Polyquaternium? Nie gehört!
Ich fahre in den Urlaub und packe meinen Koffer. Dieses Spiel, bei dem die Liste der Gegenstände immer länger wird und sie jedes Mal in der korrekten Reihenfolge wiedergegeben werden muss, kennt ihr bestimmt alle. Wenn ich in Urlaub fahre, packe ich zwar eher eine Tasche oder einen Rucksack, aber es kommen auch eine ganze Menge Dinge rein. Unter anderem auch Duschgel.
Das Duschgel wird übrigens nach ganz bestimmten Gesichtspunkten ausgesucht: die Flasche muss fest schließen, sie muss stabil stehen, darf keinen Schraub-, sondern nur einen Schnappdeckel haben und das Gel darf nicht allzusehr duften. Auf Inhaltsstoffe kucke ich in dem Fall weniger, Hauptsache meine Bedingungen werden erfüllt. Und lande ich immer wieder beim Altbewährten – also ab in die Tasche damit.
Ich saue mich ein
So, jetzt bin ich im Urlaub, befand mich mehrere Tage in der Zentralkalahari und bin heute den ersten Abend wieder zurück in der Zivilisation. Holla, eine Dusche winkt, wie schön! Und ein neues T-Shirt gibt’s zur Feier des Tages auch. Mhm, wenn ich schon im Ablution Block bin und Wasser habe, dann könnte ich doch auch gleich mein altes, vollgeschwitztes Shirt waschen, sonst wird’s vielleicht zu Ende des Urlaubs hin ein wenig knapp mit Klamotten. Kein Waschmittel dabei? Egal, nehm ich eben Duschgel. Gesagt, getan – Shirt wieder einigermaßen sauber.
Zwei Wochen später, ich bin zuhause. Und jetzt wird es, zumindest hinsichtlich des Schmutzmagnets, interessant. Ich wasche meine ganzen schmutzigen Urlaubsklamotten, auch das Shirt mit der Zivilisationswäsche, das ich dann doch nicht mehr angezogen habe. Als die erste Maschine fertig ist, besagtes Shirt war ebenfalls mit drin, sehe ich beim Öffnen des Bullauges schon, dass mindestens eine Handvoll Sand in der Gummidichtung steht. Na, das hat sich ja richtig gelohnt! Und alles ist wieder supersauber geworden.
Die Wäsche saut sich ein
Moment mal! Wie sieht denn das Kalahari-Duschgel-Shirt aus? Das ist ja schmutziger, als es vor der Handwäsche war. Und total fleckig! Ok, also nochmal ab in die nächste Trommel. Doch auch da kommt das T-Shirt raus, wie aus der ersten Trommel: saudreckig und fleckig, als hätte ich den Boden einer Stallgasse damit gewischt! Nein, nicht wahr, die Flecken sind jetzt noch dunkler geworden!
Das ist mir nun bereits mehrfach passiert und bis dato dachte ich, es läge an einer speziellen Zusammensetzung des Stoffs oder an der viel zu hellen Farbe der betroffene Klamotten. Bis vor kurzem…
Jetzt passierte …
Ich habe, wie so oft in letzter Zeit, in meiner Wohnung rumgeräumt, und noch eine Flasche von dem Duschgel entdeckt, das ich sonst immer mit in den Urlaub nehme. Ok, das muss weg, also stelle ich die Flasche bereit und verwende das Gel fortan zum Duschen.
Szenenwechsel: ich dusche und habe den Schaum noch nicht ganz abgespült, als es an der Tür klingelt. Ah, shit, ich erwarte ja ein Paket – ganz vergessen. Also wickel ich mich rasch in ein Handtuch, eile zum Fenster und tu dem Paketboten kund, er möge die Lieferung vor der Haustüre abstellen. Danach nochmal unter die Dusche und den restlichen Schaum abgewaschen.
Erneuter Szenenwechsel: die Waschmaschine ist gerade fertig geworden, ich räume die feuchte Wäsche aus – und will meinen Augen nicht trauen: alles ist sauber, nur das Handtuch, mit dem ich mich neulich notfallmäßig eingehüllt hatte, das hat dunkle Flecken und Streifen wie ein Zebra. Wie gibt’s das denn? Recherche ist angesagt …
Found the culprit: Polyquaternium
Und hier ist es, das Ergebnis dieser Recherche: schuld an diesen Streifen ist ein Inhaltsstoff meines Duschgels. Es ist ein Zeug namens Polyquaternium, das es in verschiedenen Polymerisierungsgraden gibt:
„Polyquaternium“ bezeichnet ein synthetisches Polymer, eine komplexe quartäre Ammonium-Verbindung, bei der, wie bei „Quaternium-Verbindungen“, alle 4 Wasserstoffatome des Ammonium-Ions durch organische Seitenketten ersetzt sind. Die verschiedenen Vertreter der Polyquaternium-Gruppe werden je nach Polymerisierungsgrad durch nachgestellte Ziffern unterschieden.
Das sagt Altmeyers Enzyklopädie. In der Kosmetikindustrie finden am häufigsten Polyquaternium-7, 11, 28 und noch ein paar andere Verwendung. Diese Stoffe haben eine ähnliche Funktionalität wie Silikone. Sie machen zum Beispiel das Haar leichter kämmbar, verhindern, dass sich dies, wenn getrocknet, statisch auflädt und wie wild in der Gegend herumsteht, und die damit geduschte oder gecremte die Haut fühlt sich glatter und weicher an. Super Feeling, aber richtiger Dreck!
Dreck zieht Dreck an
Und zwar noch größerer Dreck als das meist als Dimeticon getarnte Silikon, das ein vergleichbares, streichelweiches Gefühl erzeugt. Grund hierfür sind die chemischen Eigenschaften des Polyquaterniums, dessen Moleküle positiv geladen sind und sich an allem anlagern, was auch nur andeutungsweise negativ geladen ist. Und solches auch anziehen … Man bezeichnet das als Magnet-Effekt.
Tja, und eben dieser Magnet-Effekt ist für die Streifen auf meinem Handtuch verantwortlich. Als ich mir das Teil um den noch etwas schaumigen Körper wickelte, als der Postmann einmal klingelte, nahm das Gewebe des Handtuchs auch Polyquaternium auf. Und als selbiges mit anderen Wäschestücke in der Trommel herumgewirbelt wurde, sich diverse Schmutzmoleküle lösten, streckte der Magnet-Effekt seine gierigen Finger aus – und band jedes Schmutz-Schwebeteilchen, dessen er habhaft werden konnte.
Ganz typische Flecken – verursacht von Polyquaternium
Jetzt sind die Schmutzpartikel an das Polyquaternium gebunden, und zwar auf alle Ewigkeit. Weder hohe Temperaturen noch Bleichmittel, nicht mal pure Chlorbrühe, sind in der Lage, dem Polyquaternium den Schmutz jemals wieder zu entreißen. Und da das widerliche Zeug auch nicht bereit ist, sich aus dem Gewebe zu lösen, in dem es sich festgezeckt hat, werden die Streifen wohl bleiben, bis das Handtuch das Zeitliche segnet. Echt harter Stoff, oder? Und so ist es auch kein Wunder, dass meine Shirts, die ich im Urlaub mit Duschgel gewaschen hatte, mit jeder Wäsche dreckiger aus der Maschine kamen …
Noch mehr dreckige Details
Noch ein paar unschöne Infos über diesen Stoff, der guten Gewissens als problematisch bezeichnet werden darf. Polyquaternium ist ein chemischer Kunststoff, der aus polymeren Molekülketten besteht. Ketten, die so lange sind, dass sie sich gerne netzartig miteinander verbandeln und ein smoothes Gefühl erzeugen. Doch wenn diese netzigen Gebilde dann irgendwann im Meer landen und von der Brandung wieder zerrieben werden, enden sie schließlich als Mikroplastik, da sie biologisch nicht abbaubar sind, und verpesten auf ewig unsere Umwelt.
Weiterhin lagert sich das Polyquaternium aufgrund des Magnet-Effekts auch auf den Haaren in immer dicker werdenden Schichten an, macht es schließlich schwer und versiegelt es mehr und mehr. Unter dieser Isolierung, die keinen Feuchtigkeitsaustausch erlaubt, quillt das Haar auf und bricht letztendlich. Der ehemals positive Effekt kehrt sich also boshafterweise ins Gegenteil um.
Das Perfideste an der Sache aber ist: der Kunde will heute keine Silikone mehr in seinen Pflegeprodukten. Die aber sollen sich genauso gut anfühlen wie die silikonhaltigen. Also verwendet die Kosmetikindustrie Polyquaternium, das übrigens auch noch unwiderstehlich billlig ist, und schreibt dann “silikonfrei” auf die Produkte. Völlig legal. Dass noch größere Scheiße darin verrührt wurde, checkt der Kunde ja nicht, der auf Silikon fixiert ist.
Für mich auf jeden Fall heißt das in Zukunft: Augen noch weiter auf bei der Wahl der Pflegeprodukte – und für den Urlaub wird dann eben ein geeignetes Gefäß mit geeignetem Duschgel befüllt. Auf dass die Wäsche wieder sauber aus der Maschine komme!
Titelbild: stevepb (Steve Buissinne) auf pixabay, Bild Drogeriemarkt: Counselling (Ulrike Mai)
Liebe Barbara, schon wieder habe ich einen Bericht von dir verschlungen und bin begeistert!
Dein Polyquaternium Erfahrfahrungsbericht sollte auch mehr Menschen finden.
Ich bin schon lange auf Haarseife und Waschstücke umgestiegen, kaufe sie Umverpackung und werde das jetzt msl recherchieren.
Danke. Liebe Grüße Petra