03. Juli – Ihaha > Livingstone
Die Natur erwacht, wir auch. Noch ein bisschen verschlafen dackle ich zum nahen Ablutionblock, grüße hier und da nickend einen anderen Camper. Morgens neige ich dazu, etwas wortkarg zu sein, aber als ich vor dem Waschhaus stehe, käme in keinem Fall auch nur ein Wort über meine Lippen: Überall grasen Büffel, hinter dem Waschhaus, rechts und links daneben und ich mittendrin, mit meinem Waschtäschchen unter dem Arm. Wie ferngesteuert fummle ich meine Zahnbürste nebst Creme aus dem Necessaire und führe mir beides zum Munde. Zähneputzen unter Büffeln, die einen friedlich umgeben – wow! Irgendwann sind meine Zähne blank wie nie zuvor oder danach in diesem Urlaub, aber meine Blase nötigt mich, doch endlich das Waschhaus aufzusuchen. Ein seliges Pinkeln, Händewaschen, immer noch die Zahnbürste im Mund. Den Schaum spucke ich dann doch noch am Waschbecken aus, bevor ich wieder raus gehe. Und sie sind immer noch da! Immer wieder sehe ich mich auf dem Rückweg um, freue mich so sehr über die Tiere und ihre Nähe. Seltsam, würde ein Mensch in einer Büffelherde auftauchen, zähneputzend, die da im Bush steht; Panik würde ausbrechen, zumindest auf einer Seite! Aber hier haben sich die Tiere wohl wissentlich bei uns Menschen eingefunden und alles ist so friedvoll, so panik- und angstfrei, wenn auch mit gebührender Vorsicht zu genießen! Wunderschön!
Mit den Büffeln im Rücken frühstücken wir ohne Eile, bevor wir unser Zeug wieder packen, im Auto verstauen und Richtung Gate aufbrechen. Gen Mittag müssen wir den Park verlassen, eigentlich genug Zeit, einen gemächlichen Morning Drive zu machen. Aber es ist wie immer: es gibt zu viel zu sehen! Im Prinzip die Tierpalette von gestern, nur in anderem Licht und nicht nur deswegen mal wieder spannend. In letzter Minute schaffen wir es, Chobe NP offiziell zu verlassen und düsen zurück nach Kasane. Jetzt sind die richtig dicken Versorgungs-Aktivitäten fällig. Supermarkt, Tanken, Gas auffüllen, Bank. Klingt einfach, ist aber in jedem einzelnen Falle mehr oder weniger zeitraubend. Im Supermarkt, egal welchem, geht es zu wie Hölle, an der Tankstelle muss nicht nur Diesel in den normalen Tank, sondern auch in die Kanister auf dem Dach, die Gastanke erfragen wir zwar, müssen dann aber feststellen, dass sie Out-of-Gas ist. Die Bank ist eine afrikanische; es ist immer jemand vor dir, der gerade derart „komplizierte“ Transaktionen zu tätigen hat, dass der Schalterbeamte sich quasi in die Rente telefoniert oder die Schlange am ATM so lange, dass du deinen eigenen Ruhestand dort abwarten kannst. Doch irgendwann ist alles, bis auf’s Gas, soweit erledigt und wir reisen aus. Problemlos wird uns ein Stempelchen in den Pass gedrückt, wir rauschen vorbei an den Lkw-Schlangen, die sich vor Kazungula-Ferry stauen und, ohne richtig bremsen zu müssen, drauf auf die Fähre. Schon letztes Jahr hatten wir hier echt Glück und kaum Wartezeit, heuer wird gleich nach uns die Landebrücke hochgeklappt; die aufdringlichen Immigration-Helfer für Sambia, die uns gerne ihre Dienste angeboten hätten, können so schnell gar nicht schauen.
Die Überfahrt geht rasch vonstatten, lässt aber genug Zeit, sich ein bisschen umzusehen. Viele der Zu-Fuß-Passagiere haben sich offensichtlich mit vergleichsweise günstigen botswanischen Waren eingedeckt. Das reicht von Lebensmitteln über Luxusgüter bis hin zu kanisterweise Treibstoff. Kein Wunder bei der 20%-igen Inflationsrate in Sambia; wie hoch die Teuerungen tatsächlich zu Buche schlagen, werden auch wir noch deutlich erleben. Nach ein paar Minuten ist die Sambesi-Überquerung Geschichte, die Fähre leert sich und wir ergeben uns den Einreiseformalitäten. Einen guten Teil haben Annette und Joachim schon vor Wochen hinter sich gebracht, eben alles, was das Auto anbelangt. Nun geht es um uns, die Personen. Unsere Gastgeber gehen zuerst zur Immigration, Jürg und ich bleiben als Wachen beim Auto zurück. Alsbald erscheint ein Police Officer, der uns dringend „anrät“, das Auto wo anders hinzustellen, ansonsten würden wir eine Strafe zahlen müssen. Wir wissen zwar nicht, warum das Auto von Chaos A nach Chaos B gestellt werden soll und was den Unterschied macht, noch weniger, wie wir das bewerkstelligen sollen, denn wir haben keinen Schlüssel. Doch Joachim, immer noch am Ende der Einwanderungsschlange, bekommt unseren offiziellen Besuch mit und eilt herbei. Der Landy steht nach dem Umparken fünf Meter weiter vorne, der Polizist scheint zufrieden.
Ewigkeiten vergehen, bis Annette und Joachim wieder zurückkommen, dann sind Jürg und ich dran. Bei uns geht es schneller, denn die aktuelle Fährladung ist abgearbeitet, die nächste Fähre noch nicht angekommen. Vom letzten Jahr hatte ich noch ein sambisches Immigration-Form, das ich der Schalterbeamtin nun vorlege. Auf meine Frage, ob das überhaupt noch gültig sei, lächelte sie mich an und meinte: Sie sind die erste seit Tagen, die so was ausfüllen kann, denn wir selbst haben keine Formulare mehr. Jürg sollte sich anstatt dessen in ein ausliegendes Buch eintragen. Wir reisen also mehr oder weniger form-los nach Sambia ein und können auch ein Fristen-Problem klären. Ein Visum wird von Haus aus nur für 30 Tage erteilt, wir aber sind für 32 Tage im Land und müssten somit eine Verlängerung erwirken. Die freundliche Grenzdame beleuchtet unseren Fall, konsultiert den Kalender und klärt uns dann auf: Unsere Visa gälten bis zum Freitag, den 1. August, müssten dann eigentlich verlängert werden. Da der nächstfolgende Tag aber ein Samstag, der übernächste gar ein Sonntag sei und kein Immigration-Office da geöffnet hätte, bestünde keine Notwendigkeit der Visa-Verlängerung. Vielmehr würde sie den 3. August ausdrücklich in unserem Pass vermerken und wir wären aller Sorgen frei. Annette und Joachim betreffend, die noch länger als wir in Sambia bleiben, erklärt sie uns ebenso haarklein, was wann warum zu tun wäre und entlässt uns, frisch gestempelt, mit einem guten Gefühl. So unkompliziert kann afrikanische Bürokratie eben auch sein!
Nun haben wir alle Hürden hinter uns, das denken wir wenigstens, und wollen den chaotischen Grenzposten verlassen. An der letzten Kontrolle aber möchte der diensthabende Officer gerne einen Beleg für die Road Safety Tax sehen. Den haben wir nicht, der wurde noch nie vorher verlangt, aber bevor wir aufgrund derartiger Argumentationen nachbezahlen müssen, beißt Joachim in den sauren Apfel, besorgt das Papier für schlappe 90 USD und wir dürfen so richtig einreisen. 60 geteerte Kilometer später laufen wir in der Livingstone Safari Lodge ein. Eigentlich wollten wir ja, wie letztes Jahr auch, auf dem Gelände der schön gelegenen Maramba Lodge campen. Jedoch finden dort seit Anfang 2008 nur noch Lodgegäste in fein renovierten Bungalows Aufnahme, schnödes Camperpack wie wir muss draußen bleiben. Schade das, doch die Livingstone Lodge bietet auch recht hübsche Stellplätze, sogar spezielle Private Sites mit eigenem Klo- und Duschhaus, wie wir eine haben. Allein eine Flussterrasse können sie uns, in Ermangelung jedweden Gewässers, nicht bieten. Wir richten uns auf unserer Luxus-Site häuslich ein, nutzen das komfortable Waschhaus gleichzeitig als Kühlgebäude für unsere zahlreichen Vorräte und eröffnen den Sambia-Part der Reise mit einem zünftigen Abend-Braai.
04. Juli – Besuch der Viktoriafälle
Heute wird ausgeschlafen! Na ja, um 7 Uhr sind wir auf den Beinen und zelebrieren ein reichhaltiges Frühstück, bevor wir zu den Vic Falls aufbrechen. Joachim bleibt im Camp, um Reisebericht zu schreiben und fast überlege ich es ihm gleich zu tun – schließlich hab ich die Fälle schon ein paar Mal gesehen. Doch nein, schreiben kann ich auch zuhause und die Fälle haben jedes Mal was Neues zu bieten. Also fahre ich mit.
Letztes Jahr sind wir pitschepatschenass geworden, denn der Wasserstand war extrem hoch. Heuer, nach den ergiebigen Regenfällen, erwarten wir noch mehr Wasser, machen einen auf Weichei und mieten uns jeder ein Regencape. Doch weit gefehlt! Schon am Rauschen ist zu hören, dass der Sambesi weniger Wasser führt als wir gedacht hatten. Man kann mindestens 200 m mehr von der Fallkante sehen, tiefer hinabblicken und somit auch mehr Fotos machen. Allerdings ist das Wetter recht diesig und die nur sporadisch erscheinende Sonne zeichnet kaum Kontraste zwischen Gischt und Himmel. Dafür können wir uns eingehender mit der faszinierenden Flora des Micro-Regenwaldes beschäftigen und sehen auch endlich mal, wie tief es unter der schmalen Brücke über die Seitenschlucht tatsächlich hinab geht.
Trotz fehlenden Regenbogens ist die ZIM-ZAM-Brücke nach wie vor sehr eindrucksvoll und wir können einen Bungee-Jump per Fernglas beobachten, sogar den sehr entfernten Schrei der Erregung beim Sprung hören. Plötzlich ertönt ein recht unmelodisches, lautes Krächzen in den Bäumen über uns. Durch das dichte Blätterdach erspähen wir 3 Trompeterhornvögel, die sich aufgeregt ankreischen. Hoch über unseren Köpfen erscheinen die 90 cm großen Vögel fast klein, aber ihre Lautstärke ist durchdringend. Die Sonne kommt raus und justament in diesem Augenblick postiert sich einer der Trumpeters so, dass man ihn in voller Pracht sehen und fotografieren kann. So haben wir wenigsten etwas, was wir Joachim mitbringen können, wenngleich er sich, alter Vogelfan der er ist, mächtig ärgern wird, die Tiere nicht live gesehen zu haben. Doch der schöne Moment ist nur von kurzer Dauer, die Sonne verschwindet wieder und mit ihr auch die Vögel in der Luft.
Wir umrunden die Fallkante und betrachten das Spektakel des tosenden Wassers noch eine Weile von hinten, freuen uns über den Regenbogen über der Schlucht und darüber, unsere schon arg schmutzigen Füße im Sambesiwasser baden zu können. Es hat etwas ungemein beruhigendes, so am Ufer zu sitzen, dem Plätschern und Rauschen des Wassers zu lauschen und die Gedanken mit dem Fluss auf Reise zu schicken. Derart relaxed wagen wir uns sogar, nach Verlassen des Nationalparks, noch auf den angrenzenden Souvenir-Markt, für den man echt starke Nerven braucht. Kein Schritt, ohne dass man angequatscht wird, kein interessierter Blick, für den man nicht „zur Strafe“ sofort ins Innere eines Geschäfts gezerrt werden möchte. Und wenn du Standbesitzer A erklärst, du willst nur schauen, versucht dessen Nachbar, obwohl er mitgehört hat, dich von der Unwiderstehlichkeit seiner Waren zu überzeugen. Ich lasse mich ganz gerne hin und wieder auf ein Schwätzchen ein, denn die Geschichten, die einem zu den einzelnen Souvenirs aufgetischt werden, sind oft recht phantasiereich. Faszinierend ist auch, wie viele Standbesitzer angeblich eine Schwester, Tante, Cousine oder Mutter meines Namens, Barbara, haben. Zum Spaß benenne ich mich in Sarah um und siehe da, die weibliche Verwandtschaft heißt plötzlich größtenteils Sarah. Man kann es ihnen nicht übel nehmen, ist es doch eine Art der sympathischen Kaufbereitschafts-Förderung. Kaufen würde ich ja auch gerne und zwar die bunten Geckos, die aus Draht und Glasperlen gemacht, fast wie echt aussehen. Da wir aber noch einige Wochen der Reise vor uns haben und ich nicht recht weiß, wie ich die Tierchen verstauen soll, verschiebe ich meine Shoppinggelüste auf die letzten Tage und hoffe, in Lusaka auch noch welche auftreiben zu können.
Nachmittags sind wir zurück auf dem Camp, bei Joachim, der fleißig Bericht geschrieben hat und berichten ihm von den Trompeterhornvögeln. Sein Neid hält sich in Grenzen, aber ein bisschen, so glaube ich, wurmt es ihn schon. Die Stunden dümpeln gemütlich vor sich hin, wir waschen Wäsche, lesen, schreiben und trinken selbstgemachte Zitronenlimonade, von den Früchten des Baumes auf unserer Site. Ich nehme eine ausgiebige Dusche in unserem Luxus-Waschhaus und will gerade den Kamm aus meiner neben dem Waschbecken hängenden Kosmetiktasche nehmen, als mich aus deren Tiefen ein kleiner Frosch anspringt und auf meinem Décolleté landet. Nun sitzt er da auf meiner nackten Haut und sieht eigentlich recht harmlos aus, so unscheinbar bräunlich wie er ist. Aber man weiß ja nie, ob er nicht doch giftig ist. Also bugsiere ich ihn ganz sanft mit einem Wattestäbchen auf den Waschbeckenrand, er klettert willig darauf, die Wand hoch und verschwindet durch’s Fenster. Das zeigt mal wieder: der Ort mag noch so zivilisiert erscheinen und doch kann inmitten dieser Umgebung plötzlich ein Stück Natur auftauchen. Und nicht immer ist das so harmlos wie dieses kleine Fröschlein.
Damit ich das nicht vergesse, verpasst mir Mutter Natur noch eine kleine Lektion. Es ist schon dunkel und wir bereiten unsere Feuerstelle vor. Dazu suchen wir erst mal kleine Ästchen und trockene Blätter zum Anfeuern zusammen. Ich leuchte mit der Taschenlampe an einer steingefassten Gartenrabatte entlang, sehe eine flüchtige Bewegung zu meinen Füßen und höre es rascheln. Neugierig funzle ich dorthin – im Strahl meiner Taschenlampe sitzt eine riesige Baboon Spider und verharrt schreckensstarr im hellen Licht. Uihuihuih, ist die groß und haarig und schön. Auf mein aufgeregtes Gequieke hin eilt sofort Jürg herbei und wird zum Lampenhalten verdonnert, während ich schnell die Kamera hole, um diese Schönheit auf meinen Chip zu bannen. Im Licht des Blitzes glitzern ihre Augen, die Haare schimmern und ich muss ein Stückchen zurücktreten, um sie ganz drauf zu bekommen…
So lässt sich auch Zivilisation, derentwegen ich ja nicht hier bin, aufs Trefflichste ertragen!
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