INHALT
Restaurierung, Sehnsucht, Kompensation – spinnt sie jetzt?
Fast könnte man es meinen. Aber es ist so: dieser Beitrag hat auf den ersten und auch auf den zweiten Blick mal so gar nichts mit Afrika zu tun. Da zählt kein Kolonialstil, keine sonnigen Bezugsstoffarben, kein Geflecht, kein Polster, nix, einfach gar nix. Und doch: es ist nun schon das zweite Jahr angebrochen, in dem Corona unser aller Leben beherrscht. Letztes Jahr im Oktober hatten wir eine Afrika-Tour geplant, die mit einem satten Platsch ins Wasser fiel. Und ob es heuer klappt, steht noch immer in den Sternen. Meine Sehnsucht wird hingegen immer größer.
Und da ja die sonstigen Zerstreuungsmöglichkeiten auch recht knapp gesät sind – verdammt, es ist uns nicht mal vergönnt, die Frühlingssonne beim Leutekucken im Biergarten zu genießen -, kompensiere ich meine wachsende Sehnsucht eben mit Tätigkeiten, die mir Spaß machen, zu denen ich jedoch im Normalzustand eher keine Zeit habe.
Ich habe schon gebacken, genäht, geschreinert, gebastelt und sogar Salzteig geknetet, und nun ist die Erfüllung eines kleinen Traums an der Reihe. Jugendstilmöbel im Stile der Alten Nicolaischule, altehrwürdige Stücke aus dunklem Holz – das erinnert mich an meine Kindheit. Es ist eine ganz bestimmte Art der wohligen Erinnerung, die mich mit warmen, weichen Armen umfängt, eine Erinnerung, die nun greifbar werden sollte, indem ich meine wenigen Kiefernholzmöbel gegen Stücke, die meinen Erinnerungen näher kommen, auszutauschen begann.
Ein Restaurierungsmarathon nimmt seinen Anfang
Als erstes musste der Tisch im Esszimmer weichen. Kiefernholz natur, lackiert, stabil, ausziehbar, in gutem Zustand. Der Arme, er hat mir jahrelang treu gedient, doch nun war seine Zeit gekommen. Ein Jugendstiltisch, genau DER Tisch meiner Erinnerungsträume hielt kurz darauf Einzug – und mich in Action. Erworben über eine bekannte Online-Plattform für Privatverkäufer, hielt er, sprich die Tischplatte, nicht ganz das, was in Wort und Bild versprochen worden war. Halb enttäuscht, halb begeistert stürzte ich mich in die Wiederherstellung des ansonsten wunderschönen Tischs, traktierte die Platte mit Bügeleisen, Weißleimunterspritzungen und, und und – und versiegelte schließlich das Werk mit Lack und Wachsen. Eine aufwendige, mühselige und diffizile Arbeit, aber auch eine, die sich gelohnt hat!
Nun war ich zwar dahingehend glücklich und zumindest partiell zufrieden, doch der Tisch brauchte ja auch stilentsprechende Sitzgenossen, um authentisch wirken zu können. Und – ich wurde fündig! Eine Dame, wohnhaft in München, so wie ich, verkaufte vier Jugenstilstühle. Nach nächtlicher Kontaktaufnahme waren wir frühmorgens schnell handelseins. Ich erwarb die Sitzgelegenheiten, transportierte sie in zweimaliger Fahrt mit der U-Bahn nach Hause (mein Auto ist zu klein für derlei Transporte und die Lastentaxis unverschämt teuer), quer durch die Stadt.
Dem Tisch folgen passende Stühle mit besonderer Problemstellung
Dann standen sie da. Vier zierliche Jugendstilstühle, offensichtlich ehemals mit Geflecht bespannt, nun zwar stilvoll gepolstert, doch leider war der Bezugsstoff schon recht fleckig und auch geschmacklich nicht ganz mein Ding, sodass ein Neubezug unausweichlich war. Außerdem wackelten zwei der Stühle wie der Schwanz einer höchst erregten Kuh, die anderen beiden wie der eines immerhin noch leicht beunruhigten Rindviehs. Generalüberholung war angesagt!
Statt eines Geflechts ist da ein Polster – aber das muss besser gehen!
Für derlei Projekte, vor allen Dingen, wenn man so gar nicht weiß, wo und wie man beginnen soll, bietet sich ja stets das Internet als zuverlässiger Rat- und Ideengeber an. Also stürzte ich mich in die Tiefen diverser DIY-Seiten und zog einige Ratschläge bezüglich der fachgerechten Stabilisierung wackelnder Stühle und der Polsterung nebst Neubezug selbiger an Land.
Was ich allerdings nirgendwo fand: wie verfahre ich mit einem ehemaligen Geflechtstuhl, der mittlerweile gepolstert daherkommt, dessen Polsterung aber mit zig Nägeln und Tackernadeln mit dem Holzrahmen der Sitzfläche zu einer fast untrennbaren Einheit verschmolzen wurde? Diese Polsterung soll nun ausgewechselt werden und ihre Handhabung bzw. Neubespannung danach eine ganze Hausnummer einfacher zu bewerkstelligen sein, indem eben nicht alles festgetackert und miteinander verbunden wird, sondern die Polsterung letztendlich nur aufliegt und leicht einrastet.
Ja, richtig, das mit den Polstern ist beileibe nicht stilgerecht, aber nun waren sie schon mal da und in ihrer Erneuerung sicher auch einfacher zu handhaben, als das bei einem Geflecht der Fall gewesen wäre. Zudem waren die vier Sitzgestelle derart instabil (und bestimmt auch zu ihrer Zeit nicht dem Luxusmöbelsektor entsprungen), sodass ich mich gegen die, in diesem Fall unverhältnismäßig kostspielige, Erneuerung des Geflechts entschied und bei den Polstern bleiben wollte.
Doch die waren, wie schon gesagt, durchgesessen, der Stoff fleckig, alt und nicht meinem Geschmack entsprechend. Also weg damit, neu machen! Aber da wird kein Stoff, kein Schaumstoff mehr an den Sitzrahmen getackert, nein! Da muss ein Stuhlpolster her, das jederzeit mit wenigen Handgriffen entfernt, erneuert und wieder installiert werden kann!
Der Versuch einer Lösung
Vorbereitungsarbeiten – ein Berg türmt sich vor mir
Zu diesem Vorhaben war, wie erwähnt, nichts, aber auch gar nichts im weltweiten Eldorado der DIY-Heimwerker zu finden. Nun habe ich mir selbst eine Lösung zurechtgeschnitzt und hoffe, fortan Leuten mit vergleichbaren Problemen damit eine Hilfe, eine praktikable Lösung kredenzen zu können. Der Weg dahin war allerdings ein beschwerlicher…
Meine erste Tat: ich schraubte die Sitzrahmen von den Gestellen, nicht nur, um loslegen zu können, sondern auch, um mir einen Überblick zu verschaffen, wie das Ganze überhaupt aufgebaut war. Und allein da tat sich schon Bestürzendes auf: die Stuhlbeine zeigten stellenweise nicht gerade unbeträchtliche Risse, Zargenverbindungen waren einer Art Kontinentaldrift erlegen, es war offensichtlich bereits mehrfach mit großzügig verteiltem Leim und sogar Bauschaum versucht worden, die Stühle zu stabilisieren und auch die Sitzrahmen sahen nicht wirklich vertrauenerweckend aus.
Also beginne ich mit Restaurationsarbeiten, bei denen mir, zumindest theoretisch, das Vorgehen klar ist. Komplett auseinandernehmen, von altem Leim säubern und neu verleimen – das sagen alle Ratgeber. Doch einfacher gesagt als getan. Manche Verbindungen lassen sich mit keiner einzigen der vorgeschlagenen Methoden lösen. Da hilft kein Gummihammer, kein Fön, kein Wasserdampf. Na gut, dann müssen sie wohl so bleiben – die Gefahr, die Zargen zu zerstören, ist einfach zu groß. Ich zerlege folglich nur da, wo die Verbindung beinahe schon von selbst auseinanderfällt.
Alte Leimnester und Bauschaum werden entfernt, alle Verbindungsstellen ordentlich abgeschliffen und dann geht es an die Fehlstellen. Ich baue mit Zweikomponenten-Zeug wieder auf, tunke den Rest in Leim und spanne dann mit bis zu 4 Federzwingen und 8 Schraubzwingen die Teile zusammen, so gut es eben geht. So geht das Stuhl für Stuhl, danach wird geschliffen und neu gestrichen. Der Erfolg ist sehr gut bis, na ja, besser als vorher. Doch mehr geht eben nicht…
Eine Lösung für die Polster?
Dann ist das erste Polster an der Reihe. Während der Stabilisierungsphase hatte ich ja genug Zeit zum Nachdenken und Tüfteln.
Lösung 1: Lederstreifen mit farblich passender Naht Lösung 2: Bezugsstoffstreifen mit Ziernagelleiste
Jetzt muss erst mal ein Sitzrahmen in einen Zustand gebracht werden, dass es lohnt, ihn neu zu polstern und zu beziehen. Und ich habe nicht ansatzweise geahnt, was da auf mich zukommt! Doch von Anfang an. Zuerst wollte ich ja nur neu beziehen, doch der Zustand der Polster und die Tatsache, dass der Bezugsstoff fest mit dem Holzrahmen verbunden war, ließ mich meine Meinung ändern. So nehme ich jetzt Stück für Stück das erste Sitzteil auseinander, um meine eigene, losgelöste Lösung zu verwirklichen.
Ein Detail, mit wie vielen Tackernadeln die Gurte befestigt sind. Und im umgelegten Teil ist nochmal die gleiche Menge! Trotz diverser Werkzeuge eine Sauarbeit! Tackernadeln EINER EINZIGEN Seite! Schaumstoff und Gurte sind ab, bleibt noch das Restgeflecht Stunden später – alles ist ab!
Die Entscheidung ist gefallen
Oje, diese Löcher fürs Geflecht, sie sind so unregelmäßig gesetzt und teilweise sogar ausgebrochen, dass ich die Idee mit dem Lederband und der farblich passenden Naht sofort wieder verwerfe. Also wird es wohl Idee Zwei, die mit dem Streifen aus Bezugsstoff und dem Ziernagelband, die ich jetzt testen werde.
Benötigtes Material
Bezugsstoff
Schaumstoff (Eignung für Polster beachten)
Multiplexplatte
doppelseitiges Klebeband
Molton
Polstervlies
Tacker mit Nadelvorrat
Hammer
Zange
Ziernagelleiste mit passenden Nägeln
Nähmaschine
farblich passender Nähfaden
Stuhlwinkel aus Metall
Holzschrauben
Teppichmesser (Cutter)
Erstellen der Einfassung
Ziel und Zweck der Übung ist, den Eindruck einer mit Polsternägeln befestigten Sitzpolsterung zu erwecken, doch sie soll später lediglich in die Öffnung eingelegt, nicht aber aufwendig befestigt werden – und somit schnell zu erneuern sein.
Die Geflechtnut ausmessen, einen Streifen aus dem zukünftigen Bezugsstoff schneiden, der um ca. 10-15 Zentimeter länger ist, als die Längen aller 4 Außenkanten der Nut zusammen. In meinem Fall misst die Nut: Breite oben 28,5 cm, Breite unten 33 cm, Höhe 33,5 cm. Das ergibt zusammen (Schräge der Höhe eingerechnet) in etwa 133 cm. Mein Stoff misst in der Breite 145 cm, das sollte also gut reichen.
Die Nut wiederum ist etwa 2,8 cm breit. Ich schneide einen Stoffstreifen von 7 x 145 cm zu, lege ihn längs um etwa 3,5 cm um und stecke ihn so fest. Anschließend wird der Streifen mit der Maschine genäht, die Naht sitzt so, dass sie etwa 1,5 cm von der Umschlagkante entfernt ist. So ist sie später nicht zu sehen. Den fertigen Stoffstreifen bitte NICHT bügeln, wir brauchen eine runde Umschlagkante, damit das Einfassungsband aussieht, als gehöre es zum Polster.
Die Geflechtnut mit kurzen, schmalen Streifen doppelseitigen Klebebands bestücken. Es dient nur der vorläufigen Fixierung beim Legen, es muss später nichts „halten“.
Das Einfassungsband wird nun so gelegt, dass die äußere Kante etwas über den äußeren Rand der Nut ragt, die Ecken sorgfältig eingepasst und mit einer Tackerklammer möglichst nahe am inneren Rand der Nut fixiert. Kritische Stellen können mit einem Tröpfchen Sekundenkleber an unsichtbaren Stellen nachfixiert werden.
Sobald das Einfassungsband sauber gelegt und behelfsmäßig fixiert ist, können wir zur Einfassung mit Polsternägeln schreiten. Doch keine Angst, es muss nicht jeder dieser rund 140 erforderlichen Nägel einzeln eingeschlagen werden, denn es gibt etwas, was zwar einen vergleichbaren Eindruck erzeugt, aber die Nagelmenge, die wirklich ins Holz zu hämmern ist, auf etwa ein Fünftel reduziert: die sogenannte Ziernagelleiste. Hier hängen je vier Nagelköpfe aneinander, jeder fünfte ist etwas kleiner und mit einem Loch versehen, in das dann wirklich ein Nagel eingeschlagen wird. Praktische Sache – und völlig ausreichend zur Fixierung unseres Einfassungsbands.
Die Ziernagelleiste wird nun probegelegt – sie sollte nahe der äußeren Kante der Geflechtnut verlaufen (natürlich innerhalb der Nut) –, und dann mit einer Zange in passende Stücke geknipst. Scharfkantige Stellen anschließend glattfeilen. Am Beginn und am Ende eines jeden Stücks muss sich schlussendlich ein gelochtes Stück befinden, damit die Leiste perfekt sitzt. Da das jedoch meist nicht passend ausgeht, werden ungelochte Nagelteile einfach nachgelocht – mit einer Ahle und zwei, drei gezielten Hammerschlägen. Man kann in den Ecken auch zwei gelochte Teile übereinanderlegen und mit einem Nagel befestigen, je nachdem, wie geschlossen eine Verbindung sein soll. Ist das alles vorbereitet und entschieden, sind die Leisten bereit zur finalen Fixierung mit den passenden Nägeln.
Diese sind beim Kauf einer Ziernagelleiste in der Regel dabei; man sollte jedoch darauf achten, dass es eine großzügig bemessene Menge ist, denn altes Holz kann verdammt hart sein, und dann geht schon mal der eine oder andere Nagel schief rein und muss ersetzt werden.
Ein neues Polster? Gar nicht so kompliziert.
In meinem konkreten Fall ist es nicht kompliziert, denn ich habe keinen Federkorb – eine einfache Trägerplatte genügt. Und die schneide ich nun aus einer leichten, aber stabilen Multiplexplatte. Eine Stärke von 8-10 mm ist hierfür völlig ausreichend. Sie muss nur etwas kleiner sein als die Sitzrahmenöffnung – schließlich muss sie da auch noch reinpassen, wenn sie fertig überzogen ist. Um wie viel kleiner, das hängt natürlich von den Materialien ab, die zum Beziehen benutzt werden.
Dann schneide ich, exakt in der gleichen Größe, ein Stück aus meinem Schaumstoff. Der hat ein polstergeeignetes Raumgewicht nebst Stauchhärte – RG 40/45 – und ist 6 cm dick.
Den Schaumstoff lege ihn nun auf die Multiplexplatte und fixiere ihn mit Tackernadeln, so nah am Rand der Trägerplatte wie nur irgend möglich – das muss man, je nach Schaumstoff, testen. Tja, das Ergebnis sieht ziemlich wellig aus… Aber keine Sorge, das wird schon!
Polster, Lage 1 – Molton
Über den derart befestigten Schaumstoff spanne ich nun zwei Bahnen Molton – eine quer, eine längs. Zuerst die Querbahn, denn hier ist die Grundfläche konisch und somit etwas schwieriger in den Griff zu bekommen. Bekommt man das nicht hundertprozentig hin, so werden kleine Macken am Ende von der dicksten Stoffschicht bedeckt und somit am ehesten kaschiert. Um jedoch trotzdem zu einem optimalen Ergebnis zu kommen, habe ich zum Spannen (da darf ruhig viel Zug drauf sein) Federzwingen zu Hilfe genommen.
Okay, die Querbahn sitzt, es folgt die einfachere Längsbahn. Und schon sieht das Polster viel unwelliger aus. Fixiert habe ich das Ganze mit einem Tacker, drei bis vier Nadeln pro Seite reichen völlig aus.
Oftmals wird hierfür übrigens spezieller Polster-Sprühkleber empfohlen. Der macht die Sache bestimmt noch einfacher, aber er ist, wie man sieht, nicht unbedingt nötig. Wichtig ist nur: beim Spannen und vor dem Fixieren mit dem Tacker immer wieder eine Kontrolle der Oberseite durchführen – schließlich sie die letztendlich Sichtbare und sollte entsprechend schokoladenseitig werden!
Polster, Lage 2 – Polstervlies
Polstervlies ist eine Art wattigen Gewebes, das es in verschiedenen Stärken zu kaufen gibt. Es ist nicht geeignet, Spannung auf das Polster auszuüben, sondern dient lediglich dazu, Unebenheiten auszugleichen.
Ich verwende hier Vlies mit 10 mm Stärke, schneide ein Stück mit etwa 10 cm Zugabe ringsum aus und fixiere es mit mildem Zug über dem Polster. Und, voilà, schon ist das Polster fast so glatt wie ein Kinderpopo!
Polster, Lage 3 – der Bezugsstoff
Kommen wir jetzt zur wichtigsten Lage, dem Bezugsstoff. Er muss perfekt sitzen, jede ungewollte Falte oder Unebenheit wäre ärgerlich!
Zuerst wird wieder ein Stück mit großzügigem Überstand zugeschnitten. Bei Stoffen mit Muster auf den Rapport und die Richtung achten, wenn mehrere Stühle zu überziehen sind und alle gleich aussehen sollen. Bei samtigen Stoffen nicht vergessen: die haben eine Strichrichtung und einen Gegenstrich! Ich würde, glaub ich, den Strich nach vorne zeigen lassen. Doch egal wie, er sollte auf jeden Fall bei allen Stühlen einheitlich angebracht werden.
Ist man sich über all dies im klaren, kann der Bezugsstoff zugeschnitten werden. Beim Fixieren in der üblichen Reihenfolge vorgehen. Erst die konische Außenseite, dann die Längsseits, die Ecken werden erst ganz zum Schluss gemacht. Der Bezugsstoff und dessen Spannung ist nun die letzte Gelegenheit, noch vorhandene Unebenheiten auszugleichen. Sollte das nicht zufriedenstellend gelingen, kann man über die noch offenen Ecken vorsichtig zerfusseltes Vlies einschieben und es so versuchen.
Dann sind die Ecken dran, der mit Abstand diffizilste Part… Meine Tipps: sich Zeit lassen, immer wieder von oben kontrollieren, vorsichtig überschüssigen Stoff entfernen (aber besser zu wenig, als zu viel) und eine Tackernadel, die doch nicht ganz richtig sitzt, lieber nochmal rauspulen und nachbessern, als mit einer missglückten Ecke leben.
Der große Moment – alles wird zusammengefügt
Die Stuhlgestelle sind mittlerweile alle neu verleimt, abgeschliffen und frisch lackiert und müssen nun mit den Winkelverbindern bestückt werden, um einen „Durchsackstopp“ für die Platten mit den Sitzpolstern zu schaffen. Diese Winkelverbinder sind natürlich alles andere als stilgerecht, aber da auch schon die Polsterung in diese Kategorie fällt und die Stühle aufgrund ihrer Machart ohnehin nicht zu den wertvollsten ihrer Art zählen, spielt das keine Rolle mehr. Wichtig ist mir einfach nur, dass die Stühle gut aussehen, die Polster herausnehmbar und leicht neu zu beziehen sind – und die Konstrukte nicht unter einem zusammenbrechen. Punkt. Und das alles ist erfüllt
Alle vier Winkelverbinder sind am Stuhlgestell angebracht. Da der Rahmen ja konisch ist, müssen die rechtwinkligen Winkel auf einer Seite unterfüttert werden. Nun wird der fertig mit Stoffband und Nagelleiste versehene Rahmen mit den ursprünglichen Schrauben auf dem Gestell fixiert. Das Polster rastet in die Öffnung ein – und die Polsterung verschmilzt optisch mit dem Rahmengestell. Vier Stühle, zwei Farben – passend zum sonstigen Interieur.
Zufrieden? Nein, mir spukt da noch was im Kopf rum …
Nun sind meine Stühle ja schon richtig schön – aber auch richtig vogelwild gestilmixt und sicher nicht sachgerecht restauriert worden. Da hätten Polster, Epoxidharz und Metallteile nichts zu suchen. Da aber das Kind dahingehend schon in den Brunnen gefallen war, bevor die antiken Sitzgelegenheiten in meine Fänge gerieten, ist das jetzt auch schon egal. Und, wie gesagt, ich will sie einfach nur meinem Geschmack entsprechend gestalten. Und das ist dieses “Das”, nämlich Knöpfe auf dem Polster. Knöpfe wie bei einem Chesterfield-Sofa.Das gefällt mir und deshalb habe ich mich entschlossen, es jetzt mal auszuprobieren. Auch auf das Risiko hin, einen Bezug dadurch zu ruinieren.
Man muss hierfür den Bezug nämlich mit einer Ahle oder Nadel durchstoßen. Eingriffe, die mein Alcantara-Bezug nicht schadlos überstehen würde, ginge das schief – ich müsste also das Polster nochmal neu beziehen. Aber ich bin jetzt einfach mal optimistisch und riskiere es. Wird schon gut gehen… Und eine gute Grundlage ist immer ein Plan. Ein Plan, wie ich es mache und, folglich, was ich dafür brauche.
Benötigtes Material für Polsterknöpfe
Bezugsstoff
Polsterahle
beziehbare Knöpfe
Matratzennadel (15-25 cm lang)
gewachster Polsterer- (oder ähnlich strapazierfähiger) Faden
starker Nylonfaden
Tacker
Bohrer
Brausetablettenröhrchen
kurze, eckige Holzstückchen, 5 mm stark
Ein Versuch startet: Knöpfe für das Stuhlpolster
Die Knöpfe muss ich aber erst mal herstellen, denn es sollen ja nicht irgendwelche sein, sondern sich, mit Bezugsstoff bezogen, in das Polster schmiegen. Hierzu habe ich mir beziehbare Knöpfe mit einem Durchmesser von 22 mm besorgt. Die haben, so denke ich, genau die richtige Größe für die relativ kleinen Polster. Und 4 Stück pro Stuhl sehen besser aus als neun. Das habe ich im Vorfeld am Computer getestet.
Also beziehe ich vier Knöpfe für meinen Versuch: Stoff in das mitgelieferte Silikonförmchen legen, Stoffstück mittig platzieren, Oberteil eines abziehbaren Knopfes darauflegen und fest in die Form drücken. Das allerdings geht so schwer, dass ich mich eines Brausetablettenröhrchens bediene, um den Druck verstärken zu können. Klappt wunderbar. Widerstandslos flutscht das Knopfteil in das Förmchen. Nun schneide ich den Stoff rund um das Förmchen so breit ab, dass ich ihn ins Innere des Knopfes klappen kann, ohne dass es sich in dessen Mitte klumpt, aber auch nicht zu knapp am Rand endet.
Dann setze ich das Deckelchen drauf und versuche, es mithilfe des mitgelieferten Pressteils in die Oberschale zu pressen, sodass ein stabiler Knopf entsteht. Auch das geht echt schwer. Doch das Tablettenröhrchen verrichtet auch hier gute Dienste – und schon ist der erste Knopf fertig.
Vier Knöpfe später: ich lege sie probehalber auf das Polster, so, wie sie am besten aussehen, messe das Ganze aus und erstelle eine entsprechende Papierschablone. Diese lege ich auf die Unterseite der Sitzplatte, markiere die Mittelpunkte der zu setzenden Knöpfe und bohre kleine Löcher (4 mm) mit der Bohrmaschine. Gerade so tief, dass sie die Platte durchstoßen. Am Rand rundschmirgeln und dann möglichst senkrecht eine Matratzennadel von unten durch den Schaumstoff treiben. Vor dem Bezug stoppen, ausmessen, ob die Nadel richtig sitzt, dann erst den Bezugsstoff durchstoßen.
Ist die Nadel halb durch, kann der gewachste Zwirn (in großzügiger Länge) eingefädelt und an die Polsteroberfläche gezogen werden. Dort wird er durch die Öse des Kopfes gefädelt, mit einem Knoten daran festgemacht und wieder in das Öhr der Matratzennadel gezirkelt. Diese diesmal von oben in das Polster stecken und versuchen, das Loch in der Bodenplatte zu treffen. Dann ein Fadenende wieder nach unten führen. Auf diese Art werden nun alle 4 Knöpfe befestigt.Danach fädle ich bei allen vier Knöpfen noch einen dicken Nylonfaden zur Verstärkung durch – ich habe ein bisschen Angst, dass der Polsterzwirn allein die Spannprozedur nicht durchstehen wird.
Ein (vor-)letzter Schritt: die Knöpfe versenken und befestigen
Ich lege den Stuhl auf die Sitzfläche, schneide mir vier etwa 5 cm lange, 2 cm breite Stückchen aus einer 5 mm starken Holzleiste und platziere diese jeweils mittig auf den Bohrlöchern – links und rechts davon ein Fadenende Zwrn und Nylon. Die Fäden nun mit einem haltbaren Knoten so über der Leiste verknoten, dass auf allen vier Knöpfen möglichst die gleiche Spannung liegt.
Dann wird die Leiste mehrfach wie ein Propeller gedreht, gleichzeitig der Knopf von unten unterstützend ins Polster gedrückt. So lange drehen (und die Anzahl der Drehungen mitzählen), bis der Knopf nach Wunsch versenkt ist. Nun kann das Hölzchen auf der Platte fixiert werden, indem man rechts und links der Leiste kleine Nägel einschlägt. Sollte mal ein Knopf oder eine Befestigungsschnur kaputtgehen, kann der Schaden so ohne großen Aufwand behoben werden. In den Rest der Schnur kann man mehrere Knoten machen und im Zickzack auf der Platte antackern. Dies dient der zusätzlichen Fixierung, ist jedoch nicht unbedingt nötig.
Diesen Vorgang nun bei den verbleibenden drei Knöpfen wiederholen, darauf achten, dass sie alle gleich tief versenkt sind und – voilà – FERTIG!
Außen hui – das angerichtete Desaster verbergen …
Normalerweise lugt ja niemand unter einen Stuhl, aber mich persönlich stört das optische Chaos unter der Sitzfläche. Abhilfe schaffen da zum Abschluss passende, aus 4 mm starkem Multiplex zurechtgesägte Platten, die ich dunkelbraun lasiere und mit kleinen Drehflügelchen (sogenannten Vorreibern, wie ich lernen durfte), unter den Stühlen befestige. Diese Vorreiber kann man gut selbst herstellen, indem man zum Beispiel ein Flachverbinder-Plättchen stramm mit einer Schraube im Stuhlrahmen befestigt, so, dass man es noch gut drehen kann, es sich aber nicht von selbst öffnet. Oder nimmt statt der Flachverbinder einfach ein Stück flache Leiste oder ein kleines quadratisches Stück von den Resten der Abdeckplatte.
Nach der Anbringung dieser das Gesamtwerk aufhübschenden Platte ist das Restaurierungprojekt für mich nun stimmig abgeschlossen, keiner kann sehen, was ich da zusammengepfuscht habe – und vier wunderschöne Stühle können ab sofort meine Kindheitserinnerungen befeuern…
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