19. April 2011, Zelda Guestfarm > Windhoek, Monteiro Camp

Der neue Morgen empfängt uns schon wieder mit Nieselregen, das Dach unseres Gartenhäuschens leckt mittlerweile und die Sitzpolster der campeigenen Stühle sind so durchnässt, dass wir uns genötigt sehen, das Frühstück anderswo einzunehmen. Mit allem Nötigen bepackt, ziehen wir unter den Vorbau des Sanitärgebäudes, wo es leidlich regengeschützt ist. Dort verzehren wir rasch unser Morgenmahl, bevor wir uns an die unangenehme Aufgabe machen, die vollgesogenen Zelte abzubauen. Schwer nur wollen sie in ihre Packsäcke rutschen, wiegen gefühlte Zentner und sind deshalb auch nur mit Mühe aufs Autodach zu hieven. Doch schließlich ist alles verstaut und wir treten unsere letzte Etappe Richtung Windhoek an. Wechselvolles Wetter begleitet uns, doch je weiter wir nach Süden vordringen, desto sonniger wird es. Zwar dräuen hier und da noch dunkle Wolken, aber sie regnen nicht ab – zumindest nicht direkt über uns. Gen Mittag bereits erreichen wir trockenen Reifens Namibias Hauptstadt und steuern nach deren Durchquerung direkten Weges sofort den Schnitzermarkt beim Eros Airport an. Dort hatte ich vor zwei Jahren mein 10-Kilogramm-Lieblings-Nilpferd Jacob erworben. Nun hoffe ich natürlich erneut auf „fette“ Souvenir-Beute – nicht nur, weil ich ja noch Heinz’ Geschenkversprechen offen habe, sondern auch aufgrund unerklärlicher, urzeitlicher Jäger- und Sammlertriebe. Kein Urlaub ohne Andenken. Das schaffe ich einfach nicht.

Doch bereits als der Markt in unser Sichtfeld rückt, schwinden meine Hoffnungen: nur ganz wenige Verkaufsstände haben geöffnet, die meisten hingegen sind mit Kunststoffplanen abgedeckt, in deren Vertiefungen riesige Pfützen stehen. Hier hat es offenbar recht ausgiebig geregnet und man hat die Schnitzereien so gegen die Nässe geschützt. Mhm, das sieht nun nicht gerade nach dem ultimativen Souvenir-Shoppingvergnügen aus. Denke ich zunächst. Als wir aber unser Auto auf dem Markt parken, schießen plötzlich aus allen Ecken und Winkeln begeisterte Verkäufer hervor, decken bereitwillig ihre Kostbarkeiten für uns auf und wir schlendern genussvoll, begleitet von lauten Grüßen und einzigartigen Preisversprechen, zwischen den Verkaufsständen umher.

Hololo…
und seine Gattin Fauziah
Heinz’ Szepter
Schakalmann

Bereits beim ersten Rundgang entdecken wir einige hölzerne Zuckerl, die durchaus Chancen hätten, eine neue Heimat in unseren deutschen Wohnzimmern zu finden. Doch natürlich lassen wir uns unser Interesse nicht anmerken, sondern verschaffen uns zunächst einen Gesamt-Überblick, nehmen das ein oder andere, auch nicht so verlockende Stück in die Hand, winken ab, spazieren weiter. Nach der zweiten Runde jedoch haben wir unsere Entscheidungen getroffen und steigen gut vorbereitet in den Ring der Preisverhandlungen. Heinz hat es auf zwei Masken und ein Szepter abgesehen, mein Begehr gilt einem roh geschnitzten Elefanten und einem liegenden Löwen, der gewisse Ähnlichkeit mit seinen Kollegen im bayerischen Staatswappen hat – nach genetischer Verschmelzung mit einer Sphinx. Sofort preist mein Verkäufer seine Stücke in den höchsten Tönen an. Ach, nein, meine ich und heuchle Desinteresse, der Löwe sei ja wohl etwas dünn geraten und der Elefant sähe leider von hinten besser aus, als von vorne. Dass mir aber genau diese beiden „Minus-Punkte“ positiv ins Auge stechen, verschweige ich tunlichst und bekomme deshalb zahlreiche andere Viecher, dickere Löwen und „hübschere“ Elefanten, präsentiert. Mhm, nee, danke. „But I make you good price, Madam!“ Ich lasse mir pro forma den Preis für zwei stattliche, hochglanzpolierte (in meinen Augen hässliche) Tiere nennen, winke dann aber dankend ab – es wäre zu teuer – und spaziere zu Heinz und seinen Masken hinüber. Auch Schneck plagt sich mit überhöhten Preisen ab. Da komme ich gerade recht: als gestrenge Gattin, die keine Geldverschwendung duldet. Voll des Mitgefühls für den armen, unterdrückten Heinz, geht sein Händler gleich um zwanzig Prozent runter, doch ich, der Zerberus, schüttle weiter hartnäckig den Kopf. Mittlerweile ist mir jedoch mein Schnitzer mit seinen Werken, die ich gar nicht haben will, gefolgt und macht ein erheblich reduziertes Angebot. Ich tue, als geriete ich in Versuchung, doch diesmal spielt Heinz die dominante Sparnase und lehnt empört ab. Mein Verkäufer dreht enttäuscht um, wir folgen ihm, lassen Masken und Szepter links liegen und ich zeige Schneck die Stücke, die ich wirklich erwerben möchte. Sofort wird mir, meinen Blicken folgend, ein Preis genannt, natürlich erneut viel zu teuer. Doch ich führe jetzt einfach meine, im vorangegangenen Strategiespiel erworbenen Argumente ins Feld: es könne doch nicht sein, dass die abgemagerte Katze kaum weniger kosten würde als die eben angepriesene Stattlich-Wohlgenährte und der Preis des roh geschnitzten, hässlichen Dickhäuters beinahe dem des hochglanzpolierten hübschen Exemplars entspräche. Nach kurzem Nachdenken muss sich mein Souvenir-Dealer dieser überaus logischen Gedankenkette leider ergeben und senkt den Preis deutlich. Noch ein bisschen Tauziehen, ein bisschen Hin, ein wenig Her, und wir einigen uns auf einem höchst akzeptablen Niveau. Ein besiegelnder Handschlag, der Deal ist perfekt, wir grinsen und alle Beteiligten sind zufrieden. Alle – bis auf Heinz und seinen Verkäufer. Doch Letzteren nehmen wir nun nach dem selben Prinzip in die Zange und eine Viertelstunde später ist auch er so weit: für einen Bruchteil der ursprünglich geforderten Summe wechseln drei Schnitzwerke den Besitzer; niemand fühlt sich über den Tisch gezogen, niemand übervorteilt oder gar abgezockt. So soll es sein!

Popo Morijo
Löwe mit Sphinx-Allüren
Klein Lurchi

Herzlich verabschieden wir uns nach den erfolgreichen Transaktionen von unseren Andenken-Providern, stapeln die Beute beseelt lächelnd ins Auto und fahren Richtung Süden, wo wir unser Lager, wie auch schon am Beginn der Tour, in Monteiro aufschlagen. Dann machen wir uns fein, soweit das mit den staubigen Miefeklamotten eben möglich ist, klettern erneut in das leergeräumte Auto, um abermals zurück nach Windhoek City zu düsen. Dort stellen wir den Wagen auf einem bewachten Parkplatz in der Independence Ave ab und schlendern danach gemütlich über die angrenzende Post Street Mall. Viel Zeit zum Bummeln bleibt uns allerdings nicht, denn diesbezüglich ist Windhoek ein Dorf, in dem die Bürgersteige früh hochgeklappt werden und die Geschäfte ebenso zeitig schließen. Doch es reicht noch, um ein paar vermeintlich stylishe Kleidungsstücke in einem Modehaus anzuprobieren, die sich aber als seltsam geschnitten und sehr unvorteilhaft erweisen. Es reicht sogar noch, um einige Souvenir-Etablissements abzuklappern, dann aber, um 18 Uhr, ist Schicht im Schacht, alle Läden machen zu. So also spazieren wir Richtung „The Gourmet“, der ehemaligen Kaiserkrone, unserem Lieblings-Fresstempel, wo wir unser Abschiedsdinner einzunehmen gedenken. Doch neben dem Eingang zum Restaurant bleiben wir kleben – hier nämlich befindet sich ein Antiquariat und es hat noch geöffnet. Herrlich! Ein winziger Laden, bis unter die Decke vollgestopft mit unzähligen Büchern; Prosa, Poesie, Bildbände, Fachliteratur über alle möglichen Themen, in allen möglichen Sprachen – ein wahres Paradies! Und ein deutschsprachiger Buchhändler steht uns obendrein mit Rat und Tat zur Seite. Klar, dass sich unsere Essensaufnahme in diesem Falle hintenan stellen muss. Nach einer vergnüglichen, sehr informativen Stunde jedoch, möchte dann auch der Bücheronkel in seinen wohlverdienten Feierabend gehen und komplimentiert uns freundlich, aber bestimmt hinaus.

Vor Windhoek
Der “China”-Zaun
Sprachengemisch

Schwer bepackt verlassen wir das göttliche Ladenlokal, um zehn Meter weiter das Esslokal zu stürmen. Nach einem prüfenden Blick gen Himmel lassen wir uns beruhigt auf der überdachten Terrasse des Gourmet nieder – der letzte Abend sollte schon standesgemäß „open air“ zelebriert werden, meinen wir – und ordern aus dem reichhaltigen Angebot ein paar mundwässernde Köstlichkeiten. Doch plötzlich, das Straußencarpaccio steht noch nicht auf dem Tisch, umwehen uns heftige Böen, das letzte Abendlicht weicht nachtfinsterer Dunkelheit, keine zwei Minuten später sitzen wir alleine auf der Terrasse und Sekunden danach bricht ein ohrenbetäubendes Gewitter los. Holla die Waldfee! Die besorgte Bedienung, die gerade unsere Vorspeisen servieren wollte, legt uns einen Sitzplatz im Inneren des Restaurants ans Herz, doch als wir diesen verschmähen, bringt sie uns zusätzlich zum Carpaccio eben noch vier Wolldecken, die uns vor der unter das Vordach stiebenden Regengischt schützen und gleichzeitig wärmen sollen – die Aussentemperatur nämlich ist schlagartig rapide gesunken. Wie die armen Sünder in unsere Decken eingemümmelt, genießen wir dennoch in vollen Zügen unser exquisites Entrée; als die Hauptgerichte folgen, ist das Schlimmste vorüber und wir können, mit locker übergeworfenen Plaids, die Grillteller wohlig degouttieren, den Abend trocken und kuschelig ausklingen lassen. Mit vollen Bäuchen, glücklich und zufrieden, begleichen wir schließlich gegen 22 Uhr unsere Zeche, sausen durch den immer noch strömenden Regen zum Parkplatz, entlohnen den mittlerweile nur noch auf unseren Wagen aufpassenden Parkwächter und machen uns auf den Weg nach Monteiro. Diese etwa fünfzehn Kilometer sind in der Regel problemlos zu fahren, doch bei solchen Witterungsverhältnissen kommt der sogenannte Defender-Faktor etwas erschwerend hinzu – Lüftung, Scheibenwischer, all der Schlechtwetter-Komfort ist bei diesem Fahrzeugtyp deutlich unterentwickelt, sodass wir uns mehr schlecht als recht, mehr tastend als sehend, mehr schwimmend als fahrend Richtung Auas-Berge bewegen, mit immer noch beschlagenen Scheiben auf unseren abschüssigen Stellplatz hinabmanövrieren und endlich dankbar und müde in unsere (noch) trockenen Zelte sinken.

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