Lampyridae – Leuchtende Vorbilder für Energieeffizienz

Momente, die man nie vergisst

Zwei, drei Mal in meinem Leben habe ich bei uns zuhause Glühwürmchen gesehen, als Kind, bei meiner Oma auf dem Land. Es waren nur ein paar vereinzelte, leuchtende Pünktchen, die durch die sich herabsenkende Nacht schwebten, doch ich war schon damals total fasziniert. Warum die Tierchen leuchten oder gar wie, das hat mich damals noch nicht interessiert.

Mehrere Jahrzehnte später, im Oktober 2014: Wir sind im Richtersveld Nationalpark, haben unser Nachtlager in De Hoop, direkt am Ufer des Oranje errichtet und sind gerade dabei, unser Abendessen vorzubereiten, als aus dem nahen Schilfgürtel eine leuchtende Wolke aufsteigt. Es sind Myriaden von Glühwürmchen, und sie verbreiten ein zauberhaftes Licht, das sich im ruhig dahinfließenden Wasser des Oranje widerspiegelt. Nur ungefähr zehn Minuten dauert das Spektakel, zehn Minuten voller Magie, die ich wohl nie wieder vergessen werde.

Doch trotz des Zaubers, den wir in diesem entlegenen Winkel der Erde erleben durften, und den ich unendlich und voller Staunen genossen habe, erwacht in diesem Moment auch meine Neugier: welche Tiere stecken hinter dieser Lightshow, die man Biolumineszenz nennt, denn Würmchen sind es ja nicht, was ist der Grund für ihr Leuchten und, vor allen Dingen, wie wird das Licht erzeugt.

Biolumineszenz – verschiedene Aspekte

Wer kann leuchten?

Blöde Frage, Glühwürmchen halt! Das stimmt natürlich vom Prinzip her, doch ganz so einfach ist es nicht. Erstens sind die Tiere, die da Licht aussenden keine Würmchen, sondern Käfer, genauer gesagt Leuchtkäfer (Lampyridae). In dieser Insektenfamilie tummeln sich weltweit zirka 2000 Arten, von denen viele, jedoch beileibe nicht alle in der Lage sind, Lichtsignale auszusenden. Und zweitens sind sie mit dieser Fähigkeit nicht allein: es gibt auch Fische und Weichtiere, die diese Kunst ebenfalls beherrschen, ja, und sogar Pilze, Bakterien und Plankton, also primitive Lebewesen bis hin zum Einzeller.

Bekannteste „Leuchter“, neben den Glühwürmchen, sind wohl die Dinoflagellaten, die für das geheimnisvolle Meeresleuchten verantwortlich sind. Bei Berührungsreizen, die unter anderem durch Brandungsbewegungen und Bugwellen von Schiffen ausgelöst werden, senden sie ein charakteristisches, bläuliches Licht aus, das uns Menschen seit Jahrtausenden fasziniert.

Ein Begriff dürfte auch der Anglerfisch sein, den zwar die wenigsten von uns jemals selbst zu Gesicht bekommen werden, da er ein Bewohner der Tiefsee ist, der aber mit seiner Strategie, in der undurchdringlichen Dunkelheit der tiefen Meere mittels eines Leuchtens Beute anzulocken, durchaus Schlagzeilen gemacht hat.

Warum leuchten Lebewesen?

Dafür gibt es verschiedene Gründe. Der Anglerfisch zum Beispiel nutzt diesen in der Tiefsee eher überraschenden Effekt, um damit Beute anzulocken. Laternenfische hingegen – auch sie sind Tiefseebewohner – verwirren mit stroboskopartigem Blitzen potenzielle Feinde. Andere Meereswesen, die höhere und damit lichtere Wasserschichten bewohnen, verschaffen sich mit selbst erzeugtem Leuchten eine gut funktionierende Tarnung vor Fressfeinden – um ihre weithin sichtbare, dunkle Körpersilhouette mit der lichtdurchfluteten Umgebung verschmelzen zu lassen, knipsen sie im Bedarfsfall ihr Licht an und erschweren dem Jäger somit einen zielgerichteten Angriff.

Auch Glühwürmchen leuchten aus zweierlei Gründen. Einige Arten illuminieren sich, um sich einen Effekt namens Aposematismus zunutze zu machen: Fressfeinde nehmen das Leuchten als Warnfärbung wahr und sehen davon ab, die Leuchtkäfer zu attackieren – sie könnten ja giftig sein. Die Mehrzahl der Leuchtkäfer glüht jedoch zu amourösen Zwecken, sie kommunizieren auf diese Art und Weise zur Paarungszeit mit ganz spezifischen Blinkmustern, die sich je nach Spezies und Geschlecht unterscheiden, um jedweden, energiezehrenden Verwechslungen vorzubeugen.

Ist Biolumineszenz gleich Biolumineszenz?

Nein, bei der Biolumineszenz werden zwei grundlegende Arten unterschieden, nämlich die primäre und die sekundäre. Lebewesen, die sekundäre Biolumineszenz betreiben, sind nicht in der Lage, das Leuchten ohne Hilfe anderer Lebewesen zu erzeugen. Der vorhin bereits erwähnte Anglerfisch ist zum Beispiel solch ein sekundärer Leuchter: in einem Anhängsel, das wie an einer Angelrute aus seinem Kopf wächst und vor dem Maul baumelt, beherbergt der skurrile Fisch eine Ansammlung von lumineszierenden Bakterien – und diese sind es, die das Licht erzeugen.

Natürlich machen die Bakterien das nicht umsonst. Sie sind eine Symbiose mit dem Angler eingegangen und ernähren sich von Zellen, die sich aus dem Inneren der Angel ablösen. Außerdem bietet ihnen der Fortsatz ihres Wirts ein sicheres, kompaktes Zuhause, in dem sie, geschützt vor Wasserströmungen, überleben können. Als Gegenleistung stellen sie dem Fisch ihr Dauerleuchten zur Verfügung, das der wiederum durch Verdichtung bestimmter Hautregionen bei Bedarf ausknipsen, sprich verdunkeln kann.

Zu den Lebewesen, die ohne fremde Hilfe in der Lage sind, Licht zu erzeugen, zählen unsere Glühwürmchen. Diese primäre Biolumineszenz entsteht in speziellen Leuchtgeweben, die sich im Hinterleib der Käfer befinden. Am unteren Ende der Bauchseite ist ein Teil des ansonsten glatten und opaken Chitinpanzers rau und durchsichtig. Hinter diesem Fenster kleiden große Zellen die sogenannte Laterne aus; sie sind reichlich mit fein verästelten Tracheen durchzogen, um eine optimale Sauerstoffversorgung der Leuchtzellen zu gewährleisten.

Hinter der Leuchtzellschicht wiederum befindet sich eine feinere, weißliche Kristallschicht, die aus harnsauren Salzen besteht und als Reflektor fungiert. Diese Reflektorschicht ist so hell, dass man sie sogar bei einem gerade nicht leuchtenden oder toten Glühwürmchen deutlich als Fleck am Hinterleib wahrnehmen kann.

Biolumineszenz – so kommt sie zustande

Definition

Jetzt haben wir die biologische Lichterzeugung aus verschiedenen, allgemeineren Blickwinkeln betrachtet, sodass es Zeit wird, etwas konkreter zu werden. Also, Biolumineszenz ist eine Form der Lichterzeugung durch lebende Organismen, bei der sichtbares Licht produziert und ausgestrahlt wird, ohne dabei eine Temperaturänderung hervorzurufen. Dieses „kalte Leuchten“ entsteht bei der Oxidation chemischer Energie, ein Vorgang, der Leuchtstoffe verbraucht und durch Leuchtenzyme katalysiert wird – und der extrem effizient ist.

Farbspektrum

Vorhin hatte ich das blaue Leuchten der Dinoflagellaten erwähnt, doch das Licht der Glühwürmchen ist eher gelb. Es gibt also unterschiedliche Farben, die beim Leuchten erzeugt werden können? Ja, und zwar das ganze Spektrum von Gelb über Grün und Orange, bis hin zu Blau und Violett. Man könnte nun denken, dass die Farben allein von der jeweiligen Umgebung abhängig sind, in der sie erzeugt werden: blaue Farbtöne sind nämlich vorwiegend in den tieferen Wasserschichten zu beobachten, grüne in den küstennahen und gelbe eher an Land. In Wahrheit aber sind viel mehr Faktoren daran beteiligt. So ist auch die unterschiedliche chemische Zusammensetzung des vorhin erwähnten Grundleuchtstoffs, die des Katalysators und die Art der Zusatzstoffe dafür verantwortlich. Und all diese Faktoren sind bei jedem biolumineszenten Organismus ein wenig anders.

Die Chemie

Tja, der entkommen wir jetzt wohl nicht mehr, wenn wir Biolumineszenz wirklich verstehen wollen. Vom Prinzip ist der chemische Grundvorgang bei allen biolumineszenten Lebewesen der selbe: ein Substrat, der Leuchtstoff Luziferin, oxidiert unter Zuführung von Sauerstoff, ein Katalysator (das Enzym Luziferase) dient dabei als Auslöser und Beschleuniger der Reaktion. Beim Oxidationsvorgang werden die Luziferin-Moleküle in einen instabilen Zustand überführt, bei dem wiederum Anregungsenergie freigesetzt wird. Chemisch derart verändert, zerfallen die entstandenen Moleküle innerhalb kürzester Zeit und emittieren dabei Photone, das heißt, sie geben die entstandene Energie in Form von Licht ab.

Es gibt nun Käfer, bei denen als Leuchtstoff nicht das Benzothiaozol-Derivat Luziferin, sondern ein Pteridinabkömmling namens Luziopterin zum Einsatz kommt, und im Gegensatz zu anderen biolumineszenten Organismen sind bei den Leuchtkäfern auch noch ATP (Adenosintriphosphat, Hauptenergielieferant einer Zelle) und Magnesiumionen an der Reaktion beteiligt, doch der Grundvorgang stimmt bei allen leuchtenden Lebewesen überein. Und dieser Vorgang ist faszinierend – in seiner Entstehungsgeschichte und in seiner Energieeffizienz.

Entstehungsgeschichte

Es wird vermutet – viele Aspekte der Biolumineszenz sind immer noch unbekannt -, dass dieses Leuchten seinen Ursprung vor etwa 2,5 Milliarden Jahren hat. Damals begannen riesige Massen von Cyanobakterien, das Sonnenlicht zu nutzen und Photosynthese zu betreiben. Dabei erzeugten sie natürlich Unmengen von Sauerstoff, der aber für die meisten Lebewesen dieses Erdzeitalters reines Zellgift war. Um nun trotz dieser sauerstoffreichen Atmosphäre überleben zu können, „erfanden“ die betroffenen Lebensformen die Biolumineszenz, die, man glaubt es kaum, einzig und allein der Sauerstoffvernichtung diente.

Einzigartige Energieeffizienz

Diese Tatsache ist schon erstaunlich genug, dass aber der sauerstofffressende Prozess auch noch einer der energieeffizientesten Leuchtvorgänge ist, finde ich nahezu unglaublich. Nehmen wir zum Beispiel unsere guten, alten Glühbirnen: bei der Lichterzeugung gehen hier nahezu 99 Prozent der Energie in Form von Wärme verloren. Bei Leuchtstoffröhren sind es 97 Prozent und sogar die hochgelobten LEDs verschwenden 60 bis 70 Prozent der zugeführten Energie. Und die biolumineszenten Lebewesen? Die haben einen Wirkungsgrad von sage und schreibe um die 99 Prozent! Das zu erreichen ist uns, der ach so schlauen Menschheit, bis heute nicht gelungen, obwohl wir ja das beste Beispiel vor Augen haben.

Weiteres Potenzial

Doch es gibt diverse andere Ansätze, die Biolumineszenz beziehungsweise die daran beteiligten Stoffe zu nutzen: bereits 1961 machte sich der Japaner Shinomura daran, einen Leuchtstoff zu isolieren. Zu diesem Zweck ließ er 2,5 Tonnen einer bestimmten Quallenart aus dem Pazifik fischen, sezierte sie und gewann in langwieriger Arbeit tatsächlich 5 mg (!) einer Substanz, die er Aequorin nannte. Und es dauerte weitere Jahrzehnte, bis er in der Lage war, diesen Leuchtstoff künstlich zu erzeugen – 2008 wurde ihm der Chemie-Nobelpreis hierfür verliehen.

Dieses Aequorin, in der Wissenschaft als GFP (Grün Fluoreszierendes Protein) bekannt, aber auch modifizierte Firefly-Enzyme werden heute unter anderem in der Medizin verwendet. Man spürt damit zum Beispiel bösartige Zellen auf und lässt diese leuchten, um sie identifizieren und präzise lokalisieren zu können. An der TU Dresden hat man das Erbgut des Axolotl, eines Schwanzlurchs, bei dem verlustig gegangene Körperteile wie Extremitäten, innere Organe und sogar Teile des Gehirns, als Eins-zu-Eins-Kopien nachwachsen, mit GFP-Proteinen versetzt. So versucht man nun, leuchtendes Gewebe bei der Nachbildung zu beobachten und , dem Geheimnis des sich selbst regenerierenden Ersatzteillagers auf die Spur zu kommen. Ein Wissenschaftler nannte die Biolumineszenz aufgrund derartiger Möglichkeiten und Erfolge gar das „Mikroskop des 21. Jahrhunderts“.

Und das alles nur, weil ein paar Cyanobakterien zu viel Sauerstoff produziert haben… Ist das nicht faszinierend? Auf jeden Fall werde ich, wenn ich das nächste Mal Glühwürmchen sehe, daran denken. Die Magie allerdings wird bleiben, da bin ich mir sicher.

Quellen
K. Dehner, W. Peteres, Biolumineszenz, Lehrbuch der Entomologie, Gustav Fischer Verlag, Stuttgart, Jan. 1999
Stephan Finsterbusch, Glow in the Dark, Frankfurter Allgemeine Zeitung, Okt. 2017

Bildnachweis
Totes Glühwürmchen: Hans Braxmeier auf pixabay.
Leuchtkäfer auf Blüten: balloonimals (Heather Griesbach) auf pixabay

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