Ungemein praktisch: ein Ding namens Türkenkoffer*

*Türkenkoffer – so etwas darf man ja eigentlich nicht sagen, in Zeiten, in denen alles bis zum Letzten durchgegendert wird und die Mohrenapotheke, die seit Jahrhunderten so heißt, ohne dass es jemanden gestört hätte, ebenfalls umbenannt werden muss. Hat sich eigentlich schon mal jemand Gedanken gemacht, warum ich in Bayern ein Getränk namens „Neger” (Cola-Weißbier) nicht mehr so nennen darf, weil es diskriminierend ist, der „Russ” (Zitronenlimo-Weißbier) aber weiterhin so heißen darf? Das ist doch doppelt herabwürdigend für alle dunkelhäutigen PersonInnen, weil im Verbot der ersten Bezeichnung und der gleichzeitigen Selbstverständlichkeit der zweiten ersterer Personengruppe schon allein dadurch ein Status zugewiesen wird, der sie als diskriminierbar ausweist, wohingegen der „Russ” augenscheinlich nicht herabzuwürdigen ist. Gedanken am Rande, aber, wie ich finde, wert, sie zu Ende zu denken.

Warum man doch Türkenkoffer sagen darf…

Kommen wir nun aber zum Türkenkoffer. Ein Terminus, den ich mich seit einigen Jahren fast völlig enthemmt zu benutzen traue (und unter dem man sogar bei Amazon fündig wird), denn ich habe Akkreditierung aus betroffenem Munde. Ich war für einen bevorstehenden Urlaub auf der Jagd nach solch einer karierten Aufbewahrungstasche und suchte zum Erwerb einer selbigen einen türkischen Import-Export-Alleshab-Laden in der Münchner Hauptbahnhofgegend auf. Was sag ich nur zu dem Verkäufer, rätselte ich auf dem Weg dorthin. Wie nenne ich das, wie beschreibe ich es, wenn es nicht gleich irgendwo sichtbar prangt und ich drauf zeigen kann?

Ich betrat also den Laden, weit und breit kein solches „Ding” zu sehen, dafür aber war sofort ein freundlicher Verkäufer zur Stelle. “Ich, äh, ich bräuchte so ‘ne Tasche, so kariert, stabil, günstig, äh…” „ Ah, du willst Türkenkoffer!”, nickte der türkische Verkäufer verständig und bereitete meinem Gestammel somit ein völlig ungezwungenes Ende. Ich war sehr erleichtert und kam mit dem Verkäufer daraufhin ins Gespräch. Dabei erfuhr ich, dass die Taschen wohl offiziell „Chinas” heißen, was aber kein Mensch sagt. Der Name Türkenkoffer, so versicherte mir zumindest der Verkäufer, sei sogar bei in der Türkei wohnenden Türken, die noch nie einen Fuß auf deutschen Boden gesetzt hätten, geschweige denn ein Wort Deutsch sprächen, sehr wohl aber wüßten, was der Name bedeutet, gebräuchlich. Also: wenn die „Betroffenen” das schon so nennen, dann darf ich das wohl auch…

Wobei der Türkenkoffer ja gar nicht türkenspezifisch ist. Vielmehr wird dieses robuste, beinahe unkaputtbare Gepäckstück weltweit verwendet. Und zwar überall da, wo (meist) privates Transportgut möglichst widerstandsfähig verpackt und geschützt gegen die Unbilden unsanften Handlings von A über B mindestens nach C, wenn nicht gar nach L oder Q verbracht werden soll, und zwischendurch, sollte es erforderlich sein, sogar mal eigenhändig geschleppt werden können soll – und das möglichst komfortabel. Tja, und diese Kriterien erfüllt nur der Türkenkoffer!

Wie ich zum Türkenkoffer kam

Zum ersten Mal in persönliche Berührung mit diesem Wunderteil kam ich auf einer Botswana-Tour mit einem südafrikanischen Overland-Anbieter. Auf dieser Reise zockelten wir mit einem schweren, geländegängigen Truck ins Delta, unser Gepäck wurde mit einem separaten Anhänger hinterhergezogen. Und diesen Anhänger durften wir maximal einmal täglich betreten. Da kann man sich sicher gut vorstellen, dass das eine bisweilen, nun ja, nennen wir es „unbefriedigende” Situation war, zumal man ja auch mal was vergisst oder es unerwartet kalt wird oder man an einer schwierigen Stelle aus dem Mokoro springen muss und man so bis auf die Unterhose nass wird, und man dann abends doch gerne was Trockenes anziehen möchte. Geht aber nicht, weil der Anhänger nebst Gepäck nur am Morgen geöffnet war.

Nach unserem Delta-Aufenthalt erreichten wir, zumindest für kurze Zeit, wieder Gebiete mit Menschenbesiedelung und somit auch Läden. Und dort erspähte ich einen Türkenkoffer. Sofort war mir klar, dass diese kleine, karierte Tasche meinen Komfort auf der weiteren Reise um Welten verbessern könnte. Ich erwarb so ein Teil, das gerade groß genug war, um eine Wechselgarnitur, ein Minimum an Hygieneartikeln und ein Mini-Kopfkissen zu beherbergen und sich so klein und formbar zeigte, dass ich es unter meinen Trailersitz stopfen konnte. Fortan war ich die Königin der griffbereiten Wechselgarnitur und Kaiserin der frisch duftenden Achselhöhle – und wurde aufs Heftigste beneidet…

Fortan ein unentbehrlicher Begleiter

Seit dieser Tour hatte ich auf jeder folgenden Reise einen solchen Türkenkoffer dabei. Diese Teile sind wirklich ultraleicht, äußerst strapazierfähig, beinahe unkaputtbar (nur der Reißverschluss stellt immer eine gewisse Schwachstelle dar), nahezu staubdicht und, sofern der Inhalt es zulässt, in jede Lücke zu quetschen. Abends zerrt man das Ding dann aus der Versenkung und, voilà, hat alles zur Hand, was man braucht. Während die anderen Mitreisenden bis zur Taille in ihren Riesen-Reisetaschen stecken, deren Innerstes immer unübersichtlicher wird… Ideal also für Reisen, bei denen mehr als eine(!) Person unterwegs ist und/oder einen Zelturlaub! Oder generell, denn die Verwendungszwecke sind mannigfaltig.

Extrem praktisch sind die Türkenkoffer auch, weil es sie in unzähligen Größen und Farbstellungen gibt. Damit lässt sich gar trefflich unterschiedliches Equipment, getrennt nach Verwendungszweck und Volumen, im Auto oder WoMo verstauen und aufgrund der Farben auf den ersten Blick unterscheiden, sodass der erste Griff immer der richtige sein wird. Das Allerbeste daran: der Inhalt ist vor Staub und Sand geschützt, die Türkenkoffer können, weil sie so leicht sind, auch schon zuhause erworben und problemlos mitgebracht werden, sind aber auch, sollte es nötig sein, fast überall auf der Welt nachkaufbar.

Also ein Gepäckstück, das so ultrapraktisch und universell einsetzbar ist, dass sich damit auch jegliche Diskussion um dessen Namen erübrigt. Denn egal, wie auch immer man es nennt – es kann nur ein Kompliment sein… Wer es allerdings noch immer nicht über die Lippen bekommt, der kann es auch „Gewebte Universal-Karotasche mit Reißverschluss, die es auch mit anderen Mustern gibt” nennen…

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Ein Kommentar

  1. 1. Dezember 2020
    Antworten

    Guten Morgen Frau Schneider,
    Ich schmeiß mich weg über deine aktuellen Blogbeiträge! Großartig!!!!!!
    Hoffe es geht dir/Heinz und euren Familien gut in diesen scheiss Zeiten! freu mich, wenn wir uns endlich mal wieder auf ein entspannte Bier treffen dürfen!

    Bussal, Gabi

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