7. April 2013, Hwange NP, Main Camp (ZIM) > Musina, Elephant Inn (RSA)

Nein, nein, nein! Die Sonne geht auf, die Vögel beginnen zu zwitschern, die Grillen zirpen und der Bäume Laub wogt leise raschelnd im morgendlichen Wind. Morgen früh werden wir das nicht mehr hören können, in unserem Bungalow mit Bett, Bad und betoniertem Boden. Denn heute liegt eine besonders lange, immens uninteressante, extrem beschissene Strecke vor uns – doppelt rot-markiert im Urlaubs-Kalender! Unsere üblicherweise fließenden und aufeinander abgestimmten Arbeitsabläufe beim Lagerabbau scheinen deshalb etwas zu stocken. Trotzdem aber sind wir irgendwann doch fertig und verlassen extrem schwerer Herzen Main Camp, den Hwange Nationalpark und somit auch das letzte bisschen wirklichen Urlaubs hinter uns. Pah, schon sind wir auf Pad! Kilometer um Kilometer brettern wir dahin, die Landschaft zieht vorüber und, obwohl sie eigentlich schön ist, können wir sie nicht wirklich genießen. Und unsere Ankunft in Bulawayo holt uns dann in die Wirklichkeit, in die Welt der Menschen zurück. Bulawayo! Eine Stadt, die man immer auf den in-flight-Monitoren diverser Airlines sehen kann, die man normalerweise nicht besucht, deren Name aber dennoch einen gewissen Grad der Freude verheißt: erscheint Bulawayo auf dem Monitor, ist man bald da! Wir jedoch sind bald weg – zurück in einer anderen Welt – die zweitgrößte Stadt Zimbabwes macht uns das nachdrücklich klar. 1,5 Millionen Einwohner, aus der Ferne mit beeindruckender Skyline, beim Reinfahren dann doch ein bisschen anders. Rund zehn Prozent der Bevölkerung, gefühlt, sind mit hochglanzpolierten Luxuskarossen, made in Germany, unterwegs, dazwischen ein paar, nicht minder gewienerte Japaner. Die restlichen Einwohner hingegen, ebenfalls gefühlt, lungern auf den Straßen herum. Sie sitzen an Ampeln und lesen Zeitung, unterhalten sich, stillen ihre Kinder, bieten Obst und Gemüse feil – auf Korbsesseln, Obstkisten, ineinandergesteckten Kartons sitzend, aber auch stehend, auf dem Trottoir liegend. Aus dieser Nähe sehen auch die vormals so modern wirkenden Gebäude lange nicht mehr wirklich beeindruckend aus: heruntergekommene Hochhäuser mit verwahrloster Fassade, zweifelhafter Statik und noch zweifelhafterem Erhaltungszustand stehen nun vor uns. Ein Rummelplatz zieht an uns vorüber – Mini-Riesenrad, Karussell, Achterbahn, allesamt lebensgefährlich verrostet… Diese ganze Riesen-Stadt verbreitet ein Flair vergangener Pracht, ein Flair, das man normalerweise nur aus kommunismus-dominierten Staaten kennt. Verwaschene Fassaden, brüchiger Beton, brachliegende Einrichtungen, behelfsmäßige Märkte, mittellose Menschen, Langeweile, Not, Verzweiflung – geboren aus einem allgemeinen Mangel, manifestiert durch spezifische Machtherrschaft.

Frommer Wunsch…
Wir nähern uns Bulawayo
Berufsverkehr
Rostiger Rummel
Treffen der Bauarbeiter
Zeitunglesen an der Ampel

Schrecklich. Besonders schrecklich aber, wenn man diese Angst, diese ohnmächtige Wut, eins zu eins demonstriert bekommt: wir verlassen Bulawayo und folgen dabei einem Pick-Up, dessen Ladefläche, voll besetzt mit Passagieren, über viele Kilometer vor uns her holpert. Die Leute sind allesamt gut gelaunt, feixen, schneiden freundliche Grimassen und winken uns zu. Wir blödeln zurück und alles scheint gut. Bis zu dem Zeitpunkt, an dem ich den Fehler begehe, den Pick-Up samt seiner Passagiere zu fotografieren. Sofort schlägt die vormals gute Laune in Aggression um: die Gesichter verfinstern sich schlagartig, man droht uns mit Fäusten und macht andere, sehr eindeutige Gesten. Irrigerweise war ich davon ausgegangen, der vorangegangene Kontakt, wenn auch nur gestisch, hätte mir eine Lizenz zum Fotografieren erteilt – doch weit gefehlt! Irgend etwas habe ich da wohl missverstanden; oder aber die Leute auf der Ladefläche… Natürlich versuche ich nun, mich zu entschuldigen, so gut das eben geht, doch es kommt nicht an, findet keine Gnade. Die Gesten der erbosten Passagiere werden immer bedrohlicher: Gewehr anlegen und abdrücken, Kehle durchschneiden, Faustschläge und ähnliches. Uns wird ganz anders. Was, wenn uns der Pick-Up von der Straße drängt? Wir sind schließlich schon wieder in The Middle Of Nowhere und niemand könnte uns zu Hilfe kommen! Doch das Ganze geht glimpflich aus, die Zornigen biegen, ebenfalls in The Middle Of Nowhere, plötzlich links ab und wir dürfen unbehelligt weiterfahren. Puh, das war eine echt ungute Situation!

Das Kopf-und-Kragen-Foto
Typische Felsformation
Bushaltestelle

Etwas bedröppelt und gleichzeitig zutiefst erleichtert, stellen wir die Fotografiererei auf den nächsten, langen Kilometern sicherheitshalber weitestgehend ein. Was auch nicht schwer fällt, denn es gibt wenig Interessantes zu sehen; allenfalls die markanten Felsformationen, die uns zeigen, dass wir gerade auf Höhe des Matopos Nationalparks dahinbrausen und ein paar Hügelflanken, die von unglaublich dichten Euphorbien-Wäldern bewachsen sind. Mann, so ein Fahrtag geht echt an die Nieren – und die Nerven! Es ist nun schon mehr als High Noon, wir haben zirka die Hälfte der Tagesstrecke hinter uns, als sich ein weiteres Organ meldet: der Magen. Wir haben tierisch Hunger und steuern deshalb das nächstgelegene Kaff, das eine Stillung dieses Bedürfnisses möglich machen könnte, an. Gwanda heißt der Ort der Wahl. Wir müssen nicht mal ins Zentrum fahren, sondern finden, direkt an der Hauptstrasse gelegen, ein Einkaufszentrum inklusive der üblichen Fast-Food-Etablissements, die anscheinend auf der ganzen Welt untrennbar mit Malls verknüpft sind. Wir rangieren also auf den Parkplatz und fühlen uns gleich wieder unwohl: die Geschäfte haben offensichtlich fast alle geschlossen, Jugendliche in abgerissenen Westklamotten lungern zuhauf herum, konsumieren undefinierbare Getränke und seltsam riechende Rauchwaren – und sehen uns neugierig an. Neugierig auf eine Art und Weise, die schwer einschätzbar ist… Deshalb machen wir mal wieder einen auf Arbeitsteilung: Annette sondiert das dürftige Angebot, nimmt unsere Bestellungen entgegen (Pommes mit Burger bzw. Chicken Wings oder Chicken Wings bzw. Burger mit Pommes), dann nimmt sie Jochen als Begleitschutz mit, während Heinz und ich beim Auto bleiben. Ereignislos verstreichen die Minuten, bevor unsere Freunde wiederkehren. Lustlos verzehren wir anschließend das mitgebrachte Essen, machen die Motorhaube zum Stehtisch, bringen es hinter uns. Der vorletzte Schluck Cola rinnt meine Kehle hinab und eigentlich könnten wir uns jetzt wieder auf den Weg machen. Wäre da nicht das leidige Blasenproblem… Und Zimbabwe ist nicht Südafrika oder Namibia, wo man einfach mal unterwegs anhalten und unbehelligt strullern kann. Nein! Hier sind immer und überall Menschen unterwegs. Wie aus dem Nichts tauchen sie selbst da auf, wo man denkt, alleine zu sein. Das wollen wir, zumindest wir Frauen, nicht riskieren.

Entschlossen mache ich mich deshalb auf die Suche nach dem Mall-Klo und werde tatsächlich fündig: zwei Türen nebeneinander, mit Männchen- und Weibchen-Symbol gekennzeichnet, verkünden das erfolgreiche Ende meines kurzen Orientierungsgangs und ich schicke mich gerade an, die Pforte der Erleichterung zu öffnen, als ich merke, dass eben das nicht geht. Verschlossen? Oder eine klemmende Tür? Ich teste das gerade aus, als mich eine weibliche Hand grob am Oberarm packt – es ist eine Security-Dame, die mich gestreng anweist, nicht an dieser Tür zu rütteln! Aber ich muss doch aufs Klo! Das ist dem Sicherheitsdragoner allerdings egal – an dieser Tür wird nicht gerüttelt, komme, was da wolle! Klo, ich brauche ein Klo, bitte! Der Dragoner zeigt sich nachgiebig und deutet mit seinem Schlagstock quer über den Innenhof der Mall: „Try there!“ Zu Befehl, Frau Gummiknüppel! Rasch, sehr rasch, entschwinde ich aus dem Dunstkreis der ungnädigen Amazone und strebe in die von ihrem Gummiknüttel angedeutete Richtung. Tatsächlich, hier gibt es noch ein Klo – und es ist in Betrieb! Ein sehr höflicher Herr bittet mich herein, versichert mir, dass alles frisch gesäubert sei, sperrt mir eine Kabine auf und zieht sich dann rücksichtsvoll zurück. Haaahh, wie gut das tut! Erleichtert komme ich vom Pott zurück, will mich bedanken – als ich zum Bezahlen aufgefordert werde: „500 Zimbabwean Dollars, please!“ Zimbabwean Dollars? Die Währung existiert doch gar nicht mehr! Aber der Klomann besteht darauf, alternativ auf südafrikanischen Rand – der US-Dollar-Schein, den ich ihm stattdessen anbiete, wird rundweg abgewiesen! Hilfe, wo bin ich hier gelandet? Im ganzen Land ist der US-Dollar offizielles Zahlungsmittel (sogar im kleinsten Supermarkt) – aber der Klomann will Zimbabwe-Dollar oder Rand. Diese Logik verstehe ich nicht und die verlangte Währung habe ich leider auch nicht griffbereit. Was nun? Des Klomannes Dienstleistung habe ich nun bereits in Anspruch genommen und kann mein Tun auch nicht mehr rückgängig machen. Hah, Annette muss ja auch noch austreten und sie muss jetzt, wohl oder übel, die Finanzlücke füllen! Ich bringe das mit der nachfolgenden und letztendlich bezahlenden Freundin dem Klomann nahe – und er glaubt mir, er vertraut mir! Folglich lässt er mich ziehen und ich bin heilfroh, denn ich hatte ernste Bedenken, er würde die Dame mit dem Gummiknüppel zuhilfe rufen – auf diese Konfrontation war ich nun nicht scharf! So aber darf ich ungeschoren und in doppeltem Sinne erleichtert von dannen ziehen.

Beim Parkplatz angekommen, instruiere ich Annette über die Lage des Klos und den zu entrichtenden Obulus und sie schreitet zur Verrichtung, während wir anderen weiter das Auto bewachen. Kurz darauf, Annette ist noch nicht zurück, kurvt ein gepflegter Kleinwagen in die freie Parklücke neben uns. Eine junge Frau steigt aus und macht Besorgungen im Fast-Food-Etablissement, der Fahrer hingegen bleibt sitzen und mustert uns und unser Auto neugierig. Dann lässt er das Fenster herunter, lehnt sich lässig aus der Öffnung, rückt seine Sonnenbrille zurecht, schmatzt, einen Anfang suchend, auf seinem Kaugummi herum – und ich denke mir: „Was für ein arroganter Depp!“ Trotzdem grüße ich ihn freundlich, bevor ich mich wieder abwende. Das war der Startschuss: der coole Macker grüßt ebenso freundlich zurück und steigt erst mal mit den üblichen Fragen ein – woher, wohin, gefällt es euch, etcetera. Dabei merken wir, dass wir durchaus auf einer Wellenlänge liegen – ein hoch interessantes, aber auch hoch brisantes Gespräch entwickelt sich. Es geht, natürlich, um die politischen Verhältnisse in Zimbabwe: er ist erstaunt, was ich alles weiß – ich bin erstaunt, was ich alles noch nicht weiß. Immer näher rücken wir zusammen und tuscheln verschwörerisch. Seine mittlerweile zurückgekehrte Freundin findet das nicht so klasse; nicht aber, weil sie eifersüchtig ist, sondern weil sie Angst hat. Als schließlich ein weiteres Auto nahe bei uns einparkt, wird es auch ihm zu gefährlich und wir verabschieden uns mit demonstrativ unverfänglichen Worten und einem Augenzwinkern voneinander. Jetzt erst merke ich, dass mein Herz richtig schnell klopft; vor Aufregung, mal wieder was aus dem zimbabwischen Nähkästchen erfahren zu haben, aber auch vor Anspannung. Die Themen, über die wir uns gerade unterhalten haben, waren durchaus nicht für jedermanns Ohren bestimmt und könnten, hätte jemand mitgehört, durchaus Probleme aufwerfen – für uns beide. Unvorstellbar, wenn man sich das verinnerlicht! Wenn ich in München in der Öffentlichkeit mit irgend jemandem über Angela Merkel nebst den Pros und Contras ihrer Politik quatsche, so ist das völlig legal und hat mit Sicherheit keine restriktiven Konsequenzen. Hier aber ist das anders; über das zimbabwische Staatsoberhaupt sind derlei Gespräche nicht erwünscht und werden, wenn auch unter anderem Namen, einem erfundenen Deckmäntelchen, durchaus geahndet, sollten sie vom Falschen (oder sollte ich besser “Richtigen” sagen), gehört werden. Das haben dieses Land, diese Menschen einfach nicht verdient! Es wird jedoch, auf absehbare Zeit gesehen, nichts Besseres nachkommen, im Gegenteil. Der greise Robert nämlich hat eine bedeutende jüngere, nicht minder machthungrige Gattin namens Grace, die ihre Klauen schon ausgefahren hat. Nomen est omen? Graceland, sage ich da nur…

Kopfschüttelnd, mein Herz ist noch immer in der Adrenalin-Liga zugange, wende ich mich nun wieder unseren Belangen zu und schlürfe den Rest meines Getränks geräuschvoll durch den Strohhalm, als Annette wieder auftaucht. „Na, Klo gefunden und alles bezahlt?“ „Ja, gefunden, aber er wollte kein Geld, weil du so herrlich erleichtert rauskamst und man sich zudem auf dein Wort verlassen kann!“ „Ne, oder?!“ „Doch! Ich musste ihm das Geld förmlich aufdrängen – und soll dir liebe Grüße ausrichten!“ Ach, ihr herzlichen, gequälten Zimbabwer, ihr habt wahrlich Besseres verdient! Soll ich jetzt froh sein, dass wir in diesem Land auf die Schlussgerade gehen oder soll ich darüber traurig sein? Beides! Wir verlassen ein Land voller liebenswerter, freundlicher, offener, hilfsbereiter, engagierter Menschen, aber auch eines, dessen Politik genau diese Menschen bestraft, im Stich lässt, benachteiligt und verarscht – auf dass es den wenigen, die was zu sagen haben, maximal gut geht. Homo homini lupus – der Mensch im Besonderen, aber auch im Allgemeinen, ist meist ein selbstbedachtes Arschloch! Wobei der echte Wolf – ein wirklich soziales Rudeltier – dabei zu Unrecht beschimpft wird. Doch bedauerlicherweise habe ich, genau diesen Menschen-Aspekt betreffend, auch in Kleinen, besonders „wölfische“ Erfahrungen gemacht: je näher sich Menschen, Volksgruppen und Hautfarben gegen Andersartige und Unterdrückende, als Ausgebeutete und Unterdrückte, näherstehen sollten und dies nach außen hin übrigens auch gerne bekunden, desto selektiver und brutaler wird ihr gegenseitiger Umgang miteinander. Hey, brotha, hey sista, dreifach gegebener Handschlag! Wir Schwarzen sind alle Brüder und Schwestern? Gegen die Ausbeutung der Weißen!? Ja? Nein! Die Geschichte hat, zugegeben, grausame Kapriolen geschlagen, doch viele der auch heute noch führenden Schwarzen sind genauso brutale und rücksichtslos gegen ihresgleichen, wie früher die so geächteten Kolonialist. Hey, brotha Mugabe, mach dich mal locker und sei deinen Brüdern ein Bruder – kein Kain – sondern ein wahrer Bruder! Leider, so fürchte ich, werden meine Wünsche nicht fruchten – zumal auch die gierige Gattin Mugabes bereits ihre Klauen nach den verbleibenden Reichtümern des geknechteten Landes ausgestreckt hat…

Sehr zweischneidiger Gefühle setzen nun auch wir unseren Weg fort und streben der Grenze nach Südafrika zu. Es sind noch viele, langweilige Kilometer, aber schließlich erreichen wir am späten Nachmittag doch noch den Grenzübergang, der sich weiaus monströser präsentiert, als ich ihn in Erinnerung hatte: in kilometerlangen Schlangen stauen sich die Trucks, unzählige Autos stehen auf unübersichtlichen Parkplätzen und noch mehr Fußgänger wuseln auf dem Gelände der wohl größten Grenzstation des Landes herum. Genervt suchen wir einen Abstellplatz fürs Auto, checken ein letztes Mal unsere Dokumente und beten, dass alles ohne Probleme über die Bühne gehen möge. Ja, wird schon werden, aber wo müssen wir denn eigentlich hin? Ah, da! Ein riesiges Armeezelt, ein Emigrations-Schild, eine lange Schlange von Leuten. Hier sollten wir richtig sein! Folglich platzieren wir uns am Ende der Warteschlange, bekommen aber sehr bald „Hintermänner“, die sich ebenfalls unsicher sind und uns die gleichen Fragen stellen, wie wir, Sekunden zuvor, den vor uns Stehenden. Jetzt antworten wir, obwohl wir uns noch immer nicht sicher sind… Na, das kann ja heiter werden, wenn hier jeder so überzeugt ist wie wir. Trotzdem vertrauen wir auf unser Bauchgefühl und werden, eine gute Stunde später, tatsächlich belohnt: wir dürfen ausreisen! Obwohl Jochen den ganzen Vorgang beinahe noch gefährdet hätte, indem er sich bei seiner zuständigen Grenzbeamtin leutselig erkundigte, ob dieses Zelt eine Behelfslösung sei. „Behelfslösung??? Das ist ein großer Grenzübergang! Behelfslösung – nicht im Geringsten, was denken Sie!?„ Pass her, Stempel rein und der Nächste bitte! Danach folgt der Zoll fürs Auto, die Einreise nach Südafrika, abermals der Zoll fürs Auto… Wah, was sind wir froh und erleichtert, endlich uns und unser Fahrzeug korrekt aus Zimbabwe raus und in Südafrika drin zu haben!

Nun müssen wir nur noch nach Musina, das Kaff durchqueren und etwas außerhalb unser Nachtquartier finden – das Elephant Inn. Es ist schon dunkel, als wir endlich da sind. Puh, das ist ja lauschig hier! Direkt vor dem Rezeptionsgebäude befindet sich eine riesige, viel frequentierte Tankstelle und die noch mehr frequentierte Hauptstraße führt in zirka 400 Metern Entfernung am Elephant Inn vorbei. Egal! Einchecken, essen, packen, schlafen. So ist unser Plan. Annette springt also mitsamt den Buchungsunterlagen wohlgemut an die Rezeption, während wir das muntere Treiben an der Tanke beobachten. Wir beobachten und beobachten – allein Annette kehrt nicht wieder. Jungs, bleibt ihr da, ich schau mal nach dem Rechten! Ohje! An der Rezeption angekommen, treffe ich auf eine weinende Annette, die mit den Händen rudert und immer wieder auf ihre Ausdrucke von booking.com hämmert. Annette, was ist los? „Die haben unsere Buchung angeblich nicht bekommen. Hier ist nix frei, bezahlt aber hab ich schon! Ich dreh durch!“ „Ruhig, ruhig, wir kriegen das! Ich sag erst mal den Jungs Bescheid, dann komm ich sofort wieder!“ Gesagt, getan – Jochen und Heinz können es nicht fassen – und ich eile wieder zurück. Schließlich erzielen wir tatsächlich eine Einigung: wir bekommen einen Bungalow, wie gebucht, und ein Zimmer, eine Kategorie unter unserer Buchung, aber immerhin!

Ja, immerhin, kann man da nur sagen – besser als gar nichts! Trotz dieser haarscharf glimpflichen Lösung aber ist die Stimmung sehr angespannt: Jochen, der den ganzen Tag am Steuer saß, macht Annette Vorwürfe wegen der Buchung, Annette ist fix und fertig, obwohl doch jetzt alles soweit unter Dach und Fach ist, Heinz und mir graut’s vor der Packerei und wir alle haben die Schnauze voll und – riesigen Hunger. Erst aber müssen wir uns auf die ungleichen Quartiere verteilen; da Heinz und ich morgen abreisen werden und somit noch packen müssen, bekommen wir den großzügiger geschnittenen Bungalow zugestanden, während unsere Freunde, die noch ein paar Tage im Lande bleiben, mit dem kleineren Zimmer vorlieb nehmen. Okay, das wäre geregelt. Rasch laden wir das Nötigste ab und beratschlagen dann über das bevorstehende Dinner. Jochen und Annette, wir fallen schier vom Glauben ab, wollen allen Ernstes etwas Selbstgekochtes auf den Tisch bringen! Hier, mit einem Restaurant vor der Tür, nach einem solchen Fahrtag, an unserem letzten gemeinsamen Abend?!? Heinz und ich streiken – WIR gehen ins Restaurant – kommt ihr mit oder lasst es! Schließlich gehen wir doch alle zusammen ins Lokal: wir platzieren uns auf der Open-Air-Veranda neben der Tankstelle, ordern und lassen es uns anschließend voller Wonne schmecken. Alles wäre jetzt gut, schwelte nicht noch in jedem einzelnen von uns der bekannte Fahrtags-Groll: satt und (noch) zufrieden, wollen wir zahlen. Die Bedienung bringt die Rechnung, wir legen das Geld nebst Trinkgeld auf den Tisch, die Bedienung verschwindet, kommt nicht wieder. Wo ist das Problem? Tja, offenbar haben wir völlig verschiedene Vorstellungen, was ein angemessenes Trinkgeld anbelangt – die Mücken, die uns während der sinnlosen Wartezeit wie wahnsinnig zerbeißen, freuen sich darüber… Heinz allerdings, der immer Geduldige und Verständnisvolle, macht plötzlich, völlig genervt, kurzen Prozess: „Wir gehen jetzt! Ich verzichte auf alles, was ihr mir noch schuldet, aber wir gehen jetzt, JETZT!“, stellt er klar, kratzt sich an den zerstochenen Beinen, erhebt sich und sieht unsere Freunde auffordernd an. Die schauen zwar ziemlich erstaunt, erheben sich aber ohne Widerworte und folgen uns zum Bungalow.

Somit hat sich auch dieses Kapitel erledigt, Gott sei Dank! Aber ein weiteres steht bevor – und das bringt mich jetzt fast zum Ausflippen: wir sind zurück an unserem Bungalow, das Auto parkt mit der Ladeöffnung vom Haus weg, Heinz und ich picken unser persönliches Equipment deshalb im Halbdunkeln aus dem Auto und schleppen es auf völlig unnötigen Umwegen zu unserer Unterkunft, sagen aber nichts, denn die Stimmung ist ohnehin schon ausreichend gereizt. Erst recht, weil Jochen und Annette biertrinkend und rauchend auf unserer Veranda herumfläzen, im Weg umgehen und auch noch lustige Kommentare vom Stapel lassen. Das bringt mich so in Rage, dass ich all meine Sachen auf die Terrasse pfeffere, statt sie gleich reinzutragen – direkt vor die entspannt ausgestreckten Füße unserer Freunde. Kann hier mal jemand helfen oder wenigstens die Schnauze halten? Nur um des lieben Friedens Willen behalte ich meinen Groll für mich und schleppe mit zusammengebissenen Zähnen weiter. Schließlich ist die Veranda voll, das Auto von unseren Habseligkeiten befreit und Annette und Jochen gehen, uns eine gute Nacht wünschend. Ja, ihr mich auch – äh, euch auch! Endlich allein, stehen Heinz und ich vor einem Riesenhaufen abgeladener Gegenstände, die jetzt in unser Gepäck geschlichtet werden müssen. Zuerst aber muss alles von der mückenverseuchten Terrasse in den Bungalow – das betreffend, hatte das Gefläze unserer beiden Freundes wohl doch was Gutes… Um nun die zu erwartende Mozzie-Invasion ins Schlafzimmer zu verhindern, schalten wir sämtliche Lampen aus und transferieren das Zeug bei völliger Dunkelheit nach drinnen. Dann schließen wir die Tür, knipsen die Lichter erleichtert wieder an und pressen anschließend unsere Siebensachen in Rucksack und Reisetasche. Nach einer Stunde, wir schwitzen wie blöd, ist alles weitestgehend verstaut. Schluss für heute? Ja!!! Heinz geht duschen und wäscht sich den Schweiß dieser Packaktion als erster vom Leib, während ich nochmal was aus meiner Reisetasche zerre, was ich morgen brauche und vergessen hatte – es ist, klar, ganz unten! Wah, ich könnte echt ausrasten! Dann endlich bin auch ich fertig, in doppeltem Sinne, und Heinz kommt aus der Dusche – mit bekümmerter Miene: „Schneck, der Abfluss funktioniert ned, da steht die Brühe bis zum Rand.“ Na, auch schon egal! Notdürftig und unter der Verwendung von möglichst wenig Wasser, versuche ich nun, mich in der überschwemmten Dusche einigermaßen reisetauglich zu reinigen, während Heinz die Mücken jagt, die natürlich doch mit ins Zimmer gekommen sind.

Erst hatten wir ja gedacht, wir könnten uns das sparen, aber eine Inspektion der bereitgestellten Moskitonetze überzeugte uns vom Gegenteil: handtellergroße Löcher und notdürftig verklebte Risse sind kein wirklicher Schutz… Als ich dann frisch geduscht aus dem Bad komme, hat Schneck die (hoffentlich) letzte Mücke erledigt – und meine Stimmung ist auch wieder besser. Versöhnt mit dem langen Fahrtag, der nichtsdestotrotz ganz interessant war, versöhnt mit dem nicht sehr gepflegten Elephant Inn und der leidigen Packaktion, setzen wir uns mit einem Gute-Nacht-Bier auf die Terrasse – in langen Hosen mückensicher verpackt – und lauschen dem Verkehrslärm der naheliegenden Straße. Es hat doch alles auch eine gute Seite: so fällt der Abschied wenigsten leichter!

Weitere Impressionen des Tages:

Auf dem Weg nach Bulawayo
Hauptstraße
Wegweiser
Schnell noch eingekauft
Bei Rot über die Ampel
Warten auf Kunden
Alles ist vergittert
Wegweiser
Kleiner Stadtpark
Minishop
Hauptstraße
Familienpicknik
Andenkenmarkt
Da wollen wir nicht hin!
Da auch nicht!
Tankstelle
Pläuschchen an der Tanke
Familienspaziergang
Wir verlassen Bulawayo
Mitfahrgelegenheit?
Handkarren
Suburb von Bulawayo
Suburb von Bulawayo
Suburb von Bulawayo
Industrie
Euphorbienwald

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