25.-28. Juni 2008 – Kaziikini > Moremi, Xakanaxa, North Gate

25. Juni – Kaziikini > Xakanaxa
SAUkalt, ja so war es heute Nacht! Hach, was war ich froh um meine Wolldecke, die zwar etwas streng riecht, mich aber nicht im Stich gelassen hat. Der Schmetterling sitzt immer noch regungslos im Ast, als wir nach Frühstück und Packaktion weiter Richtung Moremi fahren.

Nun hatten wir ja im Vorfeld einigen Hickhack bei der Buchung der Moremi-Camps und unsere letztendliche Bestätigung sicherte uns die erste Nacht in South Gate, dann folgte eine Nacht außerhalb und die dritte bekamen wir am North Gate. Schön, aber nicht wirklich befriedigend. Doch wir wären nicht in Afrika, würde sich dieses „Problem“ nicht einfach in Luft auflösen. Am South Gate informiert man uns bedauernd, es hätte im Moment kein Wasser und somit würde man uns bitten, doch nach Third Bridge oder Xakanaxa weiterzufahren. Fehlende Buchung für eine Nacht? Ach was! Sucht euch ein Camp aus und bleibt dort zwei Nächte! Nichts anderes wollten wir und entscheiden uns für Xakanaxa, nicht ohne einen kleinen Freudentanz aufgeführt zu haben.

Dieser Buchungswahnsinn speziell für den Moremi hat ja so einen gewissen abenteuerlichen Charme; solange man bekommt, was man will. Aber beim zunehmenden Ansturm der Touristenmassen führt sich das ganze selbst ad absurdum. Ein bisschen Besserung verheißt wohl, dass nun an jeder der innerhalb liegenden Campsites eigene Gates errichtet werden, an denen man in Zukunft vorsprechen, die Reservierungen nachweisen und sich registrieren muss. Wenn das dann auch über vernetzte Computer abgeglichen wird, könnte sich die Situation regeln, klären und sichtlich entspannen. Doch noch ist hier alles nicht so weit und wir freuen uns riesig, unsere fehlende Nacht so mir nix, dir nix, bekommen zu haben.

Genüßlich zockeln wir nach Xakanaxa, errichten dort auf einer Reservesite unser Lager (die Site ist kein bisschen schlechter als die „richtigen“, allein die Wasserstelle fehlt) und starten noch zu einem Afternoon-Drive. Dieser führt uns vorbei an marodierenden Elefanten, fluffigen Wasserböcken, über eine Furt nach Dead Tree Island, zurück an im Abendlicht schimmernden Vögeln und glitzernden Wasserflächen, bevor wir gen Sonnenuntergang wieder auf unserem „Notplätzchen“ landen. Nach einem gemütlichen Abendessen sitzen wir noch am wärmenden Lagerfeuer, bereit ins Bett zu gehen, als eine einsame Hyäne in ein paar Meter Entfernung an uns vorbei läuft und uns keines Blickes würdigt. Die Hippos schnorcheln geräuschvoll im nahen Schilf und – die Welt ist in Ordnung!

26. Juni – Xakanaxa
Am nächsten Morgen machen wir uns auf zu einem Morning Drive, der etwas länger als geplant ausfallen soll. Erst sehen wir ein paar Elefanten, dann einige Wasserböcke und viele Lechwes, Frankolins, Giraffen, Hammerköpfe und Impalas. Friedvoll juckeln wir durch die Märchenlandschaft des Moremi, als wir auf einmal einen feststeckenden Geländewagen sichten. Nachdem der Fahrer fast eine Stunde auf passierenden Verkehr gewartet hatte, freut er sich über unser Rettungsangebot. Er steckt nicht zwar in der Scheiße, dafür aber in zähem Schlamm. Bis über die Achsen hat sich der Toyota festgefahren, in trügerisch grasig anmutenden Boden, der dann doch ungeahnt muddy war. Die Versuche, den weißen 4×4 nebst bärtig-strubbeligen Südafrikaner vorwärts raus zu ziehen scheitern, zu tief steckt der Wagen im Schlamm. Joachim wendet unseren Landy und hängt den Abgesoffenen an die Winde.

Das Stahlseil strafft sich auf’s Äußerste, der Toyota bewegt sich trotzdem keinen Millimeter. Ich hab echt Angst, dass das Seil reißt und uns um die Ohren fliegt, doch auf einmal ruckt der Toyota, es schmatzt laut und vernehmlich und er ist aus dem Gröbsten raus. Natürlich haben sich in der Zwischenzeit auch Zuschauer eingefunden, die das Schauspiel und dessen glücklichen Ausgang interessiert beobachten. Doch alles ist vorbei, der stecken gebliebene Südafrikaner ist raus aus dem Schlamm-Massel und wir packen zusammen. Annette hat sich währenddessen fest geplauscht mit einem alleinreisenden Leipziger, der sich auf unserem weiteren „Morning Drive“ an unsere Fersen heftet.

Die Sonne steigt höher, wir sehen viele Tiere, unter anderem auch einen Elefanten, der sich offensichtlich das linke Vorderbein gebrochen hat und sich erbärmlich hinkend dahinschleppt. Immer wieder stützt er sein Körpergewicht auf den Rüssel und entlastet das kaputte Bein. Welche Schmerzen müssen das sein?! Und wie wird lange wird es dauern, bis er diesen Zustand überstanden hat, wie durch ein Wunder vielleicht wieder gehfähig oder, viel eher wahrscheinlich, geschwächt, von Raubtieren zur Strecke gebracht wird, schmerzvoll um sein Leben flüchtend, bis er dem Tode erliegt. Die Natur, so sagt der Mensch, ist grausam. Was der Mensch nicht oder selten wahrnehmen will ist, dass ER allein die Vorgänge als grausam bezeichnet und sich SELBST komisch bis weich-eiig verhält. Nicht, dass ich (bin ja Mensch) mit einem gebrochenen Bein jubilierend meinen Exitus durch Predatoren erwarten möchte, doch der Humanoide ist bisweilen schon sehr eigenartig in seinen Überlebensbemühungen. Ein paar Kilometer nach dem bedauernswerten Ele treffen wir auf eben diese Spezies.

Fünf vollbepackte RSA-4x4s, ein steil aufragender Termitenhügel. Schützend, mit den Fahrzeugschnauzen nach oben, haben sich die Südafrikaner aufgestellt und wägen sich in dadurch offenbar in voller Sicherheit vor jeglichem Ungemach der Natur. Hoffentlich bricht sich keiner was beim Fotografieren dieser so „sicheren“ Formation! Kopfschüttelnd fahren wir weiter, die Sonne steht schon im Zenith, als wir an einem Schild ankommen: Bodumatau Track. Egal, welchen Weg wir nun zurück nehmen: wir sind jetzt richtig weit entfernt von unserem Camp. So beschließen wir ein verspätetes Frühstück einzunehmen, bevor wir wieder zurück Richtung Xakanaxa fahren.

Der Weg führt uns durch trockene, tierarme Gegenden zurück ans Wasser. Auf einer Lichtung, wieder in relativer Nähe unseres Camps, verlieren wir uns in der Beobachtung von zahlreichen Goldbugpapageien (Poicephalus meyeri). Jürg, der passionierte Fotograf, hüpft aus dem Auto, legt sich ins Gras, schleicht sich an, schießt tolle Fotos. Verschlampert aber im Eifer des Gefechts sein hellgelbes Microfaserhandtuch, das das auf dem Schoß stets bereitgehaltene Kameraequipment vor Staub schützte.

Bevor er das merkt, sind wir schon an der Lagune, wo uns eine Löwensichtung verheißen wurde. Kreuz und quer fahren wir die Wege auf und ab. Sichere Aussage ist nur: die Katzen sind einer Büffelherde gefolgt. Lange Zeit sehen wir weder Bovine noch Felidae, nur den Droppings der Büffel können wir nachfahren. Doch plötzlich haben wir sie gefunden. Ein Rudel vollgefressener Löwen, zwei Männchen, viele Weibchen und einige Junge. Keine ganz kleinen mehr, aber mit dem riesigen Büffelschädel mühen sie sich alle ab und, so knuffig sie sind, die Kleinen, so nervenzersägend maunzen sie. Es ist kaum zu glauben, welch unsäglich scheußliche Töne aus so etwas Liebreizenden hervor kommen können. Lange beobachten wir das Treiben der Katzen und stellen amüsiert fest, dass auch wir beobachtet werden. In sicherer Entfernung haben sich an die 10 Giraffen wie die Orgelpfeifen postiert und äugen mit neugierig gebogenen Hälsen zu uns herüber.

Der Büffel, fein säuberlich abgenagt, gibt nicht mehr viel her und die ersten Löwen machen sich aus dem Staub. Ein koreanisches Zweimann-Fernseh-Team, stationiert auf der Ladefläche eines Pick-Up, ist so fixiert auf die noch am Kadaver nagenden Löwen, dass den beiden der Aufbruch entgeht. Der Kameramann hängt mit einer Pobacke über der Ladeklappe und erliegt beinahe einen Herzstillstand, als der Tonmann ihm sagt, es marschiere gerade ein Löwe unter seinem Allerwertesten durch. Doch die Katze interessiert das überhaupt nicht, der Koreaner aber verlagert vorsichtshalber sein Gesäß komplett auf die Ladefläche. Das war weise, denn nach und nach verdünnisieren sich alle Löwen mehr oder weniger exakt über die Stelle, wo vorher noch sein Hintern in den Weg ragte.

Wir folgen den Löwen noch zu einem Wasserloch, wo sie einen Digestif zu sich nehmen und schließlich in den Büschen verschwinden. Naja, nun könnten wir ja schön langsam mal zum Camp zurück fahren, denken wir uns, doch ein paar Kilometer weiter treffen wir auf besagte Büffelherde. Ein einem unendlich erscheinenden Strom ergießen sie sich aus einem Waldstück, kämpfen sich durch eine Furt und verteilen sich im nächsten Wald. Und all das direkt vor unseren Augen. Die Sonne steht schon tief, das Licht ist warm und verbreitet eine nahezu märchenhafte Stimmung. Der Staub, den die Büffel aufwirbeln, zeigt sich in Form von güldenen Wolken in seiner schönsten Seite.

Unser Vorhaben allerdings, jetzt noch nach Jürgs verlorenem Tuch zu suchen, können wir vergessen. Die Büffel, mehrere hundert, verteilen sich im Waldstück des erlittenen Verlustes; unter jedem Baum stehen mehrere der massigen Rinder. Doch das eben Erlebte entschädigt auch Jürg voll und ganz und er schreibt sein Tüchlein einfach ab.

Die Sonne geht unter, wir nehmen noch einen klassischen Sundowner am Rande der Lagune, bevor wir erlebnissatt zum Camp zurück kehren. Eigentlich hätten die heutigen Ereignisse vollauf gereicht, um sagen zu können: Das war ein Wahnsinns-Tag! Aber nach dem Abendessen soll es weiter gehen. Die Camper vom Nachbarplatz leuchten aufgeregt umher und bald erspähen wir in deren funzeligem Lichtkegel einen Leoparden. In gemütlichem Schritttempo hält dieser auf uns zu, passiert uns in ein paar Metern Entfernung, ohne uns zu beachten und verschwindet im Dunkel. Ein wunderschöner Anblick und ein echter Adrenalinschub.

Kaum haben wir uns wieder eingekriegt, kommt aus der anderen Richtung ein Hippo daher. Laut rupft es Gras vom Wegesrand und zerkaut es geräuschvoll. Zielstrebig steuert der Koloss auf unsere Site zu und wir verschanzen uns sicherheitshalber hinter dem Landy. Das Hippo mampft genüsslich um unsere Zelte herum, umrundet den Tisch und macht sich nach über eine halben Stunde dann zu unseren Nachbarn auf. Mittlerweile ist es schon wieder empfindlich kalt geworden und wir begeben uns in die Zelte, die wir wieder gefahrlos erreichen können. Eine Viertel Stunde später kommen die zwei Hyänen, die wir schon lange Zeit nur gehört hatten. Eine der beiden hat unseren Nachbarn ein 2-kg-Mayo-Glas aus Plastik geklaut, zerkaut dieses nun laut splitternd neben unseren Zelten und leckt auch noch den letzten Rest aus den Splittern. Wenn das mal nicht einen gehörigen Durchfall gibt! Die zweite Hyäne hätte immer gerne was ab, wird aber nicht ran gelassen und vertrollt sich schließlich frustriert. Und ich schlafe selig grinsend, begleitet von den Schmatzgeräuschen der Hyäne, dem nächsten Tag entgegen.

27. Juni – Xakanaxa > North Gate
Nach einem solchen Tag muss ein gemäßigterer folgen, denkt man, denn es kann ja nicht immer im Erlebnisgalopp dahingehen. Schaun wir mal. Auf jeden Fall brechen wir heute unsere Zelte in Xakanaxa ab und ziehen um zum North Gate. Unterwegs sammeln wir Brennholz, erkunden den genauen Aufbau einer Tsetsefalle, widmen uns der genaueren Bestimmung diverser Raubvögel, die für mich immer noch recht schwer zu unterscheiden sind. Paradise Pools können wir diesmal leider nicht besuchen, denn immer noch steht zu viel Wasser. Doch es ist noch so wasserreich, dass sich überall in der Landschaft andere Paradise Pools gebildet haben, die uns mit ihrer reichen Kroko-, Hippo- und Vogelbevölkerung belohnen.

Kurz bevor wir am North Gate einlaufen, fallen uns zahlreiche Marabus und Geier am Himmel auf. Das Zentrum des Kreisens liegt so nahe am Weg, dass wir die paar Meter ins Gebüsch fahren, um zu sehen, was da los ist. Ein toter Junglöwe liegt dahingestreckt im Gras. Eigentlich sieht er aus wie der Stolper-Teppich in Dinner For One, wären da nicht die blutroten Rippen, die in die Luft ragen. Irgendwas ist komisch an der Situation; all die Aasvögel sind hier, tun sich aber nicht gütlich am Kadaver. Gerade als wenn sie sich nicht trauten. Wir vermuten, der Junglöwe ist einer Konfrontation mit einem Leoparden zum Opfer gefallen und der sitzt hier noch irgendwo in einem der Bäume. Wie gesagt, eine Vermutung, bestätigt bekommen wir das nicht. Der Tag schreitet voran und wir sollten dann doch besser ins Camp, unsere Zelte aufbauen.

In North Gate angekommen sind wir erst mal ein wenig entsetzt. Es sieht hier aus! Bei Hempels unter dem Sofa ist es wahrscheinlich gepflegt dagegen! Überall liegt Müll, das Camp ist eine einzige Dreckhalde und zudem noch Baustelle. Offenbar haben Affen allen Abfall, dessen sie habhaft werden konnten, seit Tagen in der Gegend verteilt und niemand hat auch nur ein Teil aufgeräumt. Unfertige Gebäude sind zu sehen, die Baumaschinen haben die Wege zerwühlt und zu allem Überfluss ist auch noch M7, der Platz der in unserer Reservierung steht, winzig, uneben und verdreckt. So beschließen wir uns auf einer freien, müllfreien Fläche innerhalb des Camps nieder zu lassen. Zum ersten mal seit Tagen tu ich mir den Luxus einer Dusche und Haarwäsche an und bin, wie immer, begeistert. Unglaublich, wie schnell die Haare trocknen, unglaublich, wie extrem dusch-gelig man riechen kann, obwohl man denkt, vorher auch nicht schlecht gerochen zu haben.

Am späten Nachmittag besuchen wir nochmals unseren Teppichlöwen; die Situation ist unverändert. Alle Aasfresser sind versammelt, keiner traut sich ran. Auf unserem Abenddrive begeistern uns noch zahlreiche Vögel, Kudus, Warane, Tsessebes und ein malerischer Sonnenuntergang am Hippo-Pool. Die Eindrücke haben uns mal wieder satt gemacht, aber die Mägen knurren. Im Camp bringen wir das Lagerfeuer zum Lodern, werfen alufolinierte Kartoffeln in die Glut und würzen vorfreudig die Steaks. Nicht lange und wir fühlen uns extrem beobachtet. Das hyänentypische „Uuuhah“ haben wir schon ein Weile vernommen, aber, wenn wir nun mit unseren LEDs in die umliegenden Büsche leuchten, können wir sie auch sehen. Zumindest deren glühende Augen. Schon letztes Jahr trieb sich hier eine ganze Horde Hyänen um unser Lager herum, aber diesmal sind es deutlich mehr. 14 unterschiedliche Augenpaare können wir mit Sicherheit festmachen, aber es sind sicher mehr. Und sie kommen immer näher, ziehen ihre Kreise immer enger. Wir beugen uns zu Sicherheit der Übermacht, räumen bedauernd unsere Steaks wieder in die Coolerbox und begnügen uns mit den Beilagen-Kartoffeln. Doch lieber nur eine Folien-Kartoffel mit Salz und Knoblauch und auf das Fleisch verzichten, als die kleinen, gierigen Biester anzulocken. Wäre es eine Hyäne allein gewesen, vielleicht auch drei oder vier, kein großes Problem, aber bei der stattlichen Anzahl?! Steaks vertagt, Kartoffeln verspeist, wir im Zelt. Kurz darauf erscheint der Inspektionstrupp. Es wird geschnüffelt, geknuspert, gesucht – aber nichts gefunden. Und weg sind sie wieder. Wahrscheinlich rüber zum nächsten Nachbarn, der vielleicht doch ein Zipfelchen Boerewors, ein paar Zwiebelringe oder wenigstens ein Glas Mayo hat liegen lassen. Uuuhah, gute Nacht, ihr Schönen und viel Glück!

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