Im ersten Sonnenlicht bereits krabbeln wir aus unseren Betten und finden uns zum Frühstück zusammen, das wir heute etwas kürzer halten. Trotzdem genießen wir ein letztes Mal die herrliche Rundsicht, bevor wir uns ans Packen machen. Wir sind ja routinierte Camping-Lagerräumer und wundern uns deshalb mal wieder, wie viel Zeug man in einer kleinen, festen Unterkunft so verteilen kann, auch wenn man nur zwei Tage und Nächte dort verweilt. Ist noch was unter den Betten? Ach, der Waschbeutel hängt noch an der Tür! Schneck, hast du dein Kissen eingepackt? Schließlich aber sind wir sicher, nichts vergessen zu haben, tragen unsere Habseligkeiten nach draußen und machen uns an den Abbau der „Küche“ und des mobilen Wohnzimmers. Dann wird alles auf und ins Auto gestapelt, und, nach einem letzten Kontrollblick, sind wir endlich abreisebereit. Schwer beladen rumpeln wir unseren trauten Hügel nach unten und besuchen ein letztes Mal Frau Koch, um die Rechnung zu begleichen. Die finanzielle Transaktion erfolgt schnell und schmerzlos, der Abschied hingegen dauert ein wenig: auf unserer Sukkulententour hatten wir ein paar Pflanzen gesehen und über deren Namen gerätselt; Frau Koch ist deshalb nochmal durch ihre unzähligen Ordner gegangen, ist fündig geworden und hat alles für uns notiert. Dann zeigt sie uns noch ein paar besondere Stücke ihrer Steinesammlung, bittet uns um Fotos der ein oder anderen Pflanze. Fast enttäuscht stellt sie schließlich fest, dass nun alles gesagt, ausgetauscht und besprochen ist – sogar die Namibensis-Euphorbien haben wir gestern schon gesehen. Ja, und nicht nur ihr fällt der Abschied schwer…
Doch so gerne wir auch noch geblieben wären, langsam wird es trotzdem echt Zeit, unsere heutige Fahrstrecke in Angriff zu nehmen, die uns weiter hinauf nach Norden führen wird. Es ist beileibe keine monströse Etappe, im Gegenteil, aber wir würden gerne zeitig in dem malerisch gelegenen Camp am Naukluft-Fluss eintreffen, um den Nachmittag dort gebührlich genießen zu können. Und nach einer herzlichen Umarmung mit Frau Koch ist es so weit: wir tuckern los.
Nach einer halben Stunde allerdings ist bereits der erste Stopp angesagt, da wir, wie sollte es auch anders sein, mal wieder ein paar Besorgungen machen müssen. Nun sind auf unserer heutigen Route Ortschaften nicht gerade reichlich gesät, weswegen wir nicht wählerisch sein dürfen – wir versuchen unser Glück darob zunächst in Helmeringhausen. Dort jedoch suchen wir nicht nur das Glück vergebens, auch ein vernünftiger Laden ist nicht zu finden. Der einzige Gemischtwaren-Shop vor Ort, in dem wir eigentlich Brot erstehen möchten, hat Selbiges zwar in Form von labberigem Toast im Angebot, aber Annette verschmäht die inhaltslosen Weißmehlscheiben, da sie gerne etwas Vollkorniges hätte und zudem das Zahnlosen-Brot für hoffnungslos überteuert befindet. Wo sie recht hat, hat sie recht! So kehren wir dem Kaff Helmeringhausen unverrichteter Dinge den Rücken und hoffen, nach Konsultation der Karte, auf eine größere Ortschaft namens Maltahöhe, die mit einem vertrauenerweckenden mittelgroßen Punkt im Plan eingezeichnet ist. Hier werden wir unsere Einkaufsliste sicher schnell und zufriedenstellend abarbeiten können, so sagt uns unser Gefühl. Tja, so etwas kann man nur fühlen, wenn man noch nie in Maltahöhe gewesen ist. Dazu aber später…
Hoffnungsfroh fahren wir also weiter, durchqueren ein großes, landwirtschaftlich genutztes Gebiet, das kaum Highlights zu bieten hat. Eines jedoch gibt es schon – Schloss Duwisib. Dieses seltsame Kolonialbauwerk, eingebettet in sanfte Hügelketten, nötigt uns zwar einen kleinen Umweg ab, aber wenn wir schon mal in der Nähe sind, wollen wir uns das burgartige Kuriosum eben auch nicht entgehen lassen. Wir verlassen die Hauptstraße Richtung Norden, schwenken gen Westen und stehen, zwanzig Minuten später, tatsächlich vor dem Schloss, das seine Türme trotzig gen Himmel reckt. Einerseits wirkt es irgendwie wie ein Fremdkörper, fügt sich aber andererseits dennoch erstaunlich homogen in seine Umgebung ein. Erstaunlich ist aber nicht nur das Bauwerk selbst, ein im Stile des Historismus gestaltetes Fort aus dunkelroten Backsteinen mit Zinnen, Wehrtürmen und schießschartenartigen Fenstern auf zwei Gebäudeseiten. Seine Entstehungsgeschichte ist noch viel bemerkenswerter: ein sächsischer Artillerieoffizier namens Hansheinrich von Wolf verlor sein Herz an das Land, in dem er während des Hereroaufstandes als Offizier der deutschen Schutztruppen stationiert war und träumte davon, sich nach Beendigung seines Einsatzes hier dauerhaft niederzulassen. Während eines Heimaturlaubs ehelichte er praktischerweise eine vermögende Amerikanerin, deren finanzieller Background diesen Traum in greifbare Nähe rückte: der gute Herr von Wolf erwarb mit dem Geld seiner ihm angetrauten Ehefrau Jayta zunächst lediglich diverse Farmen, unter anderem auch die Farm Duwisib. Dann legte er richtig los: er beauftragte einen damals sehr renommierten Architekten, der sich bereits mit dem Bau der Schwerins-, der Heinitz- und der Sanderburg in Windhoek einen Namen geschaffen hatte, mit dem Bau seines eigenen Traumhauses.
Duwisib Castle
Eine Gedenktafel muss sein!
Waben-Bauherren
Um das Ganze stilgetreu errichten und auch einrichten zu können, ließ er im Folgenden Berge von Baumaterialen und Möbel aus der deutschen Heimat herbeischaffen. Man stelle sich diesen Aufwand mal bildlich vor! Da werden Tonnen von Backsteinen, Holz, Schränken, Betten, Tischen, Stühlen, Bildern, Kronleuchtern und anderem Kram per Schiff von Deutschland nach Namibia transportiert, um anschließend mit Ochsenkarren querfeldein, durch unwegsamstes Gelände, an den Ort des Geschehens verfrachtet zu werden. Ein unvorstellbarer Aufwand, eine unvorstellbare Schinderei! Aber Herr von Wolf verfolgte sein Ziel mit aller Konsequenz und stand schließlich, im Jahre 1908, vor den Früchten seiner Hartnäckigkeit – Schloss Duwisib. Leider ist nicht überliefert, ob wirklich alles seinen Vorstellungen entsprach, ob er die Zeit auf seiner Ritterburg gebührlich genoss und erst recht nicht, was die holde Gattin zu der ganzen Sache sagte. Man weiß nur, dass der Burgherr eine erfolgreiche Pferdezucht auf Duwisib etablierte und sich nicht nur Freunde machte, als er zu deren Ausbau immer noch mehr Land erwerben wollte. Sechs Jahre später allerdings war der Traum vom Leben in Deutsch-Südwest zu Ende: der erste Weltkrieg brach aus, von Wolf wurde während einer Schiffsreise in Südamerika interniert, floh nach Deutschland, meldete sich zum Kriegsdienst und fiel zwei Jahre darauf an der Front in Frankreich. Die amerikanische Witwe, die ihrem Gatten nach Deutschland gefolgt war, kehrte nie nach Duwisib zurück; vielmehr verkaufte sie das gesamte Anwesen, aus welchen Gründen auch immer, und kehrte der alten Welt für alle Zeiten den Rücken. Eine spannende, eine traurige, eine seltsame Geschichte, die ein wenig greifbarer wirkt, wenn man, wie wir jetzt, direkt vor der Burg steht.
Heliotropium sp.
Gomphocarpus fruticosus
Gomphocarpus fruticosus
Heute ist Duwisib in Staatsbesitz, stilgetreu renoviert fungiert es als Museum und kann von jedermann besichtigt werden. Also auch von uns. Trotzdem begnügen wir uns mit der Begutachtung von außen. Unsere Beweggründe allerdings könnten unterschiedlicher nicht sein: Jochen und Annette ist der Eintritt zu teuer – 60 Nam-Dollar für eine tote Immobilie samt antikem Interieur, das muss für die beiden nicht sein. Heinz würde die Gebühr zwar berappen, ist aber ebenfalls nicht sonderlich interessiert. Und ich will nicht rein, weil ich ernsthafte Befürchtungen hege, anschließend hier einziehen zu wollen. Alte Gemäuer und antike Möbel sind ein extrem gefährliches Pflaster für mich – was ich nicht sehe, kann ich also auch nicht begehren… Folglich verzichten wir allesamt auf einen kostenpflichtigen Zutritt zu den heiligen Hallen und lassen stattdessen die historische Stätte von außen auf uns wirken. Und auch da gibt es Interessantes zu sehen. Zum Beispiel die riesigen rotbraunen Wespen, die sich in den Fensterstürzen der Westfenster von Duwisib ihre eigenen Festungen bauen und dabei bedrohlich summen.
Heinz und ich bewundern gerade die filigranen Waben, die die großen Insekten mit höchster Präzision errichten, als auch vom Parkplatz ein bedrohliches Summen, oder sollte ich besser sagen, Geschnatter, erklingt. Oh je, ein Reisebus! Als dieser seinen Inhalt in Form von recht betagten Herrschaften auf das Schlossgelände entleert, ergreifen wir die Flucht. Genug gesehen! Rasch düsen wir zurück auf die Hauptstraße und erreichen eine knappe Stunde später das verheißungsvolle Örtchen Maltahöhe, wo uns bereits am Ortseingang ein fulminanter Empfang bereitet wird: eine Horde maximalpigmentierter Knirpse beiderlei Geschlechts wirft Steine auf unser Auto! Erschrocken drücken wir auf die Tube und entfliehen unbeschadet dem Steinhagel, um gleich darauf auf Maltahöhes Hauptverkehrsader zu stoßen. Diese ist vom Erscheinungsbild eines Prachtboulevards allerdings so weit entfernt, wie der Nord- vom Südpol! Staubig, dreckig, voller Abfall und auf beiden Seiten von herumlungernden Menschen gesäumt, die uns nicht gerade freundlich entgegenblicken. Heiligs Blechle, wo sind wir denn hier gelandet? Aber da müssen wir jetzt wohl durch… Vorsichtig fahren wir, in gebührlichem Abstand zu den Lungerern, immer der Nase nach und scannen dabei beide Straßenseiten nach Geschäften ab. Hah, einen Getränkehändler hätten wir schon mal gefunden, fehlt also nur noch ein Supermarkt! Wir kucken uns die Augen aus dem Kopf, haben aber immer noch nichts Brauchbares gesichtet – auch nicht, als wir bereits das andere Ende von Maltahöhe erreicht haben. Umdrehen, ab zum Drankwinkel, fragen.
Gesagt, getan. Annette jedoch kommt verzweifelter Miene wieder aus dem Bölkstoff-Shop zurück. „Die sprechen da nur Afrikaans, ich hab kein Wort verstanden, nur, dass es einen Supermarkt gibt, aber der hat heute nicht offen.“ Ich kann das fast nicht glauben. So ein großer Ort und kein offener Supermarkt? Ist heute Sonntag? Nein, nicht wirklich… Seufzend bringe ich meinen afrikaansen Wortschatz geistig auf Vordermann und entere beherzt den Getränkeladen, beziehungsweise die angegliederte Fastfood-Bude, in der Annette vorher gescheitert war. Bevor ich nun meinen vorformulierten afrikaansen Fragesatz vom Stapel lasse, grüße ich erst mal auf englisch. „Good afternoon, Lady! What can I do for you?“, schallt es mir auf angelsächsisch entgegen. Verdutzt erkläre ich mein Anliegen, ebenfalls auf englisch, und erhalte eine sehr detaillierte Auskunft bezüglich der Situation vor Ort; nebst des verwunderten Statements, dass er gerade eben genau das einer anderen Dame erklärt hätte! Annette? Egal! Ich habe jetzt die Informationen, die wir brauchen und verlasse, mich herzlich bedankend, die Frittenstube. Also: es gibt einen Supermarkt, der allerdings hat momentan noch geschlossen, öffnet seine Pforten aber in einer halben Stunde und führt, darauf legte der Frittenmensch besondere Betonung, lediglich Waren zur Grundversorgung der nahezu autarken Landwirte aus der näheren und ferneren Umgebung. Vor meinem geistigen Auge sehe ich Zentnersäcke voller Reis, riesige Zuckertüten, schwergewichtige Salzbeutel und kiloschwere Nudelpakete… Annette hingegen ist zuversichtlich bis schwer begeistert und nutzt die Wartezeit, einige Paletten Bier im Getränkemarkt zu kaufen, vor dem wir ja ohnehin schon rumstehen. Dann fällt ihr ein, dass sie ja auch noch Zigaretten braucht. Und was nun folgt, ist eine Geschichte für sich. Man stelle sich ein Tabakwarenregal der selbstgezimmerten, besonders bedienungsfreundlichen Art vor: die Kippenschachteln sind liegend übereinander in vergitterten Schächten angeordnet – man sieht rein, kann aber nur jeweils eine Schachtel von ganz unten entnehmen, worauf der gesamte Stapel nachrutscht. Wird diese Schachtel jedoch nicht gekauft, muss der Chef informiert werden, der dann mit seinem Masterschlüssel das Gitter öffnet, um das Päckchen oben wieder in den Stapel einfügen zu können. Annette will nun ein paar Schachteln Lights erwerben, und tut das kund. Der schwarze Verkäufer versteht nicht. „Light, light, blue box!“, verdeutlicht Annette und deutet auf ihre eigene, fast leergerauchte Schachtel. Der Typ hinter dem ebenfalls vergitterten Tresen stürmt erleichtert zum gitterbewehrten Regal, entnimmt wahllos eine blaue Schachtel und präsentiert sie seiner Kundin. Ja, die Verpackung ist blau, der Inhalt aber alles andere als leicht. Annette läßt die Kippen zurückgehen. „Not light, I need light! Blue box!“, insistiert Annette. Der Verkäufer schleppt erneut eine blaue Schachtel herbei, diesmal aus einem anderen Stapel. Wieder der falsche Griff. So geht nun das Spiel, bis alle blauen Verpackungen, einzeln herbeigetragen, als ungeeignet zurückgewiesen wurden. Der Verkaufsknabe ist verzweifelt, genervt, verunsichert, alles gleichzeitig.
Annette ebenso. Deshalb entscheidet sie sich für eine Sorte, deren Werte sie gerade noch für rauchbar hält und ordert fünf Packungen, die der Verkäufer aufatmend herbeischafft. Als er sie auf den Tresen legt, inspiziert Annette aus der Ferne aber gerade das Regal und entdeckt etwas ihr Bekanntes. „No, I take five of the red ones on the left side, please!“, sagt sie entschlossen. Der arme Verkäufer versteht die Welt nicht mehr. Ungläubig hakt er nach, aber es bleibt bei den roten. Und jetzt verliert er die Contenance: schimpfend und vor sich hinbrabbelnd bringt er die gewünschten Zigaretten und knallt sie auf den Tresen. Annette hingegen ist sich keiner Schuld bewusst, bezahlt, steckt die Kippen ein und geht. Jetzt muss der Verkäufer jedoch seinen Chef bitten, das Regal aufzusperren, damit er das Chaos wieder verräumen kann und davor scheint er ein wenig Angst zu haben. Kein Wunder, denn die Geschichte klingt in Jemandes Ohren, der nicht live dabei gewesen ist, doch ein bisschen unglaubwürdig…
Wir aber lassen den bedauernswerten Knaben mit seinen Sorgen und dem Schachtelchaos mitleidslos zurück, schlichten uns ins Auto und rücken zum einzigen Supermarkt des Ortes vor, der sich rund 500 Meter vom Kippenladen entfernt, auf der anderen Seite der Straße befinden soll. Das Gebäude, das uns beschrieben wurde, steht tatsächlich dort, hat auch gerade seine Pforten geöffnet, sieht jedoch nicht wie ein Supermarkt aus. Hinter dieser grünen Fassade mit verklebten Fenstern würde ich eher eine Niederlassung der BayWa, einen landwirtschaftlichen Bedarfshandel oder einen Landmaschinenhändler vermuten, nicht aber ein Geschäft, in dem man Lebensmittel erwerben kann. Na ja, wir werden sehen. Annette und Jochen stürzen sich in das zu erwartende Abenteuer, während Heinz und ich als Aufpasser beim Auto bleiben – eine Vorsichtsmaßnahme, die in dieser wenig vertrauenerweckenden Ortschaft nicht schaden kann. Nach einer halben Stunde des aufmerksamen Beobachtens unseres Gefährts und der Umgebung, kehren unsere beiden Freunde schließlich mit fast leeren Händen wieder. Ihrer Beschreibung nach entsprachen nämlich meine anfänglichen Visionen von den zentnerschweren Reissäcken tatsächlich der Realität. Wie der Frittenmensch schon angekündigt hatte: ein Markt zur Versorgung der Landwirte, die fast alles selbst herstellen, den Rest aber dann alle zwei Monate im Großpack zukaufen. Tja, Pech gehabt. Nicht mal Brot gab es zu kaufen. Hätten wir doch mal die überteuerten Labberschnitten aus Helmeringhausen mitgenommen! Aber jetzt muss eben Plan B in Kraft treten, der vorsieht, dass wir selbst backen müssen. Das wollten wir zwar vermeiden, weil das Camp am Naukluftfluss zum konsequenten Nichtstun verführt, aber es nützt nichts – wir haben absoluten Brot-Notstand. Um diesen baldmöglichst zu beheben, klettern wir wieder ins Auto und verlassen dieses ungastliche Kaff, um rasch das Camp zu erreichen, Brot zu backen und den Rest des Nachmittags gebührlich und untätig zu genießen.
Gen 14 Uhr erreichen wir schließlich das Gate zum Naukluft Nationalpark, erledigen rasch alle Formalitäten und freuen uns nun riesig, fast angekommen zu sein. Nur noch wenige Hügel und Kurven trennen uns vom gluckernden Naukluft und dem ersehnten Camp, dessen terrassenartiger Aufbau nebst der Großzügigkeit der Plätze fast immer ein Garant für von etwaigen Nachbarn ungestörten Camperfreuden ist. Fast immer. Diesmal jedoch empfängt uns eine größere Gruppe von Südafrikanern, die sich rund ums Waschgebäude niedergelassen hat und mit gefühlten zehn, sehr lautstarken Kompressoren und Generatoren alles mit Luft befüllt und betreibt, was der campende Südafrikaner eben so an Komfortutensilien benötigt. Ach, nööö! Zitronig grüßend kurven wir durch das ausufernde Lager der lärmenden Ausrüstungswahnsinnigen und begeben uns hinunter ans Flussufer. Dort sind die Sites zwar etwas kleiner und man muss sage und schreibe zehn Höhenmeter über Treppen nach oben steigen, um die Sanitärgebäude zu erreichen, dafür aber ist es, so direkt am Wasser, umso lauschiger. Und lärmende Nachbarsgruppen muss man dort auch kaum befürchten, denn weder die Platzgrößen noch der unvermeidliche Notdurfts-Aufstieg entsprechen den bequemen Vorstellungen solcher Zeitgenossen. Und unsere Rechnung geht auf. Hier unten ist weit und breit niemand zu sehen. Wir lassen uns sicherheitshalber zusätzlich in größtmöglicher Luftlinienentfernung von unseren Mitcampern nieder und sitzen erst mal eine Stunde gemütlich und untätig am Flussufer herum, bevor wir unser Lager errichten und das Feuer zum Brotbacken anheizen. Bis die Glut so weit ist, dauert es ja noch…
Zwiesprache
Onychgnathus nabouroup
Onychgnathus nabouroup
Und wir genießen weiter. Der Naukluft gluckert heimelig, ausladende Bäume beschatten unsere Häupter und, während wir unsere Seelen in dieser Idylle baumeln lassen, werden wir zudem noch von zahlreichen Vögeln besucht. Neugierig beäugen sie uns aus dem Geäst der Uferböschung, zutraulich umhüpfen sie unser Auto, unsere Ausrüstungsgegenstände und unsere Füße, immer auf der Suche nach etwas Fressbarem. Dahingehend haben wir zwar noch nicht viel zu bieten, weil das Brot ja erst gebacken werden muss, nichtsdestotrotz scheinen wir, beziehungsweise unser Equipment, ungeheuer interessant zu sein. Als besonders neugierig fällt uns hierbei eine Starendame auf, die ohne jegliche Scheu wirklich alles genauestens in Augenschein nimmt und uns dabei immer wieder fordernde Blicke zuwirft. Ihr Gatte hingegen, der etwas schüchtern in einem Busch neben der Campsite sitzt, beobachtet das Tun seines Weibchens recht sorgenvoll und zwitschert dabei verzagt vor sich hin. Aber sie lässt sich davon nicht beeindrucken und landet schließlich sogar beherzt neben meiner Hand, die herrlich untätig auf der Armlehne meines Stuhles liegt. Als ich sie vorsichtig bewege, legt das Starenweibchen ohne Erschrecken seinen Kopf schief, pickt einmal probehalber in meinen Zeigefinger und flattert anschließend enttäuscht davon. Der Starengatte ist zutiefst erleichtert – und wir freuen uns über die Inbrunst, mit der er seine vorwitzige Frau begrüßt. So läßt es sich hier aushalten: einfach dasitzen, die Idylle genießen und sich von solch kleinen Szenen im Bush-TV erheitern lassen!
Naukluft-Berge
Boophane disticha: trockener Blütenball
Der grüne Saum des Naukluft
Langsam aber kommen auch wir wieder in die Gänge, denn die Glut macht gute Fortschritte und ist bald bereit fürs Brot. So also bereiten wir den Teig zu, decken ihn für die erforderliche Ruhephase vogelsicher ab und und verbringen die restliche Wartezeit mit der Inspektion des dicht bewachsenen Flussufers auf unserer Seite. Üppig gedeiht hier raschelndes Schilf und blühende Wasser-Minze, Libellen gleiten lautlos zwischen den Pflanzen umher, Bienen summen, Käfer brummen und in kleinen, seichten Wasserbecken glitzern winzige Fischlein. Das gegenüberliegende Ufer hingegen ragt steil auf und ist relativ kahl – nur über die obere Kante hängen lange Sarcostemma-Triebe, die in der leichten Brise wie grüne Spaghetti an den roten Felsen baumeln. Und Heinz’ scharfe Augen haben noch etwas entdeckt: eine Boophane! Dieses hochgiftige Amaryllis-Gewächs besteht aus einer Bulbe, der außerhalb der Ruhephase ein Schüppel grüner, leicht kräuseliger Blätter in Fächerform entwächst. Natürlich kann die bizarre Pflanze auch blühen – sehr eindrucksvoll sogar – doch dieses Glück ist uns leider nicht beschieden. Heinz aber will die Boophane trotzdem besuchen und überquert deshalb zielstrebig den seichten Naukluft, um anschließend noch zielstrebiger den steilen Flusshang wieder nach oben zu klettern. Etwas besorgt beobachte ich die Aktion: im unteren Hangbereich liegt loses Geröll herum, das bei jedem Schritt nach unten poltert, das Gelände ist sehr steil und die Boophane viel weiter oben, als es von hier aus zunächst ausgesehen hatte. Auch Heinz, der mit luftigen, von der Flussquerung nassen Sandalen unterwegs ist, bewegt sich zunehmend vorsichtiger. Schließlich erreicht er sicher die Pflanze und winkt erleichtert zu mir herüber.
Heinz am Objekt
Boophane disticha
Sorgenvoller Blick zu Heinz
Ich winke nicht weniger erleichtert zurück und beobachte dennoch weiter sorgenvoll seine tastenden Versuche, die beste Foto-Position zu finden. Ohne Unfall kriegt Heinz die Bilder in den Kasten, dann aber steht der Rückweg an. Und der ist, wie meist, deutlich schwieriger zu bewältigen, als der Aufstieg. Wie gebannt verfolge ich jeden seiner Schritte, das davonrutschende Geröll, höre die polternden Steine und wünsche mir schließlich nur noch, dass er endlich heil unten ankommen möge. Was er auch tut – verschwitzt, verstaubt und am Stück – Gott sei Dank. Doch darüber bin nicht nur ich froh, auch Heinz gibt zu, dass dies eine doch etwas gewagte Aktion gewesen war, die er ziemlich unterschätzt hatte. Na, welch Einsicht! Hoffentlich ist die auch nachhaltig, denn Heinz tendiert immer wieder gerne zu derart riskanten Ausflügen, die mir die Haare zu Berge stehen lassen…
Ploceus velatus
Bulbe der Boophane
Blattschopf der Boophane
Aber jetzt ist er ja wieder da und putzt sich den Staub vom nach wie vor unversehrten Körper. Also Schwamm drüber, Brot in die Glut, Abendessen zubereiten und einen idyllischen Abend am Naukluft verbringen – und sonst nichts anderes!
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Hallo! Namibia sieht sehr malerisch aus, die Bilder sind fantastisch. Vielen Dank für das Teilen.