25. Oktober 2018; Wir verlassen Akanin’ny nofy > Feon’ny ala, Andasibe

Vertrautes Gerumpel auf dem Dach weckt uns frühmorgens, vertraute Lemurengesichter blicken uns erwartungsvoll an, als wir gähnend und uns reckend die Veranda betreten. Doch Bananen gibt’s erst später, quasi als Zuckerl zum Abschied – denn heute werden wir Akanin’ny nofy verlassen und für eine Nacht nach Andasibe zurückkehren, um die lange Strecke nach Tana zu unterteilen.

Also lassen wir die knopfäugigen Varis und Makis auf der Terrasse zurück und gehen erst mal selbst zum Frühstück. Nach dem Essen verbindet Antoine ein letztes Mal meinen Finger und wir bedanken uns mit einem großzügigen Trinkgeld in die Mannschaftskasse, das allen Angestellten gleichermaßen zugute kommt – auch Olivier, den wir gestern übrigens nicht mehr zu Gesicht bekommen haben und der sich auch heute nicht blicken lässt. Ein komischer Kauz, dieser angeblich beste Guide vor Ort!

Es geht ans Eingemachte – die Rechnung

Danach schreiten wir zum Unvermeidlichen und begleichen unsere Rechnung: Die Kosten für die Übernachtungen im Bungalow und die geführten Exkursionen (haha!) waren im Reisepreis inbegriffen, für Speis und Trank allerdings müssen wir selbst aufkommen. Und diese Rechnung ist echt gesalzen. Natürlich hatten wir schon damit gerechnet, dass sie etwas üppiger ausfallen würde, aber dass uns vier Mal Frühstück, vier Mal Abendessen und ein paar Extras wie Getränke und der Nachmittagskaffee mit rund einer Million Ariary (ca. 250 Euro) berechnet werden, erstaunt uns dann doch, denn dieses Preisniveau liegt wirklich erheblich über dem Durchschnitt. Na ja, zumindest über dem, was wir bisher als Durchschnitt kennengelernt haben. Doch wir beklagen uns nicht, denn wir wissen ja, unter welchen Umständen hier überhaupt etwas auf dem Teller landet – und das Gelandete war wirklich gut, da gibt es nichts zu meckern.

Nachdem nun die pekuniären Angelegenheiten geregelt und wir keine Millionäre mehr sind, begeben wir uns zurück zum Bungalow, sammeln unsere Habseligkeiten zusammen, packen und beglücken die immer noch lauernden Lemuren mit den letzten Bananen. Zufrieden schmatzend und sich gar possierlich die Schnäuzchen leckend, sehen uns die pelzigen Monster hinterher, als wir langsam zur Rezeption schlendern und dort auf Fitah und Aina warten.

Wir verlassen das Palmarium mit zwiespältigen Gedanken

Und dann ist es endgültig Zeit für den Abschied – das Boot ist da. Wir klettern hinein, unser Gepäck wird dazugeladen, der Motor angeworfen und es geht zurück nach Manambato, wo das Auto steht. Heute allerdings ist es um einiges windiger als bei der Hinfahrt und Fitah, nur mit Jeans und T-Shirt bekleidet, friert wie ein Schneider. Ich biete ihm meine Jacke an, da er bereits von einer erbarmungswürdigen Gänsehaut bedeckt ist und seine Lippen schon eine leicht bläuliche Färbung angenommen haben. Doch mannhaft und mit zusammengebissenen Zähnen lehnt er ab, drückt sich stattdessen im Heck des Bootes in Ainas Windschatten und friert tapfer weiter. Aina grinst – und wir genießen den Ritt über die kleinen, kabbeligen Wellen. Schließlich erreichen wir den Strand von Manambato und springen von Bord.

Fitah, so scheint ist, kann sein Glück kaum fassen, endlich wieder festen Boden unter den Füßen zu haben, seine von der spritzenden Gischt durchfeuchteten Klamotten trocknen und sich selbst in der Sonne aufwärmen zu können. Aina grinst weiter und schält sich aus seiner Windjacke, bevor wir über den Strand zum Parkplatz marschieren. Ein paar Angestellte des kleinen Resorts bringen unser Gepäck hinterher, Fitah erledigt noch die Zahlung für den Transfer, dann steigen wir ins Auto und treten die Rückfahrt nach Andasibe an. Gefühlvoll manövriert uns Aina die ausgewaschene Schaukelpiste nach oben, ich lasse mich wohlig durchrütteln und hänge meinen Gedanken nach. Als wir diese Piste vor wenigen Tagen nach unten fuhren, kamen uns ein paar Autos mit Touristen entgegen, die, so denke ich, von einem Aufenthalt aus dem Palmarium zurückkehrten. Und ich glaubte, einen Anflug von Neid in ihren Gesichtern zu erkennen – sie mussten dieses Paradies gerade wieder verlassen, während wir es noch vor uns hatten. Und vor ein paar Tagen war meine Vorfreude auf das Palmarium noch so groß, dass ich diese Gefühle voll und ganz nachvollziehen konnte, ja, mich schon fast selbst darum beneidete, da jetzt hinfahren zu dürfen. Heute aber sehe ich das mit etwas anderen Augen. Akanin’ny nofy, das Nest der Träume, war schön, unbestritten. Doch verglichen mit unseren beiden anderen Hauptdestinationen, Kirindy und Andasibe, erschienen es uns wenig spannend, ja, schon fast ein bisschen fad und farblos. Schöne Landschaft, tolle Unterkunft, gutes Essen, zahme Lemuren – unbestritten, und eigentlich eine unschlagbare Traumkombination, doch, so im Nachhinein betrachtet, konnte das unseren Andasibe-Aufenthalt, geschweige denn den im Kirindy bei weitem nicht das Wasser reichen. Das hätte ich noch vor ein paar Wochen nicht geglaubt; die Dramaturgie der Reise schien perfekt: Zuerst der Kirindy, eine auf den ersten Blick nicht sonderlich attraktive Destination, verbunden mit der Mühsal der täglichen Exkursionen, dann ein üppig grünes, artenreiches Schutzgebiet im Osten der Insel, wo meiner irrigen Meinung nach in jedem zweiten Baum ein Chamäleon hängen sollte und zuletzt all der Mühen Lohn – das Palmarium. So hatte ich mir das vorgestellt.

Doch jetzt, da auch uns erwartungsvolle Touristen auf der Rumpelkiste nach Manambato entgegenkommen und vielleicht dasselbe denken, wie wir vor ein paar Tagen, muss ich grinsen. Grinsen, weil es eine schöne, spannende, erlebnisreiche Reise war, weil wir uns bei unserem Veranstalter und dessen Angestellten in besten Händen befanden, aber auch, weil sich die erwartete Dramaturgie zum Ende hin um 180 Grad gedreht hat. Und das ist das Spannende an Reisen in unbekannte Gegenden: Es kommt oft ganz anders als man es sich vorgestellt hatte. Das Allerspannendste jedoch ist, dass man sich selbst jedes Mal immer noch genauer kennenlernen kann – und auch da sind ein Grinsen und ein gewisses Staunen nicht ausgeschlossen!

Ein Mitbringsel aus Antsampanana

Und gerade staune ich noch darüber, dass es mir so leicht fiel, das Traumnest Palmarium zu verlassen, als wir auch schon wieder geteerte Straße unter den Reifen haben. „Fitah, Aina, wir kommen doch jetzt gleich nach Antsampanana?! Können wir da einen Stopp einlegen?” Fitah kichert. „Wollt ihr wieder seltsame Früchte kaufen?“ Nein, das wollen wir diesmal nicht, vielmehr habe ich auf der Hinfahrt hier zahlreiche Stände mit aus Raphiafasern gefertigten Täschchen in allen Farben und Formen gesehen und so eines, natürlich in pink, würde ich nun gern für mein Patenkind erwerben.

Ein paar Minuten später halten wir dann auf der Marktstraße von Antsampanana und man scheint sich noch an uns zu erinnern, denn allenthalben werden uns exotische Früchte entgegengereckt. Schnell jedoch spricht sich herum, dass wird diesmal auf der Suche nach etwas anderem sind – zack, und schon werden die Früchte gegen Taschen ausgetauscht. Langsam schlendern wir an den angebotsflexiblen Ständen entlang und es dauert nicht lange, bis ich habe etwas Passendes entdeckt habe: Ein kleines, pinkfarben durchwirktes Täschlein mit einem Verschlussknopf aus Kokosschale und einem langen Trageriemen, mit dem man sich die Tasche quer über die Schulter hängen kann. Fitah eilt sofort herbei, um mir bei den Verhandlungen behilflich zu sein, doch bei DEM Preis muss ich wirklich nicht verhandeln. Für umgerechnet 70 Cent erstehe ich das kleine Kunstwerk und bin mehr als zufrieden. Zufrieden sind auch Fitah und Aina. Wir, die Gäste, sind rundum versorgt und glücklich, also können sich die beiden jetzt ganz entspannt um ihr eigenes Wohlergehen kümmern und, wie sollte es anders sein, sich auf die Jagd nach dem längst fälligen Lunch machen. Schnell ist etwas Wohlschmeckendes gefunden, noch schneller in den Mägen unserer beiden Begleiter verschwunden und schon kann es weitergehen.

Gequälte Landschaft

Wir durchqueren nun die Gegend mit den geschundenen, entwaldeten Steilhängen, quetschen uns durch schmale Täler, in denen sich der Personen- und Schwerlastverkehr staut, in denen wie der Kinder direkt an der Straße spielen und wo Häuser, deren Fassaden nur eine Armlänge von den Fahrerkabinen vorbeiqualmender Lkws entfernt sind, aus den fast senkrechten Böschungen wachsen. Da ist es eine richtige Wohltat, endlich das ruhigere und vergleichsweise weitläufige Andasibetal zu erreichen! Am frühen Nachmittag rollen wir so erneut auf den Parkplatz von Feon’ny ala, atmen tief durch und sind gespannt, was für ein Bungalow uns wohl diesmal zu gedacht wird und – vor allen Dingen – wie weit oben er diesmal liegt.

Fitah macht die Formalitäten klar und drückt uns einen Schlüssel in die Hand – Nummer 306! Na, das war ja irgendwie klar… Also quälen wir uns auch diesmal die verdammte Steintreppe in die dritte Etage nach oben, begleitet von zwei menschlichen Gepäckgämsen, und richten uns kurz ein.

Den Rest des Nachmittags verdümpeln wir in der wohlig wärmenden Sonne, die unsere Terrasse bescheint. Als sie hinter den Bergen verschwindet, wird es kühl, wir ziehen uns etwas Warmes über und klettern hinab ins Restaurant, wo wir einen gemütlichen, aber kurzen Abend verbringen. Irgendwie haben wir kein Sitzfleisch mehr – der Urlaub neigt sich seinem Ende zu, wir sind viel zu viel gesessen in den letzten Tagen und morgen schon geht es weiter. So gibt es also keinen Grund, warum wir uns nicht jetzt schon unter die bereits bekannte und bewährte tonnenschwere Decke kuscheln sollten – das Monsterding empfängt uns mit der ja schon hinlänglich ausgetesteten Mächtigkeit und drückt uns schnell in einen tiefen und wohligen Schlaf.

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