1. April 2013, CKGR, Sunday Pan > Gweta, Planet Baobab

Frühmorgens schälen wir uns aus den Schlafsäcken – wir wollten ja mit den Hühnern aufstehen; leider aber haben diese ihren Schlafbaum schon verlassen und nehmen, ohne einen Abschiedsgruß hinterlassen zu haben, ihr Frühstück in den Weiten des Buschs ein. So lassen auch wir uns an unserem Tisch nieder und stärken uns für die bevorstehende, lange Fahrt nach Gweta, die wir heute noch zu absolvieren haben. Nach dem Morgenmahl packen wir mal wieder unsere Siebensachen und alles geht, wie immer, seinen gewohnten Gang. Nur ein Gang ist neu: zu unserem Erstaunen nämlich entdecken wir unter Heinz’ und meinem Zelt einen Buddelgraben, etwa anderthalbhalb Meter lang, der auf meiner Liegeseite von den Füßen auf ungefähre Pohöhe hochführt. Was das wohl für ein Tier war und, vor allen Dingen, wann hat es dieses Werk geschaffen? Gehört oder gespürt habe ich es jedenfalls nicht. Doch es muss mächtig am Schaufeln gewesen sein, das ominöse Wesen; davon zeugt ein mächtiger Sandwall am Rande unseres Zelts. Und wahrscheinlich war es eher ein nachtaktives Tier. Mal wieder staune ich über meinen Bombenschlaf, und wir alle über das, was so um uns herum passiert, ohne dass wir es bemerken…

Ominöser Gang
Meister Oryx
Bruder Gnu

Die Tiere müssen manchmal offenbar eine bestimmte Größe haben, damit wir Menschen sie sehen. So wie die beiden Giraffen, die wir bald nach Verlassen unseres Camps am pan-eigenen Wasserloch antreffen. Die Langhälse schicken sich gerade zum Trinken an, unterbrechen aber ihr Vorhaben, da sie sich von unserer Ankunft gestört fühlen. Mißtrauisch werden wir beäugt, nach einer Weile jedoch für harmlos befunden und die umständlichen Verrenkungen beginnen von Neuem. Zentimeter für Zentimeter werden hierfür die beiden Vorderbeine immer weiter gespreizt, bis der Hals zum Wasser gebeugt werden kann – permanentes, aufmerksames Sichern ist dabei natürlich oberste Pflicht. Und obwohl wir schon oft trinkende Giraffen sehen konnten, ist solch ein Anblick doch immer wieder schön, zumal ich mir nie eine leise Erleichterung verkneifen kann, wenn ich Zeuge des Erfolgs dieser oft recht zeitraubenden Trinkvorbereitungen bin. Unseren beiden Langhälsen sind allerdings nur wenige, kleine Schlucke vergönnt, denn nebenan geraten sich zwei Oryxböcke in die Haare und schrecken mit ihren Kampfeshandlungen sowohl die zwei Giraffen hoch, als auch ein friedlich im Wasser stehendes Gnu. Sofort gerät Hektik in die vormals so friedliche Szene, die noch verstärkt wird, als zwei weitere Autos an der Tränke eintreffen. Die Giraffen galoppieren in dem für sie typischen, schaukelnden Laufschritt vom Wasserloch weg und verstecken sich hinter ein paar Bäumen, das Gnu flüchtet Hals über Kopf und die beiden Spießböcke sind davon so irritiert, dass sie ihrerseits nun ebenfalls Gas geben.

Friede, Freude, Eierkuchen…
…am Wasserloch
Man will trinken

So bleibt den Neuankömmlingen nur der Blick auf die sich entfernenden Kehrseiten dreier Antilopen und das daraufhin zurückbleibende Kräuseln der verlassenen Wasseroberfläche. Zur Entschädigung jedoch werden sie umgehend von Annette en detail in unser Löwenabenteuer eingeweiht. Ein Verhalten, das unter Safariisten übrigens weit verbreitet ist: nach einer kurzen Begrüßung und einem abtastenden Woher-Wohin werden sofort und gerne die Großwilderlebnisse miteinander geteilt, meist nach dem fast unverhohlen Motto „Meiner ist größer als Deiner!“. In gewisser Weise ähneln Safaritouristen darin Jägern oder Anglern, deren Erlebnis-Berichte vergleichbare Ziele verfolgen und zudem meist noch extensiv ausgeschmückt werden. Allen drei Spezies aber ist eines gemein: es spricht der Stolz aus ihnen und je einzigartiger die Sichtung war, desto neidischer sind die anderen. Der Neid der Neuankömmlinge ist uns in diesem Falle auch gewiss, vor allem, weil die Löwen auf Nimmerwiedersehen von der Campsite verschwunden sind und somit jede Hoffnung auf eine Wiederholung der Sichtung vergebens ist. Heinz und ich halten uns aus dem Gespräch heraus, denn wir sind weder mit Stolz erfüllt, noch können wir den Drang nachvollziehen, sich über Großwilderlebnisse austauschen zu müssen, an deren Interessenspitze stets Großkatzen stehen. Wir könnten zur Abwechslung ja über unseren Perlhuhnnachmittag berichten, meint Heinz grinsend, als wir beide auf allen Vieren durchs Gebüsch krabbeln und einen Rotbrustwürger belauern…

1. Vorschnuppern
2. Grääätschen
3. Trinken

Naja, dass das wohl niemanden so wirklich interessieren dürfte, ist uns durchaus klar und auch, dass wir in dieser Hinsicht etwas untypisch sind. Doch jeder nach seiner Façon, nicht wahr? Nach einem kurzen Pläuschchen verabschieden wir uns wieder, wünschen den anderen noch viel Safariglück und setzen unseren Weg fort, der uns über weite Strecken durch das Gebiet führt, das Annette und Jochen auf ihrem gestrigen Gamedrive bereits recht ergebnislos erkundet hatten. Auch heute sind nur wenige Tiere unterwegs, dafür aber breitet eine stetig wechselnde Vegetation ihr Füllhorn über uns aus, darunter viele Pflanzen, die wir noch nie zuvor gesehen haben. Allzulange jedoch können wir heute nicht botanisieren, denn die Strecke bis Gweta ist noch eine lange. Gen Mittag schließlich erreichen wir, nach ewigem Geöttel durch den Busch, die Gravel Road, die zum östlichen Ausgang des CKGR, Matswere Gate, führt und kommen nun schneller voran – die Pad ist in recht gutem Zustand und links und rechts von hohem Gestrüpp gesäumt, sodass wir nicht mehr ständig von neuen Pflanzensichtungen abgelenkt werden. Nur ein Erlebnis erregt zwischendurch noch unsere Aufmerksamkeit: auf halber Strecke zum Gate steht plötzlich die Fahrspur unter Wasser! Ursache ist eine defekte Wasserleitung, aus der munter sprudelnd das kostbare Nass herausdrückt und nun sinnfrei in der näheren Umgebung versickert. Als wir am Gate ankommen, melden wir das den zuständigen Rangern, ernten jedoch nur ein desinteressiertes Achselzucken. „Kann schon sein…“, meint der Beamte hinter der Theke mit einem müden Augenaufschlag. Auch mit unserer Frage nach den erkrankten Löwen locken wir niemandem hinter dem Ofen hervor. „Jaja, das haben schon mehrere Touristen gemeldet. Aber keine Ahnung, was denen fehlt.“ Von Tuberkulose oder FIV hat der gute Mann offenbar noch nie etwas gehört. „Die sterben halt, wie wir alle auch…“ Leicht irritiert lassen wir das dröge Parkpersonal hinter uns. Das nicht vorhandene Engagement, das wir soeben kennenlernen durften, stimmt nicht eben optimistisch, vielleicht aber hatten wir auch nur mit den falschen Personen zu tun, beruhigen wir uns. Auch bei uns zuhause gibt es bekanntermaßen solche Sesselpupser, die mit blickdichten Scheuklappen ausgestattet sind und sich stets in engen Zuständigkeitsbereichen bewegen, während andere schon lange tatkräftig in Aktion getreten sind. Und engagiertere Leute als die beiden Schlaftabletten am Gate gibt es bestimmt auch hier; das zumindest wünschen wir dem Central Kalahari Game Reserve und allen anderen Parks von Herzen!

Unbekannt
Dipcadi sp.
Heliotropium sp.

Nachdenklich fahren wir weiter, schunkeln durch staubiges, von Fahrspuren zerfressenes Grasland und treffen schließlich bei dem wenig einladenden Örtchen Rakops auf die Teerstraße, die sich an der Westgrenze der Makgadigadi Pans, am Boteti River entlang, nach Norden schlängelt. Nach etwa 100 Kilometern ruhiger Fahrt wenden wir uns bei Motopi nach rechts, durchqueren den Korridor zwischen dem Makgadigadi Pans und dem Nxai Pan Nationalpark und kommen gen Nachmittag endlich in Gweta an. Etwas außerhalb der Ortschaft, ein riesiges Erdferkel aus Beton fungiert als unübersehbarer Wegweiser, biegen wir schließlich abermals rechts ab und checken kurz darauf in unserem heutigen Nachtquartier ein, dem Planet Baobab Camp. Es macht seinem Namen alle Ehre: auf dem gesamten Gelände wachsen zahllose, teilweise sehr stattliche Affenbrotbäume, die zwar in weiten Teilen Botswanas zu finden sind, hier aber in besonders großer Dichte auftreten. Während Annette nun die Formalitäten erledigt, sammeln Heinz und ich sogleich einige der samtigen Baobabschoten, die sich hervorragend als Dekomaterial verwenden lassen und deren Kerne von einem leckeren, säuerlich schmeckenden Pulver umgeben sind. Begeistert lutschend und mit vollen Backen suchen wir uns nach erfolgtem Einchecken eine Campsite, wo wir unser Lager errichten und uns anschließend eine Pause unter dem Schattendach gönnen. Puh, das war heute wieder ein langer und anstrengender Fahrtag! Umso willkommener ist uns natürlich eine erfrischende Dusche, die wir uns alle in dem nett gestalteten Sanitärhäuschen zuteil werden lassen.

Baobab im Camp
Die urige Bar
Ein Castle in Ehren…

Nach vier duschfreien Tagen fühlen wir uns nun wir neugeboren und zu weiteren Schandtaten bereit. Diese jedoch beschränken sich lediglich auf eine entspannte Zubereitung des Abendessens nebst dessen Einnahme und einen anschließenden Gang zur urigen Bar des Camps, wo wir uns in rustikal mit Kuhfell bezogene Loungesessel plumpsen lassen und einen Tagesabschlussdrink zu uns nehmen. Ein Gefühl wohliger Faulheit greift nach uns, die Bar und ihre Gestaltung lädt eigentlich freundlich zum Verweilen ein. Nur leider sind wir so verwöhnt von den vergangenen Wochen der Ruhe und Stille, dass uns die laute Musik bald in die Flucht schlägt. Und nicht nur die: auch die kratzigen Borsten der von vielen Touristenhintern abgenutzten Kuhfelle, die sich recht unangenehm in unsere Oberschenkel bohren, lassen bei uns Vieren nicht die ersehnte Gemütlichkeit aufkommen. So tappern wir nach nur einem Drink zurück zu unserem Lager und genießen die dortige Musikfreiheit – und bald auch unsere kuscheligen Schlafsäcke.

Weitere Impressionen des Tages:

Borstenhörnchen
Oenanthe pileata
Heinz auf der Lauer
Laniarius atrococcineus
Tankstelle bei Gweta
Was schaut die da so?
Was knipst er denn?
Die da!
Radnetzspinne

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