Sehr früh schon stehen wir heute auf und treffen uns zum Frühstück im Restaurant. Der Stress von gestern ist lang schon vergessen, und so können wir das Mahl in trautem Kreis auch richtig genießen. Naja, teilweise. Denn Heinz ist am ganzen Körper zerstochen. Und das waren keine Mücken! Bettwanzen? Flöhe? Es juckt höllisch und hält wochenlang vor, mir hingegen, dem Insektenziel schlechthin, fehlt nichts. Armer Schneck! Trotzdem erfreuen wir uns, teils kratzend, teils wohlig, an würzigem Rührei, krossem Toast, kleinen Würstchen und heißem Filterkaffee. Mit dieser Unterlage packen sich auch die restlichen Sachen heiterer Stimmung ins Gepäck und gut gelaunt verlassen wir schließlich diesen mittelgastlichen Ort, um uns auf den Weg nach Johannesburg zu machen.
Die Fahrt verläuft ereignislos, garniert mit der erwarteten Langeweile, aber das Wissen, dass es die letzte Etappe in diesem Urlaub ist, macht die langen Kilometer erträglich. Und so kommen wir schließlich ganz relaxed und mehr als pünktlich am Flughafen an. Der Abschied von Annette und Jochen fällt, in Ermangelung eines kostenfreien Parkplatzes, entsprechend kurz aus – sie entlassen uns kurz und schmerzlos in der Drop-Off-Zone, wir drücken uns ganz fest zum Abschied – und schon fahren sie wieder ihrer Wege. Heinz und ich entern den Flughafen, suchen unseren Schalter und haben Glück: der Check-In hat soeben eröffnet, wir sind sofort dran, werden unser Gepäck los und können so unbelastet losstarten. Ab ins Einkaufsparadies O. R. Tambo International! Und der Shopping-Bereich hat wirklich wieder einiges zu bieten: wir durchstreifen Klamottenläden, Buchgeschäfte, liebäugeln mit dem Biltongstand und landen schließlich im „Out of Africa“. Heinz fühlt sich souvenirtechnisch immer noch leicht unbefriedigt und stöbert deshalb genüsslich in dieser Fundgrube afrikanischen Kunsthandwerks, ich hingegen bin restlos glücklich und assistiere deshalb nur beratend bei der Auswahl des passenden Andenkens. Mit Lurchi im Arm tappere ich Heinz hinterher und freue mich, als er tatsächlich etwas Schönes findet. Es ist eine minimalistisch-abstrakte Maske aus Holz. Auf einem Plexiglassockel montiert, zwinkert sie uns nahezu unwiderstehlich zu und verzieht dabei ihren Mund zu einem Sternanis-Lächeln. Allein der Preis macht eine leicht trockene Kehle, weshalb Schneck bei einem weiteren Rundgang nochmal in sich gehen muss… Wieder tappere ich ihm hinterher und bemerke dabei, dass Lurchi eine gewisse Unruhe erzeugt. Diverse Touristen, ebenfalls auf der Suche nach einem Andenken, sehen die riesige Perlenechse und gehen offenbar davon aus, ich hätte sie hier im Laden erworben. Hui, da fliegen die Köpfe suchend hin und her, ein Regal nach dem anderen wird abgeflitzt, ab und zu ein Verkäufer befragt und dabei hektisch auf Lurchi gedeutet. Ratloses Schulterzucken und Kopfschütteln ist das Ergebnis, logisch, und sichtliche Enttäuschung macht sich auf so manchem Gesicht breit. Tut mir leid, Leute, aber Lurchi ist einzigartig – und mein! Liebevoll drücke ich das stabile Kerlchen an mich und folge Heinz, der mittlerweile einen Entschluss gefasst hat, zum Maskenregal. Und so erhält unsere Beziehung Zuwachs: Anismund wird uns nach Hause begleiten! Beglückt klemmt sich Heinz die ausdrucksstarke Maske, gut verpackt, unter den Arm und wir machen uns auf den Weg zu einer Lounge, um den Rest der Wartezeit bei einem kühlen Getränk zu verbringen.
Lurchi erregt dabei weiterhin Aufsehen: die Verkäuferin eines Juwelierladens ruft erregt ihre Kollegen vor die Tür, eine vorbeieilende Touristin bremst abrupt und fragt, mit Blick auf die Echse, „From Out of Africa?“, bevor sie enttäuscht weitersaust, der Kellner in der Lounge erkundigt sich augenzwinkernd, ob Lurchi auch was trinken möchte, und, als wir schließlich boarden, kümmert sich die Stewardess rührend um eine sichere Unterbringung der Echse. Lurchi ist wirklich etwas Besonderes! Doch diese fast freundschaftliche Zuwendung ist nicht allen unserer mitreisenden Souvenirs vergönnt: nach einem entspannten Nachtflug erreichen wir Istanbul Airport, schleusen uns durch die Transit-Checks, bis wir schließlich am Röntgen und einem besonders übellaunigen Beamten scheitern. Der Typ mit der unbeweglichen Miene und der schwarzen Haarbürste über der Oberlippe entdeckt die zwei Blechgeckos in Heinz’ Handgepäck und befindet sie als absolutes Sicherheitsrisiko… „Sharp, dangerous, no transport in hand luggage!“, tut er uns kund, indem er seine ebenfalls bürstenartigen Augenbrauen unheilverkündend zusammenzieht. Hallo, wir kommen aus Johannesburg, hatten diese „Waffe“” mit zehn Stunden an Bord, keiner ist zu Schaden gekommen, der Pilot erfreut sich weiterhin seines Lebens und niemand hängt mit durchschnittener Kehle auf der Tragfläche! Dem Beamten jedoch geht das Argument sonstwo vorbei. „Too sharp, too dangerous, absolutely no transport in hand luggage!“, wandelt der Finsterling sein gebetsmühlenartig wiederholtes Sätzchen ab. Ja, ja, verstanden, aber was nun? „Go chief officer“”, bedeutet er uns mit einer ruckartigen Kopfbewegung, „He tell you!“ Tja, und der osmanische Chefzollmann, der nicht besser gelaunt ist, verkündet uns Selbiges. Unsere Blechgeckos dürfen nicht mit an Bord, basta! Alternative: einreisen und die Waffen-Tiere ins Fluggepäck umbetten. Genau! Wir sind durchgecheckt, die Zeit ist ohnehin knapp,also besteht auch keine Chance, unsere zimbabwischen Blechandenken durch die Kontrolle zu bringen. Zornig pfeffern wir die zwei Tierchen in den nächstbesten Abfalleimer, machen daraufhin einen neuen Versuch beim Röntgenzöllner – und kommen diesmal tatsächlich ohne Beanstandung durch. Obwohl der Bürstenbart die ganze Zeit auf Lurchi starrt… Untersteh dich, du Arsch! Der Verlust der Blechechsen ist zu verschmerzen, aber Lurchi nimmst du mir nicht weg! Der Arsch untersteht sich. Und wir treten die letzte Etappe einer wunderschönen, erlebnisreichen, erfüllenden Reise an – nach Hause, mit neuen Plänen, Träumen und Wünschen im Kopf. Sternstundentage liegen hinter uns, weitere erwarten uns – nächstes Jahr! Ganz sicher!
Unsere Schätze
Schreibe den ersten Kommentar