Der frühe Morgen am Chobe hält bereits wieder Tierwelt satt für uns bereit und das schon, bevor wir das Camp verlassen. Unter meinem Zelt hat sich eine Pantherkröte eingenistet, die, entsetzt vom plötzlichen Sonnenlicht, immer wieder unter das zusammengefaltete Zelt schlüpft. Als ich ihr dieses entziehe, rettet sie sich unter meinen Rucksack und flüchtet schließlich unter die Bodenplane. Wenn ich zu diesem Zeitpunkt schon gewußt hätte, dass sie ungiftig ist, hätte ich sie einfach aus der Schußlinie getragen, so aber muss sie den Weg in das nächste rettende Grasbüschel selbst antreten. Kurz darauf wackelt seelenruhig ein mit beeindruckenden Hauern bewaffneter Warzenschweineber die Böschung herunter und grunzt in Streichelweite an uns vorbei, hinunter zum Wasser. Auf einem abgestorbenen Baum hinter unserer Site sammelt sich eine Schar farbenprächtiger Scharlachspinte und ein paar Meter weiter hüpfen Angola-Schmetterlingsfinken wie kleine blaue Gummibälle über den Boden.
Eigentlich müsste man gar nicht umherfahren, wenn das Viehzeug früher oder später sowieso am Platz auftaucht. Dass unsere nächste Tierbegegnung nicht den Weg über unsere Site wählte, darüber sind wir dann aber doch ganz dankbar. Schon wieder auf dem Weg, sehen wir aus der Ferne eine riesige Staubwolke, aus der sich beim Näherkommen hunderte von Büffeln herausschälen. Eine nicht enden wollende Karawane wälzt sich zum Saufen von einem Hügel an den Chobe hinab. Wachposten sichern die Herde aufmerksam nach allen Seiten, so dass sich die Patriarchen und Mütter nebst Kälbern sorgenfrei den kühlen Fluten des Flusses widmen können. Allerdings nur im Schichtbetrieb, denn es haben nicht alle Mitglieder dieser Megaherde auf einmal Platz. Gegenüber, auf der anderen Seite des Büffelstroms, steht ein Lodgefahrzeug, das, nachdem die Gäste offenbar genug von den Büffeln haben, sich den Weg mitten durch die Herde auf unsere Seite bahnt. Etwas ungläubig sehen wir zu, aber die Büffel lassen das Gefährt unbehelligt passieren.
Wir stehen noch lange, weil wir uns einfach nicht sattsehen können, aber nach bestimmt zwei Stunden müssen auch wir weiter. Ein Umfahren der Herde steht außer Frage, denn noch immer ist kein Ende abzusehen; also wagen wir es und bahnen uns ebenfalls vorsichtig einen Weg zwischen den massigen Leibern, die erstaunlich willig zurückweichen. Ein unbeschreibliches Gefühl, wenn auch nicht ganz ohne leichtes Unbehagen. Doch unbeschadet erreichen wir das andere Ufer des Rinderstroms und setzen unsere Fahrt fort. Der Chobe NP verabschiedet uns mit einer großen Elefantenfamilie, die ein paar tapsige Babyfanten in ihrer Mitte führt, einer Herde Rappenantilopen und einer häufigen, aber umso seltsameren Spezies: Japanern. Wie Sardinen sitzen sie in der offenen Lodgekarre, einige von ihnen haben sich komplett vermummt und mit Mundschutz bewaffnet. Ob sie sich damit vor irgendwelchen Keimen, Bazillen, Viren, Bakterien und sonstigen Erregern schützen wollen oder einfach nur den Staub fürchten, bleibt uns verborgen. Ein grotesker Anblick ist es allemal und es wirkt reichlich deplatziert. Was mich besonders verwundert: die Herrschaften, die doch aus dem Land der Hightechkameras kommen, hantieren allesamt mit kleinen Ritschratsch-Klicks und geben sich offenbar damit zufrieden, die nahen Hippos auf Stecknadelkopfgröße geschrumpft auf ihre Chips zu bannen. Aber ich erwarte wohl zu viel von Menschen, die dazu neigen, die ganze Welt in 20 Tagen zu bereisen.
Bei der Weiterfahrt legen auch wir fast japanisches Tempo an den Tag, denn wir wollen heute noch mit der Kazungula-Fähre übersetzen und Livingstone erreichen. Auf botswanischer Seite reihen sich die LKW in langer Schlange, aber wir Kleinwägler dürfen daran vorbei fahren und haben richtig Glück. Als letzter PKW quetschen wir uns auf die abfahrbereite Fähre, ohne auch nur einen Augenblick warten zu müssen. Schnell ist der Sambesi überquert, dann beginnen auf sambischer Seite die Einreiseformalitäten. Das Immigration Office ist relativ leicht zu finden im Durcheinander aus Marktständen, Wellblechcontainern und Prepaidbuden, die Visaerteilung verläuft problemlos. Etwas komplizierter wird es dann, als alle nötigen Stempel für die Carnetverlängerung des Landys eingeholt werden müssen, aber wir bekommen alles, was wir brauchen. Fein säuberlich notiert werden diese Informationen zu den Akten gelegt; für nächstes Jahr.
Nun ist der Weg nicht mehr allzu weit und, weil an der Grenze alles so zügig vonstatten ging, kommen wir schon am frühen Nachmittag auf der Maramba Lodge vor den Toren Livingstones an. Dort richten wir uns häuslich ein, räumen das Auto aus und fahren zurück nach Livingstone – ein wenig bummeln. Allerdings ist die Stadt nicht sonderlich reizvoll und wir begnügen uns mit einem kühlen Bierchen bei Rite und einem anschließenden Bummel über den Curio Market. Hier herrscht das übliche Angebot, aber ich liebe es, mit diversen Standbesitzern ein Schwätzchen zu halten und mich dabei umzusehen. Leider kann ich nichts entdecken, was meine Sammelleidenschaft (in der Proportion missglückte Holztiere) befriedigen würde und so erstehe ich lediglich zwei Becher aus Kuhhorn, die sehr hübsch gemasert sind und leicht noch ins Gepäck passen. Doch ganz ohne Andenkenkauf schaffe ich es einfach nie…
Den Abend lassen wir dann auf der Flussterrasse der Maramba Lodge ausklingen, begleitet vom glockengleichen Geplinge der Riedfrösche, die zu Tausenden im Schilf sitzen.
Bild 5 © Louis
Schreibe den ersten Kommentar