29. März 2013, Thakadu Camp, Ghanzi > Motopi Pan, CKGR
Frühmorgens wecken uns die mittlerweile gewohnten Geräusche des Buschs – obwohl wir ja noch gar nicht wirklich in der Wildnis sind. Ganz unbuschmäßig tragen wir also unser gestriges Geschlemme gepflegt zum naheliegenden Sanitärgebäude, machen uns ein letztes Mal für längere Zeit dental und auch anderweitig frisch und finden uns dann am Frühstückstisch zusammen. Als letzter stößt hierbei Heinz zu uns und er hat von unterwegs etwas mitgebracht: eine riesige, giftgrüne Gottesanbeterin! Nun bin ja ich DIE Insektenschisserin vor dem Herrn, soll aber schrittweise meiner Phobien enthoben werden, indem ich zunehmend größere Krabbeltiere auf meine Hand gesetzt bekomme, die Heinz höchstpersönlich zu diesem Behufe anschleppt. „Schneck, ich hab da was für dich!“, flötet er, als er mit der Monstermantis vom Waschhaus kommt. Huuuh, oh Schreck, ist die groß – und grün! Nun, die Therapie zeigt zwar mittlerweile durchaus Wirkung, aber dieses Insekt ist so riesig, dass ich mich nicht überwinden kann, es auf meine Finger krabbeln zu lassen. Zumal Heinz es auf seinem ebenfalls giftgrünen Reisegeldbeutel herbeigetragen hat – und sich standhaft weigert, selbst in Hautkontakt mit dem Beter-Teil zu treten… Schließlich haben wir beide schon Filmberichte gesehen, in denen Gottesanbeterinnen dieser Größenordnung selbst wohlgenährte, rundliche Großmäuse einfach so dahinmeuchelten. Respektvoll setzt Heinz die grüne Schönheit in unser aller Sinne also auf einen Baumstamm und wir genießen unser Frühstück – unter den wachsamen Facettenblicken des räuberischen Gigainsekts. Unbeschadet überstehen wir – und die Gottesanbeterin – das frühe Mahl und machen uns anschließend alle vom Acker: die Mantis entfleucht unbemerkt in die unendlichen Jagdgründe der dichten Buschumgebung, wir hingegen streben, nach dem Abbau unseres Lagers, der Rezeption zu. Während Annette dort die Bezahlung regelt, büxen Heinz und ich in den benachbarten Andenkenshop aus, der genau die Versprechen hält, die er gestern Abend in diffusem Heimgehlicht verhieß; Souvenirs über Souvenirs – und noch dazu von der Sorte, die unsereiner wirklich gerne erwirbt.
Frühstück auf Thakadu
Mantis vor der Linse
Mantis auf Geldbörse
Annette zahlt also für vergangenes Schlafen, als wir bereits für die stilvolle Zukunft unserer Wohnatmosphäre Erinnerungsdeko einmarkten: ein geschnitztes Erdmännchen, sehr nett, aber eher durchschnittlich. Ein Brautgeschenk aus Mosambik in Form einer in zwei Hälften geteilten Kokosschale – mit Kopf und Armen, mit bunten Glasperlenketten geschmückt, einem gemusterten Kopftüchlein auf dem Haupt. Sehr speziell, sehr zerbrechlich und recht schwierig zu transportieren – aber so schön und geradezu unwiderstehlich. Und dann noch zwei erdferkelförmige Perlenskulpturen, ebenso ungewöhnlich und unwiderstehlich. Heinz und ich haben den Laden soeben von allen wirklich interessanten Souvenirs befreit, als Annette herbeieilt und gerne auch noch was abhätte. Speziell auf eines der beiden Erdferkel hatte sie es abgesehen. Das wußte ich aber nicht und habe ihr nun Minuten zuvor beide vorhandenen Exemplare quasi vor der Nase weggekauft. Jetzt kann sie leider nur noch bedauernd zusehen, wie die Shoplady beide Aardvarks in Zeitungspapier wickelt und mir strahlend überreicht. Ich strahle nicht weniger, auch wenn mir Annette fast ein wenig leid tut. Aber eben nur fast und nur ein klein bisschen – zu sehr bin ich in die beiden Perlentiere verliebt. Und nichts in der Welt könnte mich dazu bewegen, eines davon an Annette abzutreten. Ferkel Eins ist nämlich schon fest gebucht, als Deko in meiner Wohnung zu arbeiten, Ferkel Zwei werde ich in die liebevollen Hände meiner Mutter übergeben, deren Entzücken ich bereits förmlich vor mir sehe – und so bleibt wenigstens alles in der Familie… Jochen hingegen sieht meinen Wegschnappkauf mit gewisser Erleichterung, denn die holde Gattin schleppt, zumindest für seinen Geschmack, ohnehin immer zu viel Tand und Nippes mit nach Hause. Aber so sind wir eben, wir Hüterinnen der behaglichen Wohnlichkeit!
Mein Kokos-Weiblein
Thakadu: Aarvark-Restaurant
Plocepasser mahali
So, nun ist aber genug geshoppt, es wird Zeit, dass wir uns auf den Weg machen, der heute wieder mal ein langer sein wird. Zärtlich bette ich meine Neuerwerbungen ins Auto, wir boarden und fahren los. Nach vielen schnurgeraden und ereignislosen Kilometern erregt plötzlich ein Gegenstand in der Mitte der Fahrbahn unsere Aufmerksamkeit. Das einzig Gute an diesen brettebenen Endlosstraßen ist, dass man Hindernisse der erhabenen Art, und seien sie auch noch so klein, bereits von Weitem sehen und sich folglich langsam nähern kann. Auch wir bremsen nun etwas runter und tasten uns auf das komische Häufchen zu, das beim Näherkommen allmählich ein schwarz-weißes Streifenmuster offenbart. Mhm, das ist wohl kein zerfleddertes Reifenstück und wohl auch kein Schal, denn es flattert nicht, als auf der anderen Straßenseite ein Personenwagen mit hohem Tempo vorbeibrettert. Als wir gerade abseits des Teerbelags unser Auto zum Stehen bringen, quietschen auch die Bremsen des gerade Entgegengekommenen, er wendet und hält schließlich ebenfalls, genau wie wir, auf Höhe des gestreiften Teils, das sich in der Folge als Zebrakobra entpuppt. Vorsichtig nähern wir uns der Schlange. Man kann ja nicht sicher sein, ob sie wirklich tot ist oder sich nur auf dem Teerbelag sonnt. Vor einer Schlange dieser Größe und Giftigkeit sollte man sich auf jeden Fall in Acht nehmen, auch wenn sie benommen oder verletzt ist.
Kein Borussia-Schal…
Road kill: Naja anchietae
Abzweigung zum Tsau Gate
Doch nein, so sehen wir recht schnell, das arme Tier nimmt kein Sonnenbad (mehr) – eine tiefe Verletzung direkt hinter dem Kopf legt den Verdacht nahe, dass es das Leben unter den Reifen eines vorbeikommenden Autos ausgehaucht hat. Überprüfen jedoch können wir das nicht mehr, denn auf der Gegenspur rast soeben ein silberner Mercedes heran, macht auf der Höhe der Schlange einen absichtlichen Schlenker, lässt dabei den gestreiften Roadkill meterhoch durch die Luft wirbeln und uns alle ziemlich erschrocken und fassungslos aus der Wäsche schauen. Was war denn das für ein Idiot? Jedenfalls einer, der offensichtlich tierische Freude daran hatte, uns einen gehörigen Schreck zu versetzen und gleichzeitig den aufregenden Fund zu vermiesen. Auch das Pärchen, das für die Schlange gewendet hatte, hat nur ein ungläubiges Kopfschütteln für den mutwilligen Raser übrig. Doch der ist weg, wie auch die Schlange, fortgeschleudert in das unübersichtliche Gebüsch und hohe Gras am Straßenrand. Und da müssen wir sicher nicht hinterher! Bedauernd und hoffend, dass das Reptil wirklich tot ist, klettern wir also schulterzuckend wieder ins Auto und setzen unsere Fahrt fort.
Auf diesen weiterhin schnurgeraden Kilometern erinnere ich mich plötzlich an einen Namibier namens Richard, den ich auf einer meiner ersten Afrikareisen in Windhoek kennengelernt hatte und der mir eine Geschichte erzählt hatte. Er war Party-Gast auf einer Farm, weit außerhalb der Stadt. Nach feuchtfröhlichen Stunden des Feierns bezog er, zusammen mit anderen Gästen, seinen Schlafplatz in einer gemütlichen Scheune auf dem Farmgelände. Lange lag er wach und versuchte, sein Alkoholkarussell in den Griff zu bekommen, erlag diesem aber schließlich und wankte vor das Scheunentor, um sich dort gründlich auszukotzen. Danach fühlte er sich deutlich besser und kroch wieder in seinen immer noch lauwarmen Schlafsack. Beim Reinkriechen jedoch durchfuhr ihn plötzlich ein heftiger Schmerz an der Hand, er schrie auf, tastete nach dem Schalter seiner Stirnlampe, die er aufbehalten hatte und sah in deren Schein eine schwarz-weiß gestreifte Schlange verschwinden… Eine Zebrakobra hatte ihn soeben in die Hand gebissen! Umgehend wurde er von Freunden ins weit entfernte Krankenhaus gebracht, dort behandelt und er überlebte. Acht Monate war dieser Zwischenfall damals her, als ich Richard kennenlernte, doch er litt noch immer unter den Folgen der Schlangenbegegnung: das injizierte Gift tat, auch Monate danach, noch immer seine Wirkung. Zwar wurde ihm recht bald nach dem Biss Serum gespritzt, sein Kreislauf erfolgreich stabilisiert und alles schien gut, doch die Ärzte warnten ihn vor den zu erwartenden Folgen des starken Gifts der Schlange. Und diese ließen auch nicht lange auf sich warten. Zum Beweis reckte mir Richard die betroffene Hand entgegen, von der mittlerweile bereits Ring- und Mittelfinger entfernt wurden, wie auch ein großzügiger Gewebekeil aus dem Unterarm, bis zum Ellbogen hinauf. „Und demnächst geht’s weiter mit Rausschneiden und Amputieren!“, sagte Richard, als er mir eine pralle blaurote Wurst unter die Nase hielt, die mal sein Zeigefinger war. Die neurotoxische Wirkung des Schlangenbisses also hatte er durch die Erstbehandlung gut überstanden, die gewebezerstörende hingegen war immer noch aktiv – und das auf unabsehbare Zeit. Schauderhaft, grauenvoll und eine deutliche Warnung an alle, die einen Schlangenbiss auf die leichte Schulter nehmen – Serum gespritzt, alles gut; das ist in vielen Fällen ein Trugschluss, eine Augenwischerei. Denn der Begriff „Überleben“ bedient lediglich die Statistik, nicht aber das eventuell leidensvolle Fortbestehen des betroffenen Individuums.
Die Gedanken an Richard und wie es ihm wohl heute gehen mag, beschäftigen mich lange und lassen die langweilige Strecke an mir vorüberziehen. Zumindest so lange, bis uns mitten im Nirgendwo die Abzweigung Richtung Central Kalahari Game Reserve, Richtung Tsau Gate, scharf nach rechts lenkt. Doch die linealförmige Wegführung setzt sich auch nach dem Abbiegen unverändert fort. Einziger Unterschied: wir haben jetzt Sand unter den Reifen und einen Veterinärzaun zu unserer Rechten, in dem wir leider immer wieder Tierleichen entdecken müssen. Springböcke, Oryxantilopen, das sind die am häufigsten zu findenden Kadaver, aber wir sehen auch ein totes Steinböckchen und mehrere kleine, nicht mehr identifizierbare, weil bereits skelettierte Überbleibsel tierischen Lebens, das Selbiges qualvoll im Zaun aushauchen musste. Zäune, die erbaut wurden, um das Weidevieh vor den Erkrankungen der Wildtiere zu schützen. Gerne wird auch mal, je nach Gesprächspartner, das Umgekehrte behauptet – doch jeder, der hier öfter und interessiert unterwegs ist, weiß, dass diese Argumentations-Variante jeglicher praktischen Grundlage entbehrt. Es ist der selbe Quatsch, der beim Aufflackern der Vogelgrippe gerne verbreitet wurde: man hatte dankbarerweise irgendeine arme Wildente ausfindig gemacht, die das Virus nachweislich in sich trug und schon wurde sie zum Epizentrum des Seuchenausbruchs hochstilisiert. Dass sie jedoch, eher naheliegend, auf einem verschissenen Mastgeflügelhof Station gemacht und sich dabei auf dem Misthaufen infiziert hatte, verschweigt man lieber. Der Verbraucher ist ja extrem sensibel. Trotzdem präferiert der geneigte Konsument eher das günstige Fleisch, das er stets „für gut“ verzehrt und macht sich vor, es wäre lückenlos und akribisch kontrolliert. Und der Produzent manipuliert diesen hochkommerziellen Zug, auf den der Fleischkunde so gutgläubig und gerne aufspringt, zu aller Beteiligten Vorteil – angeblich. Im Endeffekt aber sieht es so aus: das Wildtier wird zum Verursacher und Überträger des Übels deklariert, wird getötet, geopfert, der Verbraucher zahlt und wird seinerseits gründlich verarscht, der Tierproduzent hingegen heimst seinen Gewinn auf Kosten der beiden anderen Parteien ein. So ist es auch hier. Riesige Rinderfarmen rund um die Zentralkalahari entlutschen dem kargen, aber geschmackgebenden Boden ein Maximum an Fleischvieh. Um diese Herden und deren Nahrungsgrundlagen zusammenzuhalten, werden Zäune gebaut, kilometerlange, hunderte von Kilometern lange Zäune. Ja, die verhindern die Verbreitung von Seuchen, hin wie her, aber das Wild ist definitiv der haushohe Verlierer dabei. Seiner natürlichen Wanderrouten beraubt, muss es sich mit geringeren Nahrungsressourcen zufrieden geben und die Bestandszahlen passen sich zwangsweise daran an, indem sie sich deutlich verkleinern. Schlimm genug, aber dennoch eine Art der in der heutigen Welt einzig möglichen Anpassung. Richtig schlimm wird es jedoch, wenn Panik bei einem Wildtier aufkommt, wenn es fliehen muss oder wirklich Todesnot leidet – dann stirbt es aufgrund dieses meist unüberwindlichen Hindernisses: es verdurstet, verhungert oder verfängt sich in den gnadenlosen Maschen des angeblich so nutzbringenden Zauns…
Immer an dem Zaun lang
Unbekannt
Dactyloctenium aegyptium
Tja, und diese Opfer des Vet-Zauns müssen nun leider herhalten, uns eine gewisse, wenn auch nicht sehr schöne Abwechslung zu kredenzen. Unser Mitleiden und unsere Empörung aber schaffen es tatsächlich, den langen Weg bis zum Eingangs-Gate in die offizielle Zentralkalahari gefühlsmäßig etwas abzukürzen. Kein Trost, keine Entschädigung für die verendeten Tiere, das ist klar, dennoch verleiht es dem Tod zumindest einen mikroskopisch kleinen, menschentröstlichen Sinn. Man muss es sich halt schönreden, wenn man Zeuge solchen Elends wird und, zu allem Überfluss, auch noch selbst daran beteiligt ist – unsere Schuld als Mensch kann uns halt niemand abnehmen.
Ankunft am Gate
Schrecken am Zaun
Erlangea misera (?)
So also streben wir schuldigen Menschen, die wir nur die Weite unberührter Natur erleben wollen, dem Gate entgegen, erreichen es schließlich auch und reisen ein in unsere ersehnte heile Wunderwelt der zentralen Kalahari. Rasch sind die üblichen Formalitäten erledigt und wir sind drin, im CKGR. Nun könnte man meinen, mit dem Passieren des Gates umfänge einen plötzlich und übergangslos der gewünschte Naturtraum – doch ganz so ist es natürlich nicht. Denn lange Zeit noch begleitet uns der vermaledeite Zaun, diesmal zu unserer Linken. Viel Unterschied macht das zunächst auch faktisch nicht, trotzdem aber empfinden wir eine Art von Hochgefühl, weil wir endlich einen weiteren Ort erreicht haben, der auf unserer Reiseziel-Traumliste stets ganz oben steht. Und so sehen wir uns endlich auch wieder in der Lage, die Schönheiten und Schmankerl dieser Landschaft zu genießen. Eine Vielzahl kalaharitypischer, bunter Blühpflanzen am Wegesrand erfreut unsere Sinne, genau so wie eine schiere Invasion dickbäuchiger Sattelschrecken, die zu Hunderten und Aberhunderten die dünnen Oberdrähte des Zauns bevölkern. Wir fühlen uns wieder angekommen! Und mit einem Male nehmen wir uns deswegen auch wieder Zeit. Zeit, die erforderlich ist, die Einzigartigkeit dieses Landstrichs wirklich entdecken zu können. Obwohl mich dieses rasche Umschalten unsererseits durchaus befremdet, erfreut mich das zu Sehende umso mehr, erst recht, als wir endlich scharf rechts abbiegen müssen und den Zaun hinter uns lassen können. Hier können unsere Augen nun ungehindert schweifen! Wenn sie denn könnten. Denn je weiter wir in den Park vordringen, desto verbuschter präsentiert sich uns die Landschaft – was das Schweifen des Blicks erheblich erschwert. Darauf hatte ich mich zwar seelisch vorbereitet, zumal diese Landschaftsform typisch für weite Gebiete der nördlichen Zentralkalahari ist, dennoch bin ich jetzt etwas enttäuscht. Aber es besteht ja durchaus noch Hoffnung für den ersehnten Abschluss des heutigen Tages, denn unser eigentliches Ziel ist die Motopi Pan. Eine Pan, eine Salzpfanne, zählt zu den weiteren typischen Erscheinungsbildern der Kalahari und verheisst Weite, denn auf den salzhaltigen Böden der Pfannen gedeihen keinerlei Pflanzen. Dafür aber sammelt sich auf diesen vegetationslosen Flächen gerne das Wild und darauf hoffe ich jetzt. Allerdings muss ich mich überraschen lassen, denn wir besuchen Motopi zum ersten Mal und haben keine Ahnung, wie es dort wirklich aussieht, beziehungsweise wo genau unsere gebuchte Campsite liegt.
Gespannt ötteln wir durch den Busch, aktivieren unser GPS-Gerät, um auch den richtigen Platz zu finden, doch das verbuschte Gelände will nicht weichen. Auch nicht, als unsere aktuellen Koordinaten schon fast mit denen des Ziels übereinstimmen. Zwar staubt es seit geraumer Zeit gipsfein unter unseren Reifen – ein deutliches Indiz, dass wir uns auf Pfannenboden bewegen, doch es buscht und buscht und buscht. Dann endlich, das GPS steht auf Ziel, finden wir die Einfahrt zur heutigen Campsite, die auf normalem Wege kaum zu finden ist, denn sie ist, ohjeh, von dichtem Buschwerk umgeben! Ein paar Meter noch kurven wir die schmale Zufahrt entlang, sind einfach nur noch froh, in wenigen Sekunden den langen Fahrtag beenden zu können, als uns die nächste „freudige“ Überraschung empfängt. Da stehen zwei Autos, zwei Zelte und vier Personen auf unserem gebuchten Platz und blicken uns ohne Begeisterung entgegen. Ach nö! Nicht das auch noch! Höchst genervt steigen wir aus und grüßen die Platzbesetzer, die sich dankbarerweise ihrer Untat bewußt sind. Es ist eine südafrikanische Familie; Eltern mit einer fast erwachsenen Tochter, begleitet vom Freund des Mädls, die sich hier auf gut Glück niedergelassen und nicht damit gerechnet hatten, in dieser entlegenen Gegend doch noch auf rechtmäßige Buchungsgäste zu treffen. Wir sind froh, dass die vier ohne Streitereien das Feld, oder besser gesagt den Busch räumen wollen, doch erst mal müssen wir dazu unser Auto aus der schlauchartigen Zufahrt zurückrangieren, um dann abzuwarten, bis die vier ihren weit ausgebreiteten Ausrüstungswahnsinn in qualvoller Langsamkeit gepackt haben. Endlos werden Wäscheleinen aus den Ästen gepflückt und sorgfältig aufgerollt, Bettzeug wird liebevoll geschüttelt und anschließend in Tragetaschen verpackt, die ausklappbare Trailerküche erst mal grundgepflegt, bevor sie im Anhänger verschwindet, zwei Zelte werden akribisch abgebaut und gerollt, dann folgen weitere Accessoires, die alle ihren Platz finden wollen. Wir hätten unseren Platz ja bereits gefunden, allein er wird nicht frei…
Kudubock
Raphicerus campestris
Da ist ’ne Agame im Busch!
Nach einer Stunde ist es dann doch geschafft, die Südafrikaner räumen zitronigen Gesichts das Feld und wir können uns, wenn auch nur für eine Nacht, endlich häuslich einrichten. Eine Nacht, die übrigens schon am Hereindämmern ist… Gerade noch so schaffen wir unseren Lageraufbau, dann machen wir uns im beginnenden Sonnenuntergang auf die Suche nach der eigentlichen Pfanne. Wir finden sie tatsächlich, doch das weiße Auge liegt wie ausgestorben vor uns. Oh mann, das hatten wir uns anders vorgestellt! Nichtsdestotrotz streckt der stille Zauber der Kalahari seine Finger nach uns aus. Wir werden Zeugen eines zart-pastelligen Sonnenuntergangs, der so unspektakulär ist, dass er uns mit seiner vorsichtigen Kreidigkeit wohlig umfängt, wir sehen müde Vögel in ihre Schlafbäume fliegen, wir hören die Geräusche der beginnenden Nacht und wir werden, zurück auf unserer Campsite, von einem perfekten Vollmond empfangen. Während wir unser Abendessen zubereiten, zieht die blass leuchtende Scheibe des Mondes über uns hinweg und taucht die eigentlich reizlose, verbuschte Umgebung in spannendes Licht. Hier und da raschelt es im Gebüsch, ein Ast knackt, es ist irgendwie heimelig – so heimelig, dass auch wir bald knacken, eingehüllt in unsere kuscheligen Schlafsäcke…
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