Salzteig – eine tolle, preisgünstige Modelliermasse
Ich glaub, ich spinne! Dreiundfünfzig Jahre habe ich auf dem Buckel – und hab doch allen Ernstes neulich eine Portion Salzteig gemacht. Zum Basteln. Weil ich in meiner Wohnung schon wieder was gefunden habe, was dringend umgemodelt werden musste. Diesmal war es die Garderobe. Lange habe ich getüftelt und bin letztendlich bei einer Ikea-Lösung gelandet: mehrere Kallax-Regale, zusammengefügt zu einer Regalwand mit Garderobennische, sollten zukünftig meine Vor-die-Tür-Überzieh-Klamotten beherbergen und, tja, das ist das Problem, auch meine diversen Schuhe.
Ein Thema, das oft und viel und gerne und lang und breit thematisiert wird. Ob das nun Comedians sind, die sich drüber lustig machen oder Stammtischkumpels, die sich über die schuhtechnischen Eigenarten ihrer Lebensgefährtinnen kopfschüttelnd austauschen – sie scheinen nicht unrecht zu haben. Frauen lieben Schuhe, sie haben meist viele, in den Augen der Comedians und Lebensgefährten zu viele davon. Was aber nun als zu viel zu definieren ist, lasse ich, selbst eine Frau, einfach mal dahingestellt, was ich aber zugebe ist, dass die adäquate Aufbewahrung oben genannten Schuhwerks oft ein Problem aufwirft. Und je mehr Schuhe, desto größer das Problem. Vor diesem Problem stand jetzt auch ich.
Salzteig – Beginn einer Leidenschaft?
Wie mach ich das, wenn alle Schuhe in Regalkörben verstaut sind und ich nicht sehe, wo was drin ist? Bei der Vorstellung, am Morgen die rotbraunen Schnürstiefeletten mit Absatz anziehen zu wollen und sie nicht sofort zu finden – da ist der Morgen quasi schon gelaufen. Also müsste ich die Körbe nummerieren und eine Liste führen. Ne, echt nicht! Statt dieser Buchhalter-Lösung, die total unsexy ist, dachte ich daran, verschiedene Symbolfiguren zu basteln und diese an die Körbe tackern. Krokodil für nasses Wetter, Hippo für Heavy Duty Schuhwerk, eine Feder für die damenhafteren Sommermodelle, eine Schildkröte für Schluffen und so weiter.
Diese Idee begeisterte mich sehr – und wie ich eben so bin, wollte ich das Vorhaben sofort in die Tat umsetzen. Aber wie? Ich hatte nichts, aber auch gar nichts zuhause, was sich als Knetmasse zum Ausprobieren geeignet hätte. Aber ich wollte doch unbedingt sofort loslegen. Also blieb nur der Salzteig, ein Material, das für mich völlig außerhalb meines Horizonts lag: das ist doch Bastelstoff für Kinder!
So begann alles …
Trotzdem: in Ermangelung anderer Modellierstoffe mischte ich eben eine Portion davon an – und war überrascht, wie gut das Zeug, sprich der simple Salzteig sich anfühlte und wie fein man damit modellieren kann. Also legte ich los. Krokodil, Hippo, Schildkröte, Feder, Gecko. Alles so, wie ich es mir vorgestellt hatte. Super! Man könnte damit aber auch noch, genau, Dekoelemente für Buchstützen, Geschenkanhänger, Platzkärtchenhalter, Serviettenringe, Rahmenverzierungen und, und, und herstellen…
Tja, und schon war ich gefangen im Bastelfieber und probierte alle möglichen Formen durch – im Miniaturformat, nur so, zum Testen. Doch die Figürchen konnten ja nicht so bleiben, so salzteigfarben. Nein, ich wollte den Gegenständen nun unbedingt was Hölzernes, etwas antik Angehauchtes, etwas Spannendes verpassen. Pinterest, eine Plattform voller Ideen, voller Tipps und Anleitungen, gab mir erste Anregungen, welche Techniken welchen Look erzeugen. Und ich fand zu ganz vielen Materialien Anleitungen, wie man sie in welche Richtung trimmt – nur nichts zum Thema Salzteig.
Deshalb entwickelte ich eine eigene Strategie, die die Eigenschaften von Salzteig meinen Zwecken entsprechend nutzbar machte – auf gut Glück und völlig ins Blaue hinein. Aber es funktionierte, es brachte genau das Ergebnis, das ich erzielen wollte. Eine aufwändige Methode, die in meinen Augen jedoch jeden einzelnen Schritt wert ist!
Vorgehensweise
Also, man modelliere Figuren nach Wunsch, lasse sie mehrere Tage in Ruhe lufttrocknen und backe sie anschließend bei 75 Grad und Ober- und Unterhitze restlos trocken durch. Dann sind sie bereit für die Spezialbehandlung:
1. Die Figuren sparsam, aber gründlich mit weißer Wandfarbe grundieren und komplett trocknen lassen. Das schützt den Salzteig ein wenig vor Nässe, lässt ihn jedoch immer noch atmen und man kann ihn weiter bemalen.
2. Partien, die besonders tief modelliert sind und deshalb dunkler hervorgehoben werden sollen, mit schwarzer Gouache betupfen. Gouache ist eine Farbe, die aus Pigmenten und Kreide besteht und die, auch wenn sie getrocknet ist, durch Wasser wieder anlösbar ist.
3. Braune und orange Gouache grob mischen und die Figuren nach dem Trocknen der schwarzen Schattierung einpinseln. Es dürfen ruhig braun-orange Farbschlieren sichtbar bleiben. Solange dieser Anstrich feucht ist, sieht das schon ganz gut aus. Sobald die Farbe aber abgetrocknet ist, wirkt der Anstrich rissig und sehr matt.
4. Trockene Farbe, die lose abblättert, mit einer alten Zahnbürste entfernen. Dann wird braune Acrylfarbe aufgetragen. Allerdings nicht mit einem Pinsel, sondern einem trockenen Schwamm. Acrylfarbe kann mit Wasser verdünnt werden, trocknet aber wasserfest weg und behält dabei einen leichten Glanz.
5. Bevor die Acrylfarbe richtig abtrocknet, mit dem Schwamm vorsichtig über erhabene Partien der Figuren reiben. Die Acrylfarbe hat die darunterliegende Gouache angelöst, die Rubbelstellen werden hell, aber nicht weiß. Das bringt zusätzliche Plastizität.
6. Nach dem Trocknen der braunen Acrylfarbe den Skulpturen mit einem trockenen Pinsel stellenweise einen Hauch helleren, rötlicheren Acrylbrauns aufstupfen. Das macht die Gesamtfärbung der Figuren noch lebendiger.
7. Wenn die Farbe komplett durchgetrocknet ist, lackiert man die Figuren sorgfältig von allen Seiten mit sehr mattem Klarlack. Da sollte man echt akribisch vorgehen, denn nur ein komplett durchgehender Lackfilm gewährleistet, dass der Salzteig kein Wasser mehr ziehen kann. Den Lack völlig trocknen lassen.
8. Nun wird die Oberfläche der Figuren mit einer Zahnbürste großzügig mit Bohnerwachs eingestrichen. Bohnerwachs hat die praktische Eigenschaft, dass es bei Luftkontakt abtrocknet bzw. aushärtet. An den dünn bestrichenen Stellen schneller, an von einem dicken Film bedeckten Stellen langsamer. Und da muss man den richtigen Zeitpunkt abpassen: das Bohnerwachs sollte weitestgehend trocken sein und nur noch in Vertiefungen und Kehlungen wachsartige Konsistenz besitzen.
9. Weißes, pulverisiertes Kaolinpulver, vermischt mit einem Quantum Kurkumapulver, großzügig auf der Oberfläche der Figuren verteilen und mit einem härteren Pinsel so andrücken, dass es sich mit den noch wachsartigen Partien verbindet.
10. Nun das Bohnerwachs komplett aushärten lassen, überschüssiges Kaolin durch Pusten und Klopfen entfernen, mit einem weichen Tuch die Figuren dann nachpolieren. Und siehe da – der Antik-Look ist perfekt! Natürlich kann man an der ein oder anderen Stelle nachbessern, indem man mit einem harten Pinsel ein Zuviel an Kaolin beträgt, in der Regel aber ist dies nicht nötig.
Und schon sind sie fertig, unsere Figuren aus simplem Salzteig, die nach der Behandlung, die sie durchlaufen haben, nun fast so aussehen, als wären sie aus Holz und bereits vor langer, langer Zeit geschnitzt worden. Und jetzt kann man sie verwenden, verschenken, mit ihnen dekorieren und vieles mehr. Platzkärtchenhalter gefällig, oder vielleicht Verzierungen für Serviettenringe, Dekoelemente für Rahmen, Geschenkanhänger oder, oder oder? All das ist mit diesen Salzteigfiguren auf äußerst dekorative Art möglich!
Und hier noch einige Grundvorlagen für runde Maskendarstellungen. Das PDF (1:1-Durchmesser der jeweiligen Abildungen beträgt der rechnerischen Einfachheit halber 100 mm) herunterladen, in der gewünschten Größe ausdrucken, loslegen, nach Belieben abwandeln und sich überraschen lassen, was dabei herauskommt. Viel Spaß…
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