bis wir in Savuti ankommen, sehen wir sicherlich über 100 der Langhälse. Überall stehen sie wie Fahnenmasten im hohen Gras. Große Giraffen und auch ganz viele kleine. Mütter, die sich zärtlich zu ihrem Nachwuchs herabneigen, Bullen, die miteinander kämpfen, fressende und beobachtende Giraffen. Und eine, die sich kratzt. Dazu hat sie sich einen abgestorbenen Baum auserkoren, dessen einer Ast etwa bis zum unteren Ende ihres Halses reicht. Ein Bild für Götter, wie sie den Hals waagrecht hält und sich vor und zurück bewegt. Immer wieder versucht sie, den Hals um den Ast zu schlingen und mehrere Stellen gleichzeitig zu erreichen, aber das funktioniert nicht so ganz. Für den Bauch und die Flanken ist der Ast zu weit oben, doch um auch diese Stellen ausgiebig kratzen zu können, begibt sie sich kurzerhand in eine bedenkliche Schräglage und schubbert am Stamm entlang.
Eine Slender Mangoose lugt ganz nah bei uns hinter einem anderen toten Baum hervor, obenauf sitzt ein Mewe’s Longtailed Starling, dessen schillerndes Gefieder vom strammen Wind völlig zerzaust wird. Kugeldisteln leuchten in warmen Ockertönen in der herabsinkenden Sonne und wir kommen nach einem weiteren perfekten Tag auf der Campsite an.
Dort ist nicht alles ganz so perfekt, denn Südafrikaners haben noch bis 9. Juli Ferien und deshalb ist Savuti ziemlich overcrowded. Unser reservierter Platz 3 ist zwar noch frei, aber diese Site ist nach unserem Geschmack etwas zu zentral und zu nahe am Waschhaus. Zu selbigem ist kaum ein Durchkommen, denn ganze Wagenburgen und Zeltstädte haben sich vor dem Zugang angesiedelt. Die „Unglücklichen“, die in Hygienezone A kein Unterkommen mehr fanden, müssen natürlich bis spät in die Nacht mit dem Auto an unseren Zelten vorbei, um wenigstens ein bisschen Zivilisationskomfort abzubekommen. Aber was soll’s, nach so einem Tag kann einen nichts aus der Ruhe bringen und morgen sieht unsere Reservierung ohnehin einen Umzug auf Site 8 vor.
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