29. September 2014; Hout Bay > Tankwa Karoo Nationalpark, Perdekloof Campsite

Mit wesentlich weniger Begeisterung als gestern und einem kleinen Mangel an Tatendrang wälzen wir uns heute Morgen aus den Betten. Es ist Montag – ein Tag, der auch zuhause auf der Beliebtheitsskala der Wochentage ganz unten rangiert, wenn auch aus anderen Gründen. Wesentlich angenehmer sind unsere Gründe hier und heute allerdings auch nicht: wir müssen unseren verstreuten Kram packen, das Kairos verlassen und dann die ewige Meile zum Tankwa Karoo raufpesen. Na ja, immer noch ein wenig besser, als in die Arbeit zu müssen! Seufzend also machen wir uns nach einem ausgiebigen Frühstück an die Arbeit, nutzen nochmal die Annehmlichkeiten der Zivilisation, verstauen unser Gepäck in den Autos und rollen dann los. Okay, bis zum nächsten Supermarkt. Es wäre schließlich kein perfekter Montag, würde er nicht auch noch durch einen unvermeidlichen Einkauf gekrönt… Als wir endlich auch das hinter uns gebracht haben, beginnt der wahre Ernst des Lebens – raus aus Kapstadt, rauf auf die N1 und ab geht die Fahrt. Endlos erscheinen uns die Kilometer bis zu unserem ersten Stopp, dort, wo wir auch letztes Jahr schon Halt machten: De Doorns, Die Veldskoen Padstal. Doch bereits auf dem Parkplatz hebt sich unsere Laune, denn dort sprießen jede Menge Blumen, die uns Hoffnungen auf mehr machen. Nach einer gründlichen Inspektion der bunten Blüten, die allesamt noch verheißungsvoll frisch aussehen, nehmen wir dann Kurs auf das Ladeninnere, das uns in allerbester Erinnerung ist. Annette freut sich so darauf, dass sie schnurstracks in medias res geht und dabei blindlings an einem kleinen Tischchen vor der Ladentür vorbeisteuert. Heinz, Ute und mir jedoch entgeht die dort angebotene Ware in keinster Weise und, quasi im Vorbeigehen, greifen wir uns jeder eines von insgesamt drei unwiderstehlichen Stachelschweinen, kunstvoll gefertigt aus schwarzen und weißen Perlen. Mit unserer Beute unter dem Arm betreten schließlich auch wir den Padstall und komplettieren dort unseren höchst befriedigenden Fang mit diversen Fruchtrollen, Trockenfrüchten, Nussmischungen und Erfrischungsgetränken für unterwegs.

Die Veldskoen Padstal
Bunte Blumenwiese
Gazania sp.

An der Kasse dann wird Annette unserer Stachelschweine gewahr und möchte wissen, wo wir die herhaben. „Von draußen, vor der Ladentür, aber…“. Den zweiten Teil des Satzes, nämlich, dass es nur diese drei gab, können wir nicht mehr vollenden, so schnell flitzt Annette raus. Enttäuscht kommt sie nach einer Minute wieder zurück und wirft begehrliche Blicke auf unsere putzigen Ystervarkies (wie sie auf Afrikaans heißen). Doch es gibt Dinge, die teilt man nicht, die tritt man nicht an jemand anderen ab! Essen, ja, Getränke, ja, im Notfall eigentlich fast alles, aber keine Perlentiere, die man bereits voll und ganz ins Herz geschlossen hat – da ist auch Ute unerbittlich. So geht Annette leider leer aus und der Gruppenfrieden droht kurzfristig ins Wanken zu geraten, insbesondere, weil Ute sich anfangs als wenig andenkenanfällig geoutet hatte. Aber ein ins Herz geschlossenes Perlen-Ystervarkie ist eben eine mehr als verständliche Ausnahme, das sieht auch Annette bei aller Begehrlichkeit ein, und alles ist wieder in Ordnung. So nehmen wir in trauter Harmonie unsere Erfrischungsdrinks draußen auf dem Parkplatz zu uns und schwelgen in der dortigen Blumenwelt, als mein Blick auf die Gipfel der uns umgebenden Hex River Mountains wandert. Eine Silhouette mehr oder weniger markanter Zweitausender reckt sich da gen Himmel und auf den Gipfeln der höchsten, ich muss gleich mehrfach hinsehen, erstrecken sich seltsame weiße Flecken. „Schaut’s mal, das ist doch Schnee da oben, oder?!“ Tatsächlich! Puh, Schnee im Afrika-Urlaub, das hatten wir nicht erwartet. Obwohl es absolut nichts Ungewöhnliches ist – Minusgrade und Schneefall sind regional bzw. saisonal keine Ausnahmen und, ja, sogar Gletscher gibt es auf diesem Kontinent. Doch wenn Schnee zu dieser Jahreszeit so direkt über einem thront, in einer Gegend, in der man nicht damit rechnet, dann ist es eben doch etwas Bemerkenswertes. Aber gut, dass der Schnee nur in der obersten Gipfelregion liegt und wir nicht vorhaben, während unseres Urlaubs in höhere Areale vorzudringen; wir sind auf Sonne und Wärme eingerichtet!

Hex River Valley
Weiße Flecken auf den Bergen?
Schnee!!!!

Diese beiden Faktoren begleiten uns auch gar freundlich auf unserer Weiterfahrt – und noch etwas, was uns sehr erfreut: immer wieder erblicken wir rosarote und weiße Polster blühender Mittagsblumen. Unsere Hoffnungen wachsen. Allerdings nicht lange. Je länger wir Richtung Nordosten kurven, desto trockener, grauer und karger wird die Landschaft – nicht mal in feuchtigkeitsbegünstigenden Senken ist noch was zu sehen. Und der Parkplatz, auf dem wir letztes Jahr Rast gemacht hatten, ist staubiger denn je! Trotzdem halten wir an, alleine schon, weil wir Hunger haben und unsere Blasen nach Erleichterung schreien. Und im Zuge dessen suchen Heinz und ich natürlich nach interessanten Sukkulenten nebst ein paar Blütchen. Wenigstens ein paar. Aber nichts! Die Pflanzen sind selbstverständlich da, doch keine von ihnen zeigt sich blühwillig. Nicht die Malephora, nicht der robuste Psilocaulon. Schade, wirklich schade! Dennoch hält mich nichts davon ab, Ute ein paar Psilocaulon-Samenstände in die Hand zu drücken, um sie an dem Wunder der Mesemb-Kapselöffnung teilhaben zu lassen – akkurat an dem Ort, an dem ich vor etwa 18 Monaten selbst diese einmalige Erfahrung erstmals machen durfte. Ute nässt die winzige Kapsel auf meine Erklärung hin mit Spucke ein und erfreut sich erwartungsgemäß an deren prompter Öffnung. Nicht mehr und nicht weniger. Na ja, einen Versuch war es wert. Heinz und ich wissen ja, dass wir ein bisschen sehr speziell interessiert sind und sind niemandem böse, wenn er angesichts derartiger Naturwunder vor Begeisterung nicht gleich tot umfällt. Andererseits passiert Selbiges natürlich in den wenigsten Fällen… Doch wie dem auch sei; wir wollen nichts unversucht lassen, Ute so weit wie irgend möglich in unsere Interessen einzubeziehen, damit sie sich nicht ausgeschlossen fühlt. Inwieweit ihre Interessen allerdings mit den unseren konform gehen oder wo genau sie sonst liegen, werden wir in den folgenden Wochen sicher noch herausfinden.

Unser „Stammparkplatz“
Bunte Bergschichtungen
Wir nähern uns dem Tankwa

In diesem Sinne fahren wir nun weiter und nähern uns Kilometer für Kilometer dem Tankwa Karoo NP. Die Strecke ist gut zu fahren, besticht aber landschaftlich nicht gerade durch besondere Schönheit. Um das wenig Abwechslung bietende Geöttel etwas zu strukturieren, suche ich immer wieder nach bestimmten Wegmarkern, die mir noch in Erinnerung sind. Hier ein quarzig-kiesiger Hügel zu unserer Rechten, dort eine quer über die Pad führende Abflusssenke, da ein markantes Farmtor. Uih, gleich muss der Streckenabschnitt beginnen, der letztes Jahr geteert wurde, als wir ihn befuhren! Und dann ist es nicht mehr weit. Ich warte, ich harre, allein die Teerstrecke will und will nicht kommen. Aber ich habe das doch nicht geträumt! Mhm, es ist ein echtes Rätsel – und bleibt auch eines. Denn bevor ich mich versehe, sind wir am Eingangstor zum Park (ohne einen einzigen Kilometer Teerbelag gesehen zu haben) und ab da ist wieder alles wie in meiner Erinnerung: zuerst Landschaft, die wie frisch umgegraben wirkt, dann der Hoodia-Hügel, der allerdings noch karger ist als letztes Jahr, und zuletzt das Office mit den Schaubeeten und dem freundlichen Personal. Alles wie gehabt. Auch meine leisen Zweifel, ob das wirklich der richtige Park für uns ist, werden beinahe wieder wach, denn der Tankwa präsentiert sich wirklich nicht von seiner besten Seite, wenn man, von Süden kommend, hineinfährt. Die Landschaft ist ziemlich öde, die Vegetation extrem spärlich und dem Auge werden wenig Reize geboten, zumal wenn die Sonne relativ hoch steht und das Licht harte Schatten wirft. Wären wir letztes Jahr nicht eines Besseren belehrt worden und hätten den ganz speziellen Zauber des Parks kennenlernen dürfen, wären wir wohl kaum wieder gekommen. So aber stehen wir nun voller Vorfreude im Office, melden uns an und informieren uns über die momentane Wettersituation. Die Nachrichten jedoch sind keine guten: es hat seit Ewigkeiten nicht mehr geregnet, die Blütezeit dürfte weitestgehend ausfallen und, zu allem Überfluss, ist es in den Nächten zur Zeit eiskalt. Na Prost Mahlzeit!

Unsere Campsite im Tankwa
Schöne Aussichten
Noch ist es warm

Mit nunmehr leicht reduzierter Vorfreude nehmen wir deshalb unseren Schlüssel für die Campsite entgegen und fahren dann rund acht Kilometer Richtung Osten, hinein in das Tal des Hoenderhoek, einem kleinen Bächlein, das weiter südlich in den Renoster River fließt. Am Ende dieser Stichstraße befindet sich Perdekloof, ein noch recht neues Campingareal mit sechs Stelllplätzen, die allesamt mit fließend Wasser, Dusche, Klo, Küchenzeile, Gastherme und Solarbeleuchtung ausgestattet sind. Diesen Luxus wollten wir uns heuer gönnen – im Gegensatz zu letztem Jahr, wo wir in Skaapwachterspos residierten, bar jeglicher Facilities – aber auch völlig ohne menschliche Nachbarn. Gespannt kurven wir in das kleine grüne Tal, checken im Vorbeifahren die Mitcampersituation und entdecken schließlich, ziemlich am Ende der Pad, unsere gebuchte Campsite. Das sieht doch gut aus: wir sind, bis auf eine belegte Campsite am Anfang des Tals, allein auf weiter Flur, der Platz ist geräumig und das Facility-Häuschen sieht funktionell und sehr gepflegt aus.

Wir beneiden Mais …
… und Steaks, …
… weil die es WARM haben!

Zufrieden parken wir die Autos, laden ab und inspizieren dann den Platz. Eine kleine Küchenzeile mit Spülbecken und großzügiger Arbeitsfläche, ein affensicheres Müllhäuschen, eine heimelig von Buschwerk umschlossene Campfläche und ein Klo-Dusch-Raum. Wie es im Inneren des Sanitärgemachs jedoch aussieht, können wir allenfalls ahnen, denn der uns überreichte Schlüssel will partout nicht sperren. Wir versuchen alles, drehen den Schlüssel, so herum und andersrum, drücken und ziehen an der Klinke, aber die Tür bleibt verschlossen. Jochen sieht schließlich nur noch eine mögliche Lösung des Problems und macht sich deshalb auf den Rückweg zum Office – das auf unsere Funkanfrage nicht antwortet – um den nötigen Schlüssel einzufordern. Kurz darauf kehrt er zurück. Per Funk, man hatte uns, etwas verspätet, doch gehört, wurde er in das Geheimnis des vermeintlich fehlenden Schlüssels eingewiesen: Selbiger liegt, gut verborgen, in der Küche bereit, man hätte wohl leider versäumt, uns das mitzuteilen. Was, wie? Die Erklärung folgt: Der Dusch-Klo-Raum wird natürlich ebenfalls von der Gastherme mit Warmwasser versorgt. Bedauerlicherweise jedoch wurde von abreisenden Campgästen des Öfteren vergessen, das gesamte Facility-Gebäude abzuschließen, weswegen sich die kostenlosen Duschgelegenheiten herumsprachen und so auch von Nichtbuchern extensiv genutzt wurden. Deshalb war man dazu übergegangen, dieses Sicherheitsverfahren einzuführen, dessen Sinn sich mir allerdings nicht erschließen will. Wenn ich nicht absperre, dann ist offen, egal, ob der Schlüssel vorher separat in der Küche versteckt war oder nicht… Na ja, ist ja auch egal, Hauptsache, das Klo ist jetzt nutzbar!

In mehrerlei Hinsicht erleichtert, widmen wir uns nun dem Lageraufbau und statten unsere Zelte vorsichtshalber gleich mal mit zusätzlichen Decken aus. Eine Maßnahme, wie sie vorausschauender nicht sein könnte! Denn kaum ist die Sonne hinter den Renosterbergen verschwunden, sinkt die Temperatur rapide und wir, die wir gerade unser Abendessen zubereiten, machen den Maiskolben auf dem Grill fast den Platz streitig. Holla, ist das zapfig! Minütlich werden es ein paar Grad weniger. Wir dinieren schließlich, angetan mit Mützen, Jacken und Anoraks. Als wir bald danach ins Bett gehen – für einen gemütlichen Abendplausch ist es definitiv zu kalt – zeigt das Thermometer knapp unter null Grad an und wir kuscheln uns dankbar in die wärmenden Schlafsäcke und Decken. Brrrr, gute Nacht!

Weitere Impressionen des (Fahr-)Tages:

Weinanbau im Hex River Valley
Weinanbau im Hex River Valley
Weinanbau im Hex River Valley
Arbeiter-Siedlung
Weinanbau im Hex River Valley
Die Landschaft …
… verändert sich …
… zusehends
Frankolin-Besuch auf der Campsite
Vorgeschmack auf den Zauber des Parks

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