Die ersten Sonnenstrahlen lugen noch nicht über den Pfannenrand, als wir schon aus den Zelten krabbeln. Heinz und mich empfängt beim Öffnen des Reißverschlusses eine grüne Dusche rieselnden Raupenkots, die Boscia ist nunmehr völlig kahl, die Raupen sind verschwunden. Das war gründliche Arbeit! Auch wir haben heute ein bisschen Arbeit vor uns, nämlich die zweite, 104 Kilometer lange Etappe des Wilderness Trails – es verspricht, zumindest fahrtechnisch, ein interessanter Tag zu werden, denn auf dem letzten Drittel der Strecke werden wir ein Gebiet relativ hoher Dünen durchqueren. Zunächst aber stärken wir uns mit einem üppigen Frühstück, packen und winken hinüber zu unseren Nachbarn, die gerade schlaftrunken ein Feuer entfachen. Unser erster Weg führt hinauf zum Pfannenwall, zu den Elands, aber diese sind über Nacht wohl weitergezogen. So unterziehen wir kurz darauf die Tridentea, die ihre Blüten leider noch immer nicht geöffnet hat, einer erneuten Inspektion. Bedauernd blickt Heinz auf die Knospen und am liebsten würde er hier bleiben, bis sich die nach Aas riechenden Blüten endlich entfalten. Das könnte zwar tatsächlich noch heute passieren, aber so viel Zeit haben wir nicht – es hilft nichts, wir müssen weiter.
Auf der anderen Seite der Pfanne kämpfen wir uns über einen steilen, sandigen Anstieg nach oben, auf dessen Kuppe Annette einen ganz frischen Pfotenabdruck erspäht: Leopard! Richtig, erinnert sich Jochen, die Putz-Truppe hatte gestern Abend erwähnt, dass einer in der Nähe unterwegs sei… Natürlich läßt sich die Katze selbst nicht blicken, obwohl es hier so schöne Postkarten-Bäume gäbe, wie geschaffen für das Verdauungsnickerchen eines Leoparden. Eigentlich schade, aber auch kein Beinbruch, denn auf den folgenden Kilometern beschenkt uns die Kalahari reichlich mit blühenden Pflanzen, schüttet geradezu ein florales Füllhorn über uns aus. Alle naslang entdecken wir etwas Neues, Unbekanntes, halten an, bewundern, fotografieren, bestimmen. Es ist unfassbar, was so ein bisschen Regen dem trockenen Sand entlocken kann! Da gibt es winzige Büschel rosmarinartiger Blätter mit noch winzigeren, rosafarbenen Blüten (Raphionacme sp.), fragile, fünfarmige Sternchen in hellem Dottergelb (Jamesbrittenia integerrima), pinke Glockenkelche mit burgunderfarbenem Grund (Sesamum triphyllum; Thunderbolt Flower), hellviolette Mini-Astern (Senecio eeni), distelartige, weißbeblütete Kugeln, die sich an fast nackten Stängeln in Etagen hochpüscheln (Acrotome inflata), gelbe, fettglänzende Fächer mit kecken lila Bärtchen (Cleome angustifolia; Yellow Mouse Whiskers) und noch unzählige andere Blühpflanzen, bei denen sogar der van Rooyen an den Grenzen seiner Funktion als Bestimmungsbibel angekommt.
Hin und wieder dekorieren auch Oryxe und Springböcke das Blütenmeer, aber der Wildbestand hat sich aufgrund der Üppigkeit der Vegetation so zerstreut, dass er, im Vergleich zur Flora, eher marginal erscheint. Das ist ein Tag so recht nach meinem Geschmack – und nicht nur nach meinem – doch unsere zahlreichen botanischen Stopps erfreuen nicht alle Mitglieder unserer Truppe gleichermaßen. Unsere Leidenschaft allerdings scheint doch ein bisschen ansteckend zu sein – als wir gerade wieder auf allen Vieren durch den Sand kriechen und einer Indigofera-Flavicans-Blüte ins Allerheiligste spähen, sagt Sven etwas, was mich ungemein freut: „Wisst ihr, ihr mit eurem Pflanzenkram habt es echt geschafft. Ich dachte ja eigentlich, dass mit der Kalahari der langweilige Teil der Reise beginnt, aber das ist gar nicht so. Und mittlerweile steige ich sogar für das eine oder andere Blümelein gerne aus.“ Trotzdem reduzieren wir unsere häufigen Floral-Exkursionen etwas, halten nur noch, wenn die Sichtung wirklich etwas „hergibt“.
Wie zum Beispiel die Oryxherde, die da ein paar Meter unter uns in der Mitte einer Pfanne steht. Der Boden scheint knochentrocken, aber mit gezieltem Scharren ihrer Hufe haben die Antilopen ein paar Stellen freigelegt, an deren Feuchtigkeits- und Mineraliengehalt sie sich jetzt gütlich tun. Erschreckt starren sie zu uns hoch, können sich jedoch nicht entscheiden, ob sie nun fliehen oder bleiben sollen. Ein paar Springböcke am Pfannenrand hingegen wissen genau, was zu tun ist, nehmen ihre Hufe unter den Arm und geben Fersengeld. Das wiederum löst nun auch bei den Oryxen den Fluchtreflex aus und, schwupp, ist die Pfanne so leer, als wäre noch nie ein Tier hiergewesen. Heinz hatte die Spießböcke nur eines kurzen Blickes gewürdigt und ist, als wir wieder einsteigen wollen, schon seit Minuten in der Botanik verschwunden. Wir finden ihn, bis zu den Ellbogen in einem halbsukkulenten Busch steckend, nur seine Beine und sein Hintern sind zu sehen – und amüsieren uns köstlich. „Mensch,“, sagt Annette und grinst, „da hast fei einen extrem Netten an Land gezogen!“ Das weiß ich sehr wohl, doch diese von Herzen kommende Bemerkung freut mich trotzdem ganz fürchterlich! Jetzt aber gilt es, meinen „an Land gezogenen“ Süßen aus dem Busch zu ziehen, damit wir unseren Weg fortsetzen können…
Auf den folgenden Kilometern verändert sich die Landschaft deutlich, die pfannendurchsetzten Ebenen gehen schön langsam in sanfte Dünenwellen über, deren weite Täler gewisse Ähnlichkeit mit einem Golfplatz haben. Grüne Flächen niedriger Gräser, durchsetzt von den gelben Blüten der Wüstenprimeln muten nahezu unwirklich an. Wie hingemalt steht ein einsamer Springbock inmitten dieser Zauberlandschaft, ein Straußenpärchen verschwindet anmutigen Laufes hinter dem nächsten Dünenkamm, zahlreiche Greifvögel sehen auf uns herab und wir sind hingerissen. Erst recht – auch die Flora hat sich komplett verändert – als wir am Wegesrand ein weiteres Amaryllis-Gewächs entdecken. Wie lange, perlmuttglänzende Finger schimmern die rosa Blütenknospen der anmutigen Lilie (Crinum foetidum) aus dem rötlichen Sand. Wir machen einen letzten, andächtigen Halt bei dieser Wüstenschönheit, bevor die jetzt allmählich höher werdenden Dünen unsere Aufmerksamkeit voll und ganz in Anspruch nehmen. Immer wieder geht es nun langgezogene Steigungen hinauf, die teilweise so tiefsandig sind, dass wir mehrere Anläufe benötigen, um uns mit den schweren Autos ganz nach oben zu kämpfen. Und mehrmals führt die Fahrspur auf der anderen Seite der Sandwälle derart steil ins nächste Tal hinab, dass wir langsam verstehen, warum man den Wilderness Trail nur in diese eine Richtung befahren darf; was wohl eher eine Frage des Könnens als des Dürfens ist. Kilometer um Kilometer ackern, wogen wir über die sandigen Wellen und alle Beteiligten haben großen Spaß an diesem abwechslungsreichen Auf und Ab. Der allerdings findet ein abruptes Ende, als plötzlich Dieselgeruch die Luft durchzieht, eine schmierige Substanz auf unsere aus dem Fenster hängenden Arme tropft: unser zweiter Reservekanister hat unter dem ewigen Geschunkel und Geschubber den Geist aufgegeben und sein Inhalt flutet in altbekannter Manier das Dach unseres grünen Wagens. Was für ’ne Scheiße! Fluchend zerren wir unsere letzten Klopapier- und Küchenrollenreserven aus den Tiefen des Autos hervor und versuchen, die Sauerei so schnell wie möglich in den Griff zu bekommen.
Eine halbe Stunde kostet uns dieser Unfall, nach den Aufräumarbeiten riechen und kleben wir wie Bohrinselarbeiter und die vormals gute Stimmung ist merklich in den Keller gesunken. Offenbar hat unsere Gruppe, zumindest partiell, erneut die Grenzen ihrer Belastbarkeit und Geduld erreicht. Das ist schade, denn kaum sind wir wieder unterwegs, erspähen wir etwas ganz Besonderes: die in beginnender Blüte stehende Knolle einer geradezu bilderbuchhaften Fächerlilie (Boophane disticha; Bushman’s Poison Bulb). Ihrer beeindruckend großen Bulbe entspringt ein mehr als daumendicker Stängel, gefärbt in unterschiedlichen Rot-, Gelb- und Grünverläufen, gekrönt von einer Handvoll gerade knospender rötlich-pinker Blüten. Seitlich neben dem Stängel fächern sich die randkräuseligen, rosa gesäumten Blätter in typischer Form aus der Knolle. Die Pflanze ist wunderschön, eine wahre Augenweide und man sieht ihr nicht an, welch tödliche Inhaltsstoffe sie in sich birgt. Ihr Cocktail aus Alkaloiden (Buphandrin, Buphanin, Crinamidin u. a.) und weiteren chemischen Substanzen findet, oder sage ich besser „fand“, bei den San mannigfaltige Verwendung: nämlich als Pfeilgift, Halluzinogen oder auch Schmerzmittel, je nach Dosierung. Ich möchte allerdings nicht wissen, wie viele Heilkundige und Patienten gleichermaßen ihr Leben bei diesen Dosierungsversuchen verloren haben, da der Giftgehalt der Pflanze je nach Standort variiert und zudem noch jahreszeitenabhängig ist…
Wir freuen uns sehr über diese Entdeckung, aber, um die Stimmung nicht weiter über die Maßen zu strapazieren, gestalten wir unseren Aufenthalt recht kurz und sehen zu, so bald wie möglich unser heutiges Tagesziel zu erreichen, das Nossob Rest Camp. Wir befinden uns bereits auf der Zielgeraden, als uns erneut etwas aufhält, was das Interesse aller erweckt. Seit einigen Kilometern wird unser Weg durch die auslaufenden Dünen nun bereits von niedrigen Kameldornbäumen gesäumt, in deren Geäst unübersehbar große Raupen hausen. Bei einer dieser Akazien, die direkt neben der Fahrspur steht, stoppen wir, um die Tiere aus nächster Nähe in Augenschein zu nehmen. Um die 20 Zentimeter lang sind diese beeindruckenden Raupen, deren Körper von langen Büscheln weißer, dunkelbrauner und oranger Haare geschmückt werden. Sie reagieren äußerst aggressiv und schnellen blitzartig mit dem ersten Drittel ihres Körpers nach vorne, wenn man sie (mit einem Grashalm) berührt. Teilweise haben sich die fingerdicken, haarigen Schönheiten auch schon in Kokons eingesponnen, die wie übergroße, gelblich-pelzige Schoten im Geäst prangen. Keines unserer Bestimmungsbücher kann uns über die Identität der Raupen aufklären, erst Wochen später werde ich zuhause im Internet fündig. Es handelt sich um die Kinderstube der Afrikanischen Seidenmotte (Gonometa postica), deren Kokongebilde aufgedröselterweise sogar kommerziell genutzt werden. Aus der gewonnenen Seide lassen sich wunderschöne Textilien mit ganz eigenem Charakter herstellen. Des einen Freud, des anderen Leid – bei Rinderfarmern ist die Motte beziehungsweise deren Kokons weit weniger beliebt: Kameldornakazien tragen Schoten, die gerne von Rindern gefressen werden; fallen nun Schoten und Kokons zu gleicher Zeit vom Baum, werden beide von den Rindern unterschiedslos verzehrt. Leider aber ist Seide unverdaulich, bildet im Pansen der Tiere steinharte Klumpen und wird das Gebilde zu groß, dann verhungern die Rinder qualvoll, weil im Magen kein Platz mehr für Nahrung ist. Dieser bedauerliche Umstand kostet jährlich hunderten von Rindern und auch Wildtieren das Leben.
Wir verabschieden uns von den hübschen Monstern und ihren tödlichen Puppen-Stuben, dem Albtraum aller Rinderfarmer, und erreichen kurz darauf das Ende des Wilderness Trails. Von einem Meter auf den anderen endet die Sandspur und zweigt auf eine perfekt gegravelte Fast-Autobahn ab, die uns rasch zum Rest Camp führt. Und das ist jetzt beinahe ein Albtraum für mich: ein umzäuntes Camp, dessen Tor stets geschlossen zu halten ist, um ein „schwerwiegendes Schakal-Problem“ draußen zu halten, wie uns ein Schild informiert. Das Camp selbst besteht aus einem Office nebst Ausstellungsraum, einem Shop, mehreren Bungalows vom Charme landwirtschaftlicher Geräteschuppen und einer staubigen Campsite mit mehr oder weniger kleinen Stellplätzen. Die größeren, schattigeren sind bereits alle besetzt, so dass wir uns mit einem sonnendurchglühten, engen Rechteck begnügen müssen. Für mich ist das alles ein regelrechter Zivilisationsschock, Heinz hingegen nimmt das Ganze wie immer sehr gelassen. Wir laden unseren Krempel aus den Autos, natürlich unter aufmerksamer Beobachtung der anderen Camper, und genehmigen uns erst mal einen „Shock Downer“, bevor wir unsere Zelte errichten – Wand an Wand, wie kuschelig! Zur Ablenkung sehe ich mich danach ein bisschen auf dem Platz um, vielleicht gibt es ja doch ein Stückchen Natur zu entdecken.
Da hinten zum Beispiel, beim Zaun, sausen ein paar Borstenhörnchen herum, die durch die Dauerpräsenz der Menschen sehr zutraulich geworden sind. Einer der putzigen Nager, mit einer Zecke im Augenwinkel, entzieht sich hartnäckig meinen Fotoattacken, indem er immer wieder an meinem Objektiv herumknuspert. Nur kurz wird er durch eine nicht minder zutrauliche Fuchsmanguste abgelenkt und peng, ist ein sagenhaftes Bild im Kasten – ein „echtes“ Wildlife-Foto, aber trotzdem schön. In der Astgabel eines Baumes nimmt ein Karasburg Tree Skink (Trachylepis sparsa) ein gemütliches Sonnenbad. Er knabbert zwar nicht an meinem Objektiv, läßt mich aber auch ganz nahe an sich heran. Wie ein schimmernd-glitzernder Disco-Anzug kleiden ihn seine Schuppen, er züngelt nervös und hat sein linkes Vorderbein am Körper angelegt. Eine Gonometa-Raupe kriecht ein paar Zentimeter neben der Echse den Stamm nach oben und wird dabei abschätzend von einem Drongo beäugt. Na, es geht doch! Halbweg besänftigt beschließe ich, nun mal die Annehmlichkeiten zivilisatorischer Art in Anspruch zu nehmen und marschiere mit Duschzeug, frischen Klamotten und den schmutzigen, die ich für den Heimflug brauche, Richtung Waschhaus. Da die Duschen, wie schön, alle besetzt sind, widme ich mich zuerst der Wäsche – meiner geliebten roten Fleecejacke, einem Paar Socken und einem T-Shirt.
Wie bei allen afrikanischen Waschbecken gibt es auch hier keine Stöpsel, aber mit einer Socke ist der Abfluß rasch wassersparend abgedichtet. Zehn Minuten ungefähr brauche ich, bis meine Wäschestücke wieder so weitestgehend salonfähig sind, zehn Minuten, in denen das Wasser der duschenden Damen ununterbrochen rauscht. Derart gedankenloser Umgang mit dem kostbaren Element macht mich auch zuhause, wo wir ja alles in scheinbarem Überfluss haben, sehr zornig, aber hier, in diesen Breiten, treibt es mich schier zur Weißglut. Endlich wogt eine der hirnlosen Verschwenderinnen mit einem wohligen „Ahh!“ aus ihrer Duschkabine, ich werfe ihr einen strafenden Blick zu, den sie sicher nicht versteht und nehme ihren Platz ein. Nachdem ich den reichlich zerfledderten Heftpflaster-Verband von meinem Zeh gepult habe, spüle ich mir Schweiß und Staub der vergangenen Tage vom Körper und aus meinen Haaren. Ein Genuß ist das nicht wirklich, denn das Wasser ist extrem natron-oder-sonstwas-haltig und fühlt sich total schmierig an, aber es erfüllt seinen Zweck und ich bin wieder „clean“. Nun inspiziere ich meinen Zeh, der eigentlich ganz okay aussieht – nur der Nagel steht etwas unmotiviert in der Gegend herum. Leider hängt er noch zum Teil im Bett, zu fest, um ihn ganz und unblutig entfernen zu können. Ich schneide ihn deshalb nur so kurz wie möglich und klebe reichlich Pflaster herum, bevor ich wieder zu unserem Lager zurückkehre.
Dort sind schon Vorbereitungsarbeiten für das Abendessen im Gange, der nicht beteiligte Rest der Truppe läßt es sich bei einem Bierchen gut gehen. Ich schnappe mir ebenfalls eine Dose und genieße den hereinbrechenden Abend, indem ich zur Abwechslung mal Menschen beobachte. Ganz in unserer Nähe residieren ungefähr acht recht gewichtige Männer, die von einem Ausrüstungswahnsinn umgeben sind, als wären sie zu achtigst. Gerade haben sie ein völlig überdimensioniertes Grillfeuer entfacht, mit Bierflaschen bewaffnet umstehen sie dieses nun kreisförmig und ihre Bierwampen heben sich plastisch gegen die lodernden Flammen ab. Markige Sprüche auf Afrikaans und brüllendes Gelächter schallen durch die Luft. Ein Blick auf ihre Autokennzeichen bestätigt meine Vermutung – Südafrikaner. Und einen „Neger“ haben sie auch dabei. Allerdings ist der nicht schwarz, sondern weiß, ungefähr einen Kopf kleiner als all die anderen und wiegt auch nur halb so viel. Zur Strafe für diese „Mängel“ darf er die ganze Arbeit tun, die Gwamperten bedienen, Holz herbeischleppen, leere Flaschen entsorgen. Eine Pavianhorde könnte auch nicht amüsanter sein…
Unser Abendessen ist mittlerweile fertig gegart, wir decken den Tisch und lassen es uns schmecken. Gemeinsam, in Ermangelung eines gruppeneigenen „Negers“, spülen wir danach das schmutzige Geschirr, als plötzlich helle Aufregung durch das Camp brandet. Eine Löwin ist Ursache des Aufruhrs; gemächlichen Schrittes umrundet sie das Rest Camp – außerhalb des Zauns – und eine Traube von mit Taschenlampen bewaffneter Menschen folgt ihr – natürlich innerhalb des Zauns. Mit der gewissen Überheblichkeit, geboren aus den Buscherfahrungen der letzten Tage und Jahre, lassen wir die Löwin Löwin sein und bringen entspannt unseren Abwasch zu Ende. Allerdings sind wir nicht überheblich genug, nicht doch eine Weile später das campeigene, beleuchtete Wasserloch zu besuchen, wenngleich es sich auch etwas seltsam anfühlt, einen mehrfach gesicherten, palisadengesäumten Gang zu durchschreiten, um schließlich auf einer Holzbank zu sitzen und von dort das Treiben an der Wasserstelle wie im Fernsehgerät zu beobachten. Die Zaunlöwin taucht Minuten später im Lichtkegel des Scheinwerfers auf, ein paar Schakale wuseln herum, eine Schabrackenhyäne läßt sich blicken – ein Tier, das man wirklich selten zu Gesicht bekommt. Die wuschelige Hyäne schleicht zum betonierten Becken, schickt sich an, ihren Durst zu stillen, wird aber permanent von einem besonders vorwitzigen Schakal gepiesackt. Er beißt sie in den Schwanz, zieht an ihrem Fell und kneift sie in die Hinterbeine; ihre Abwehr ist lasch, fast ängstlich – und tatsächlich läßt sie sich nach ein paar Minuten von dem viel kleineren Plagegeist vertreiben. In Gedanken leiste ich dem menschengeschaffenen Wasserloch Abbitte, denn dieses Erlebnis ist ein besonderes, eines, das einem in freier Wildbahn nur unter glücklichsten Umständen zuteil wird. Danke, du Nossob-Wasserloch! Über uns, im Gebälk der Beobachtungstribüne, wird übrigens schon die ganze Zeit schadenfroh gelacht. „Hehehehe!“, schallt es aus allen Richtungen. Doch trotz aller Anstrengungen können wir auch heute abend die Verursacher nicht ausmachen. Das hämische Gekichere der unsichtbaren Wesen begleitet uns zurück zum Lager, müde sinken wir in unsere Schlafsäcke und lassen uns von Schakalen in den Schlaf heulen.
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