26. September 2015; Kibale Forest NP, Schimpansen-Tracking
Bereits in der frühen Dämmerung stehen wir heute Morgen auf und halten unsere Nasen aus dem Zelt. In den vergangenen Stunden hatte es immer wieder geregnet, das konnten wir trotz unseres relativ guten Schlafs deutlich hören. Entsprechend kühl und feucht ist die Luft, der Himmel verhangen und alles fühlt sich klamm an. Doch immerhin – der Tag beginnt niederschlagsfrei. Möge das bitte auch so bleiben! Rasch nehmen wir einen heißen Kaffee im Stehen ein – die Campingstühle sind unangenehm kalt und nässlich – und machen uns dann bereit für das bevorstehende Schimpansen-Tracking. Ich hatte mich im Vorfeld natürlich kundig gemacht, mit welchen Bedingungen hierbei zu rechnen ist und wie man sich am besten gegen die zu befürchtenden Unbilden rüstet. An oberster Stelle der genannten Hinweise standen die gefürchteten Attacken durch offenbar allgegenwärtige, aggressive Ameisen: tragt lange Hosen, feste Stiefel, steckt die Hosenbeine in die Socken, klebt das ganze mit Tape ab oder besorgt euch Gamaschen, sonst habt ihr keine Freude. So lauteten die einhelligen Tipps zu diesem Thema im Internet. Und an die habe ich mich gehalten! Schließlich reichen mir die Tsetsebisse, da brauch ich nicht auch noch pieselnde, beißende Ameisen auf der Haut! Also lege ich meine Schimpansen-Montur an – lange Hose, Wanderstiefel, Gamaschen. Heinz hingegen, den ich ja als liebende Freundin so gerne ebenfalls mit den ameisenabwehrenden Beinkleidern ausgestattet sähe (und auch welche für ihn eingemarktet hatte), verweigert sich hartnäckig, schlüpft stattdessen trotzig in eine wadenlange Hose und freut sich, derart mangelhaft gerüstet, auf das bevorstehende Affen-Tracking. Nun gut, des Menschen Wille ist sein Himmelreich…
Aufbruchstimmung
Wir warten auf die Guides
Dann marschieren wir los, hinauf zum Besucherzentrum der Lodge. Dort stehen bereits zahlreiche Tracking-Gäste wartend herum, auch Gabi und Erika sind schon da, und harren der Ankunft der Guides. Die allerdings lassen ein wenig auf sich warten. Also nutzen wir die Zeit, uns im Ausstellungsraum des Ranger-Gebäudes umzusehen, wo Schautafeln im üblichen Stile aushängen, die die Flora und Fauna der Umgebung im Überblick präsentieren. Da das Ganze aber nicht allzu informativ ist, begeben wir uns wieder nach draußen, erspähen ein paar Affen in den Bäumen – nein, Schimpansen sind’s noch nicht – und erfreuen uns an den anderen Primaten, sprich Mit-Touristen, die ebenfalls auf den Beginn des Trackings warten. Es ist eine bunte Schar von Menschen aller erwachsenen Altersgruppen, Männlein wie Weiblein, einigen merkt man eine gewisse Aufregung an, andere sind ganz cool und harren einfach der Dinge und wieder andere beginnen schon, ungehalten zu werden, weil hier nichts vorwärts geht. So nach dem Motto: ich habe ‘ne Menge Geld bezahlt, dafür will ich Leistung. Amüsiert beobachte ich die verschiedenen Menschentypen und frage mich bei so manchem, was ihn wohl bewogen haben mag, so eine Tour zu machen. Noch amüsanter aber finde ich die abschätzenden Blicke, mit denen einige der Tracking-Anwärter in die Runde blicken und dabei vor allen Dingen die Kleidung der anderen inspizieren. Speziell die Beinkleider, die Socken, die Schuhe und deren möglichst lückenloser Übergang ineinander findet dabei besondere Beachtung. Der Grund dafür sind natürlich die bereits erwähnten Ameisen. Um sich dagegen zu schützen, tragen einige der anwesenden Leute deshalb ihre Hosenbeine, wie angeraten, in den Socken, andere haben den Übergang vom Stiefelschaft zur Hose mit vielen Lagen schweren Klebebands dicht-getaped, einige, wie ich auch, tragen Gamaschen, doch es gibt eine ganze Menge von Personen, die keinerlei Vorkehrungen getroffen haben. Nun taxiert jeder jeden und es wird allenthalben nachgerüstet. Die Sockenstopfer ziehen Tape aus den Rücksäcken, die ehemals Sorglosen rollen ihre Socken über die Hosenbeine und blicken sehnsüchtig auf die Kleberollen, die bereits wieder in den Rucksäcken verstaut werden – und beide Parteien werfen neidvolle Blicke auf uns Gamaschenträger. Allein Heinz steht inmitten dieser Menschenschar und macht sich so gar keine Sorgen, obwohl er nur kurze Hosen trägt, die kaum bis zur halben Wade reichen. Luftig muss es sein, sagte er heute Morgen, obwohl ich im Moment so gar keine Faktoren erkennen kann, die luftige Kleidung erforderlich machen würden. Die Luft ist kühl und feucht, der Himmel bedeckt, es regnet nicht, aber es klamm und ziemlich ungemütlich. Nun gut, das kann sich im Laufe der nächsten Stunden ja noch ändern, hoffentlich zum Positiven!
Gabi und Erika
Red-tailed Monkey (Cercopithecus ascanius)
Am Ausgangspunkt
Nach einer halben Stunde endlich erscheint unser „Begleit-Personal“, wir erhalten eine kurze Einweisung, werden in Gruppen auf- und einem Führer zugeteilt. Dann kann es losgehen. Zumindest bei den anderen. Aufgeregt klettern die Leute in die bereitstehenden Lodge-Fahrzeuge und fahren von dannen. Schließlich sind alle Autos vom Parkplatz verschwunden und unser Ranger – Robert – sieht uns irritiert an. Und wir ihn. „Seid ihr keine Lodge-Gäste?“, fragt er uns verunsichert. Naja, wie man es nimmt. Zwei von uns wohnen im Baumhaus, der Rest campt. „Campen?“, fragt Robert ungläubig. „Mhm, ne, dann gibt es kein Fahrzeug für euch. Wir müssen eures nehmen. Ihr habt doch eines?!“ Hui, das ist eine leicht seltsame Verfahrensweise, wie da mit uns und unseren Baumhäuslern umgegangen wird, aber was bleibt uns anderes, als sich dem zu fügen. Also bitten wir Robert, uns zum Campingplatz zu folgen, schlichten uns dort in unsere beiden Landys und machen uns dann eben so auf den Weg. Es geht raus aus dem Camp, ein Stück die Zufahrtsstraße entlang und dann einen kleinen Seitenweg nach rechts, dem wir einige Zeit folgen. Dabei blökt Robert ununterbrochen ins Walkie-Talkie und wir haben den Eindruck, dass er sich nur am Rande mit den anderen Gruppenführern abspricht. Viel mehr klingen seine Gespräche nach einer belustigten Konversation mit Kollegen, deren Hauptthema die doofen Touries des heutigen Tages und lustige Privaterlebnisse des letzten Abends sind. Ich bin begeistert…
Als wir sicher 15 Minuten auf dem schlammigen Waldpfad dahingeöttelt sind, befiehlt uns Robert schließlich anzuhalten. Mit wichtiger Miene klettert er aus dem Auto, rückt mit martialischen Gesten sein Equipment zurecht und hebt zu einem Vortrag an: Dschungel, gefährlich, dicht bei ihm bleiben, er bewaffnet, alle Gruppen verteilt, welche als erste Schimpansen entdeckt, ruft die anderen über Funk herbei und los. Zu Befehl, Robert. Wir tappern im Gänsemarsch vom Weg herunter, hinein in einen Wald, von dessen Blätterdach permanent Wasser tropft, einen Wald, der seltsam trist und leblos wirkt. Robert schreitet wacker voran, schreit immer wieder in sein Funkgerät, lacht sich tot, dreht sich dann, wie zur Rechtfertigung seines Tuns, zu uns um und erkundigt sich pflichtschuldigst, ob bei uns Okay alles wäre. Ne, bei mir ist es das nicht! Zunehmend habe ich nämlich den Verdacht, dass uns der Knabe in großen Kreisen durch den Wald lotst, um das Ganze recht spannend für uns Unwissende zu machen, sich dabei permanent privat unterhält und offensichtlich hofft, dass endlich eine andere Gruppe eine Schimpansen-Sichtung melden möge. Was aber nicht geschieht.
Robert instruiert uns
Kein schöner Wald…
Einer „unserer“ Schimpansen
So also stapfen wir weiter durchs Gehölz, lauschen den Geräuschen unserer Schritte und denen des Urwalds. Affen brüllen vernehmlich. Robert meint, das wären nur Paviane. Wir wandern weiter, bergauf, bergab, schlittern schlammige Pfade entlang, begleitet von diesen affentypischen Rufen. Bist du sicher, dass das Paviane sind. Es sind Paviane, Punkt! Komisch ist nur, dass Heinz eine Minute später Schimpansen entdeckt, direkt über uns! Robert gibt sich leicht brüskiert, fängt sich aber sogleich und brüllt erneut in sein Walkie-Talkie. Minuten später brechen drei weitere Gruppen nebst ihren Führern aus dem Gestrüpp und wir starren gemeinsam in die Baumwipfel, die sich unter dem Gewicht der Primaten raschelnd biegen und dicke Wassertropfen auf uns herniederregnen lassen. Schimpansen, Schimpansen! Aber so weit oben… Unzufriedenheit macht sich unter den Führern und den anderenTouristen breit.
Rechtzeitig jedoch schallt es aus einem der mittlerweile vier Funkgeräte: Schimpansen, auf dem Boden, ganz nah! Wir können gar nicht so schnell schauen, wie sich das Touristenkonglomerat ins Nichts auflöst und mitsamt seinen Führern im Unterholz verschwindet. Robert wird ungeduldig, als wir nicht sofort auf diesen Fanfarenruf reagieren, sondern, im Gegenteil, zu überlegen beginnen, ob wir nicht besser hierbleiben sollten, um auf unsere „eigenen“ Schimpansen zu hoffen, auf dass sie irgendwann von dem Bäumen klettern und wir dann mit ihnen allein sind. Robert versteht die Welt nicht mehr. „Hurry, hurry!“, treibt er uns an. Na gut, wenn du meinst… Also hechten wir seufzend den anderen hinterher und brechen in einem Affenzahn und ohne Rücksicht auf Verluste durch den Wald, um kurz darauf die angekündigte Schimpansengruppe zu erreichen. Die Tiere allerdings haben sich logischerweise schon längst auf die umliegenden Bäume verzogen und verbergen sich mittlerweile im dichten Laubwerk.
Sicht: unbefriedigend
Schon besser!
Die Guides tigern deshalb um die Bäume herum und versuchen, eine Stelle zu finden, von der aus man die Primaten besser sehen kann. Kaum ist so eine Stelle gefunden, ruft der entsprechende Führer seine Gruppe herbei, die anderen Guides stürzen hinterher und fordern ihre jeweilige Gruppe ebenfalls zum Kommen auf. Mhm, das ist ja alles recht gut gemeint, aber ich kann dem Ganzen nichts abgewinnen. Ich stehe mitten im feuchten Wald, umgeben von ungefähr 25 schimpansengeilen Touristen und werde von einem Guide um die Bäume gescheucht. Unauffällig klinke ich mich deswegen aus der nach oben starrenden Menschenherde aus und suche mir etwas abseits ein ruhiges Plätzchen, von dem aus ich, oh Wunder, eine hervorragende Sicht auf ein Schimpansenweibchen habe, das sich gerade faul in einem Blätternest räkelt. Mit missmutigem Gesichtsausdruck blickt die haarige Dame auf mich herab, dreht sich um die eigene Achse, kuschelt sich zurecht und schließt genüsslich die Augen. Mein Nach-oben-Gestarre jedoch ist den Guides natürlich nicht entgangen und ehe ich mich versehe, bin ich erneut von diversen Menschen umringt, die erregte Ahs und Ohs von sich geben. Ein paar Bäume weiter rechts, auch dort verweilen noch einige Touris, ertönen plötzlich entsetzte Iiiihs: ein Schimpanse hat unter sich gelassen und die illustre Gesellschaft mit einem warmen, gelben Urinregen von oben bedacht. Angeekelt springen die Bepissten beiseite, retten sich ins Trockene und wienern dann hektisch an ihren Objektiven herum. Robert kuckt mich daraufhin verschwörerisch an, kichert, zeigt auf die Angepinkelten und meint: „Hihi, chimpanzee-shower, all natural! Hihi!“ Gleich darauf zückt er sein Funkgerät und brüllt lachend einen ausdauernden Wortschwall ins Mikro. Ich verstehe natürlich nicht, was er sagt, aber seine lautmalerischen Worte erschließen sich mir auch so – der Person am anderen Empfangsteil wird ausgiebigst geschildert, dass und wie gerade ein Urinschauer auf die doofen Gäste niedergegangen ist. Hihi! Haha!
Schimpansendame im Schlafnest
She si not amused
Kein Wunder…
Ja, gut, ich gebe zu, dass dieses Ereignis auch mich in gewissem Maße amüsiert, doch irgendwie befremdet mich Roberts Verhalten trotzdem. „Wem erzählst du da gerade von der Schimpansendusche?“, frage ich ihn. Robert guckt mich kurz erschrocken an, dann fasst er sich und tischt mir allen Ernstes auf, er hätte nur dem Headquarter gemeldet, dass alle heutigen Touristengruppen eine erfolgreiche Sichtung gehabt hätten. Und nun wäre es an der Zeit, den Rückweg anzutreten. Das sehen offenbar die anderen Guides ebenfalls so. Langsam nämlich löst sich das Touristengewimmel auf, die Gruppen streben in unterschiedliche Richtungen davon und auch Robert bläst mit Nachdruck zum Aufbruch. Und wieder mal hat er es eilig. Diesmal jedoch nicht, weil es gilt, die Touris mit Schimpansen zu versorgen, sondern wohl eher, weil der Feierabend winkt. Wir hingegen, die wir ja schon auf dem Hinweg zu fast unziemlicher Eile getrieben worden waren, würden uns nun ja gerne mal ein bisschen im Wald umsehen. In einem Wald, der zwar wenig von der Üppigkeit eines Feuchtwaldes dieser Klimaregion aufzuweisen hat, aber dennoch sicher den einen oder anderen Schatz in sich birgt. Also tappern wir in unserem eigenen Tempo den kleinen Pfad entlang, spähen hier unter einen Stamm, dort unter die Laubdecke, entdecken Pilze und einen leuchtend roten Wurzelparasiten, seltsame Samenschoten und das ein oder andere Krabbeltier. Robert nimmt unser Getrödel mit unverhohlener Ungeduld zur Kenntnis, bleibt immer wieder stehen und wartet verdrossen auf uns. Kaum sieht er uns nahen, gibt er wieder Gas und rennt so schnell weiter, dass wir nicht mal die Gelegenheit haben, ihn das eine oder andere zu fragen. Doch das wäre sicher ohnehin müßig, denn der Knabe macht nicht den Eindruck, als würde ihn sein Umfeld – weder das menschliche noch das natürliche, sonderlich interessieren. So kommt es, dass auch wir in gewisser Weise froh sind, als wir endlich, nach einer guten Stunde Marsches durch den Wald, wieder bei den Autos ankommen. Und der Rückweg verläuft genauso wie der Hinweg: Robert blökt in sein Funkgerät und schüttet sich immer wieder aus vor Lachen, während wir unangenehm berührt vor uns hin schweigen, um den Herrn nur ja nicht bei seinen Geprächen zu stören…
Rhipsalis
Psychotria sp.
Gallen auf Blatt
Pilze …
…in verschiedenen Formen …
… und Farben
An der Lodge angekommen, verabschieden wir uns von unserem seltsamen Guide, der es sehr eilig hat, im Gebäude zu verschwinden und begeben uns zur Rezeption, denn wir hätten noch eine dringende Frage, die zu stellen wir auf unserer Tracking-Tour keine Gelegenheit gehabt hatten. Gerne nämlich hätten wir gewusst, ob es eine Alternativroute nach Fort Portal gibt; die Aussicht, morgen wieder über die Schmierseifenpiste zurückschlittern zu müssen, erheitert uns nicht wirklich. Und wir treffen tatsächlich auf einige Personen, die uns Auskunft geben können – allerdings sagt jeder was anderes. Von nein, es gäbe keine Umfahrung, über ja, da ist eine, aber die ist noch schlechter, bis hin zu sicher, es gibt eine tolle Alternative, detaillierte Streckenbeschreibung inklusive, ist alles vorhanden. Mhm, das bringt uns leider auch nicht wirklich weiter, doch wir werden den angeblich vielversprechenden Routenvorschlag mal im Hinterkopf behalten und morgen entscheiden, was wir tun.
Weiße Seitlinge
Glibbriger Eispilz
Thonningia sanguinea
Unbekannte Frucht
Flechten
Pollia condensata
Während wir uns dergestalt durch die Belegschaft der Lodge fragen, sind Gabi und Erika übrigens bei ihrem Baumhaus, um, ja, um ihre wenigen Habseligkeiten zu packen und für heute Nacht zu uns auf die Campsite zu ziehen. Das sagt wohl genug über die Qualität des Baumhauses aus, oder? Auf jeden Fall laden wir die beiden samt ihrem Minigepäck in unsere Autos und chauffieren hinab zu unserer Campsite, die, und das sagt noch mehr über die Qualität der Baumhäuser, übrigens auch nicht die komfortabelste ist. Da steht ein gemauerter Pavillon, das Schilf zum Decken des Dachs liegt neben dem eigentlich hübschen Häuschen und rottet vor sich hin, die immerhin vorhandenen Duschen und Toiletten sind unbenutzbar, was sich in Form von gar malerischen „Tretminen“ rund ums Klogebäude deutlich zeigt. Doch Gabi und Erika haben sich entschlossen, wollen partout lieber hier sein, als noch eine Nacht in ihrem Treetop House verbringen zu müssen. Tja, Kibale scheint nicht unser Ort zu sein…
Also bauen wir rasch die Zelte der beiden auf und machen es uns dann auf unserem spartanischen Platz gemütlich. Kaffeetrinken, eine Kleinigkeit essen, die vergangenen Stunden revue passieren lassen. Im Zuge dieser Retrospektive stelle ich fest, dass keiner von uns darüber ins Schwärmen gerät, doch es scheint so, als würde ich das Schimpansen-Tracking tatsächlich am negativsten von uns allen bewerten. Meine Freude, wilde Schimpansen in ihrem natürlichen Umfeld gesehen zu haben, ist derart überschattet von dem Gebaren der Guides, dem allgemeinen Gehetze und diesem eigenartigen Show-Auflauf, dass ich so etwas nicht noch einmal machen würde, zumindest nicht hier und unter diesen Umständen. Meine Reisefreunde sehen das zwar deutlich weniger streng, aber auch sie würden die Tour nicht wieder buchen. Der einzige, der in sich ruht und das Negative des Trackings komplett ausblendet, ist Heinz. Er ist glücklich, die Primaten gesichtet zu haben, er freut sich, mit seinen kurzen Hosen unbeschadet durch den Wald gekommen zu sein und nimmt sogar noch die Guides in Schutz: sie machen dieses Tracking Tag für Tag, jedes Mal mit anderen Leuten und jede Gruppe hat die selben hohen Erwartungen – sie wollen Schimpansen sehen. Das allein schon erzeugt einen riesigen Erfolgsdruck. Doch auch die Konkurrenz unter den Guides selbst scheint groß zu sein. Derjenige, der die Primaten zuerst entdeckt (bei uns war das offiziell zwar Robert, faktisch jedoch Heinz), sammelt offenbar Extra-Punkte. Welcher Natur diese sind, vermögen wir nicht zu sagen – mehr Trinkgeld, mehr Lohn, mehr Ansehen? Egal. Resultat dieses Konkurrenzkampfes, gepaart mit dem täglichen Erfolgsdruck, ist auf jeden Fall eine befremdliche Stimmung, die sich durch die kanalartige Fokussierung der Guides (zumindest unseres Guides) noch verstärkt. Doch wer weiß, was die Tracking-Führer wirklich bewegt, warum sie ihren Job machen. Weil es keinen anderen gibt? Herzblut und Leidenschaft scheinen dabei wohl eher nicht im Spiel zu sein…
Thunbergia grandiflora
Asystasia gangetica
Thunbergia alata
Unbekannt
Justicia sp.
Spanner-Raupe
Tortoise Beetle
Fotogen auf Blatt …
… und auf Sch…
Heuschrecken-Paarung
Blattwanze
Schriller Hüpfer
Charaxes brutus
Cymothoe herminia
Aceaea penelope
Wir lassen uns, trotzdem und gerne, von Heinz’ positiver Einstellung anstecken und wenden uns den schönen Aspekten dieses Tages zu: es hat heute noch nicht geregnet, die Sonne spitzt hin und wieder raus und sogar die menschlichen Darmhinterlassenschaften am Rande der Campsite haben ihre guten Seiten. Bei einer kleinen Runde um unseren Platz entdecken wir nämlich, dass diverse hübsche Schmetterlinge vorzugsweise diese Kothaufen besuchen und sich auf den Pflanzen, die, wohlgedüngt durch die Exkremente, besonders üppig wachsen, andere interessante Insekten herumtreiben. Eine Käferspezies ist dabei besonders hervorstechend. Die Tierchen sehen aus wie eine gläserne Seepocke, wie ein transparentes, in allen Regenbogenfarben schimmerndes UfO, unter dessen durchsichtigem Schild sich ein insektuöses Wesen zu verbergen und mit allen verfügbaren Gliedmaßen verzweifelt einzuspreizen versucht. Phantastisch! Dann wieder lenken uns sich bewegende Baumkronen ab, durch deren Geäst zahlreiche Affen turnen, Vögel besuchen die regendurchtränkte Wiese unserer Campsite und selbst der Weg hinauf zur funktionierenden Toilette der Rangerstation, die wir der Schicklichkeit halber für feststoffigere Bedürfnisse aufsuchen, überrascht uns mit kleineren pflanzlichen und tierischen Kleinodien. Im Zuge dieser Entdeckungen verstreicht ein äußerst entspannender Nachmittag und geht in einen noch relaxteren Abend über, an dem wir es uns unter unserem Gazebo gemütlich machen. Wir alle zusammen. Wir alle zusammen mit unseren unterschiedlichen Meinungen und Empfindungen, die sich irgendwie in der Mitte treffen: kein perfekter Tag, aber dennoch ein schöner, ein interessanter, ein wechselvoller – und einer, dessen Ende erneut ziemlich feucht und kühl daherkommt. Leicht fröstelnd kuscheln wir uns deshalb zu nur halbwegs vorgerückter Stunde in unsere Zelte und schlafen bald einem neuen Tag entgegen, an dem es, abhängig vom Wetter, aufregende Entscheidungen zu treffen gilt, neuen Zielen entgegen…
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