Ein Traum geht in Erfüllung – Heliflug übers Delta
Ganz früh, noch bevor die Sonne rauskommt, stehen wir heute auf, denn etwas ganz Besonderes steht auf dem Programm: ein 90-minütiger Heliflug über das Okavango-Delta. Pünktlich um viertel nach sieben stehen wir bei Okavango Helicopters bereit, dick eingepackt in Pullis und Windjacken, da es relativ frisch ist und beim Fliegen sicher noch kälter wird. Unsere Pilotin Annie lotst uns durch den Mauner Airport, wo wir durch die Sicherheitskontrolle müssen. Joachim hat wie immer sein recht beachtliches Taschenmesser dabei, muss es durch das Röntgen schieben, um es sich danach wieder in die Tasche stecken zu dürfen.
Auf dem Rollfeld steht schon unser Helicopter, ein Bell. Annie stellt uns vor die Alternative: ein Flug mit geschlossenen oder ausgehängten Türen. Natürlich wollen wir letzteres, auch wenn es dann ganz schön zugig wird. Wir quetschen uns in den Heli, setzen die Kopfhörer auf und schnallen uns an. Joachims Gurt macht Zicken, er will nicht zu bleiben. Das macht ein leicht mulmiges Gefühl, angesichts der ausgehängten Türen, aber schließlich ist er zu und wir vertrauen darauf, dass er es auch bleibt.
Und dann geht es los! Es ist ungeheuer laut und wahnsinnig windig. Die ersten Flugkilometer sitzen wir noch etwas verkrampft und stemmen uns mit den Füßen gegen den Türrahmen. Annie steuert auf das Delta zu und fliegt ein paar enge Kurven. Wenn man ein paar Mal im 45-Grad-Winkel über der Türöffnung hängt, nur gehalten vom Gurt, dann verliert sich die Verkrampfung und die Faszination gewinnt die Oberhand.
Ein Hoch auf die Vogelperspektive
Ich bin ein ausgesprochener Fan von Michael Polizas „Eyes over Africa“ und häufiger Gast bei google Earth, aber das Delta mit eigenen Augen von oben sehen zu können, ist unvergleichlich. Diese Farben, das wogende Gras, die Papyrusinseln, das Glitzern des Wassers in der aufgehenden Sonne! Unzählige glasklare Wasserwege, Tümpelchen und Tierpfade malen grafische Strukturen in die unter uns liegende Landschaft. Wir überfliegen riesige Herden von Zebras, Gnus und Lechwes, sehen unzählige Vögel, die sich, vom Hubschrauber gestört, in die Lüfte erheben, Giraffen, die in elegantem Lauf vor uns Reißaus nehmen. Überall stehen Elefanten, im Wasser, zwischen den Bäumen, im Gras. Am faszinierendsten aber sind die Hippos; da das Wasser unglaublich klar ist, sieht man nicht nur ihre Köpfe, sondern auch den ganzen Rest des Körpers unter Wasser. Es ist unglaublich schön und die Zeit vergeht, im wahrsten Sinne des Wortes, wie im Fluge. Viel zu schnell sind wir wieder zurück in Maun, fahren zum Camp, wo wir andächtig schweigend unser Frühstück einnehmen. Auch, wenn so ein Heliflug kein ganz billiges Vergnügen ist: es lohnt sich auf der ganzen Linie und ist unvergesslich!
Keine neuen Erkenntnisse in Sachen Überfall
Nach dem Frühstück aber holt uns die Erledigungs-Liste wieder auf den Boden des Reisealltags. Zunächst statten wir dem Audi Camp einen Besuch ab, wo Annette und Joachim sich nach möglichen Entwicklungen in Sachen Überfall kundig machen wollen. Man erinnert sich an den Vorfall, aha, immerhin, der Campmanager aber ist plötzlich ein anderer als vor vier Wochen. Neuigkeiten gibt es nicht, man verweist uns auf den Satellite Post der Polizei vor den Toren Mauns. Auch dort gibt es keine neuen Erkenntnisse. Interessant ist nur, dass das „Auftragsbuch“ der Beamten randvoll ist – für jeden Tag existieren eine Vielzahl von Delikt-Einträgen. Und immer wieder ist das Audi Camp betroffen. In der Woche vor dem Überfall auf Annette und Joachim fanden bereits drei andere statt. Zweimal drangen die Diebe über den nicht wirklich protektiven Zaun ein, öffneten eines der herumstehenden Zelte (mit schlafenden Menschen darin) und entwendeten, was sie gerade in die Finger bekamen. Der dritte Überfall war geplanter und richtig übel. Mehrere Täter zwangen des nächtens sämtliche Zeltbewohner aus selbigen hervor zu kommen, sich auf den Boden zu legen, um dann in Ruhe alles ausräumen zu können. Ein Tourist muckte wohl auf und wurde ins Bein geschossen. Am Rande: das Audi Camp zeigt keine Tendenzen zu weitergehenden Sicherheitsmaßnahmen. Also Vorsicht!
Wir fahren weiter zur Polizeizentrale in Maun-City. Während Jürg und ich vor dem Stacheldrahtzaun beim Auto warten, steuert ein grauhaariger Herr nebst jungspündigem Begleiter schnurstracks auf uns zu. „West- oder Ostroute?“ fragt er uns ohne jegliche Begrüßung. „Mhm“, denke ich nach, „mittendurch, mehr oder weniger.“ Diese Antwort kommt, ohne genau zu wissen, was er denn will. Dann schwallt er los: „Ah, interessant, und wie denn dann? Seid ihr auch über Somalia gefahren und habt dort dies und jenes erlebt, weil ja und überhaupt, blabla…?“ Ach, er meint eine Durchquerung des gesamten afrikanischen Kontinents. Damit können wir im Moment nicht dienen. Als ich ihm zu verstehen gebe, dass wir schnöde Botswana-Sambia-Touris sind, dreht er wort- und grußlos auf dem Absatz um und hastet von dannen. Sein jugendlicher Begleiter zuckt entschuldigend die Schultern und dackelt dem Afrika-Checker hinterher.
Annette und Joachim haben in der Zwischenzeit herausgefunden, dass ihr Fall bei der Zentrale gar nicht aktenkundig ist. Auch die Vorlage des Original-Protokolls bringt kein Licht ins Akten-Nirwana. Also auf der ganzen Linie eine Nullnummer! So sind wohl Imagetank, Kamera, diverse Papiere und Kleidungsstücke für immer verloren, eingeschleust in den Kreislauf unergründlicher Hehlerkreise.
Raus aus der Stadt – Zwischenstopp in Kaziikini
Kurz machen wir noch einige Besorgungen in Maun, unter anderem erstehe ich bei PEP eine Wolldecke für umgerechnet gut 2 Euro, um mich gegen die kommenden kalten Nächte gebührlich zu wappnen, bevor wir Richtung Kaziikini aufbrechen. Weit ist es nicht, aber die Strecke wird gerade überarbeitet und über Kilometer liegen, in regelmäßigen Abständen, Schotterpyramiden am Rande der Straße. Das macht die Angelegenheit etwas staubiger als üblich und sehr eng bei Gegenverkehr. Doch am späten Nachmittag sind wir da, schlagen unsere Zelte auf. Die Sonne geht unter und es wird, mit Verlaub, SAUkalt! Ein Schmetterling, der sich auf einem Ast in Augenhöhe niedergelassen hat, ist in eine Starre verfallen, die bis zu unserer Weiterfahrt am nächsten Morgen anhält. Armer Kerl, aber extrem entgegenkommend beim Fotografieren!
Dunkelheit und zunehmende Kälte senken sich auf uns herab, diverses Getier raschelt im umgebenden Gebüsch, wohlig hülle ich mich in meine neu erworbene Decke und schlafe beglückt dem nächsten Tag entgegen.
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