Vor einigen Wochen, ich saß gerade an einem Auftrag, der große Konzentration erforderte, fuhren mehrere dieselnde, lärmende Transportfahrzeuge im Innenhof des Gebäudes vor, in dem auch unsere Firma ihren Sitz hat. Die umgebenden Mauern potenzieren den Schall, wenn dort laute Arbeiten verrichtet werden – und auch diesmal fungierten die Häuserfronten als hervorragende Verstärker.
Die Transporter wurden abgeladen, nicht besonders zartfühlend oder gar vorsichtig, nein, die Bestandteile der Ladung knallten allesamt rüde scheppernd zu Boden, die Arbeiter schrien sich gegenseitig Anweisungen zu, Türen knallten, Metallteile klirrten, Holz ächzte, Werkzeug wurde achtlos herumgeworfen und der Lärm brach sich in Pingpongmanier an den Mauern. Klöng, rassel, döngel, krach, schepper, schrei. Ich konnte mich so einfach nicht konzentrieren. Genervt warf ich deshalb einen erbosten Blick aus dem Fenster, um zu sehen, was da los war.
Transportkisten aus Holz, Paletten, u. v. m. – Einweg-Verpackungen zum Wegwerfen?
Aha, eine Firma mit blauem Logo – die wurde natürlich sofort von mir gegoogelt – lieferte hier offenbar Bauteile für einen Aufzug an. Riesige, schwere Stahlteile, die entsprechend verpackt waren. Die meisten lagerten auf Paletten, doch einige Teile wurden in einer Transportkiste angeliefert. Diese war etwa 3,20 m lang, 75 cm breit und 45 cm hoch – und bestand aus stabilen, glatt gehobelten Fichtenbrettern. Die Kiste stach mir sofort ins Auge und ich nahm mir vor, sie nicht aus den selben zu verlieren – ich wollte sehen, ob ich die Kiste bekommen konnte.
Auf der Lauer
In den nächsten Tagen wurde fleißig (und mit viel Lärm) gearbeitet, Palette um Palette leerte sich. Allein „meine“ Kiste stand nach wie vor unberührt da. Natürlich hatte ich bereits ein paar Arbeiter danach gefragt, doch sie sprachen keine Sprache, der ich auch mächtig gewesen wäre, weswegen ich in Sachen Kisten-Okkupation keinen Schritt vorankam.
Eines Morgens jedoch war offenbar der Chef vor Ort – er machte seine Untergebenen mit mutwillig gebrochenem, vermeintlich weltmännischem Deppendeutsch auf sehr herablassende Weise rund: „Du schneller, verstehen!?! Rabota, dawai, wir fertig, finito, am Freitag, capito?“ Als der Unsympath seine Tirade beendet hatte und sich zum Gehen wandte, fasste ich mir ein Herz und fragte ihn nach der Kiste. „Klar, könnse haben, das Zeug werfen wir ohnehin weg. Da sparnse uns wenigstens Abfall, hahaha! Hey, Jungs, Frau nehmen Kiste, verstehen?!“ Sprachs und ließ uns stehen…
Ein nachwachsender Rohstoff – wenn er denn wächst
Und wieder stelle ich an dieser Stelle die Frage, warum ich das erzähle und was das Ganze mit Afrika zu tun hat. Viel, sehr viel, kann ich da nur sagen! Wer schon mal in Afrika unterwegs war (und nicht nur da ist es so), der wird sicher mitbekommen haben, welche Bedeutung Holz für das Leben unzähliger Menschen dort hat. In vielen Ländern muss beispielsweise damit gekocht werden und dort kann man nicht einfach beim Brennholz-Lieferanten bestellen, sondern man muss sich selbst auf die Suche machen. Und weite, weite Wege gehen, mühevoll krumme Äste sammeln und anschließend abartig schwere Bündel zu Fuß über Kilometer nach Hause schleppen.
Allgegenwärtige Bilder in Afrika: Frauen schleppen das gesammelte Hol nach Hause
Das ist übrigens fast überall ausschließlich die Aufgabe der Frauen, die auch noch das Wasser holen, die Kinder rumtragen, Wäsche zum nächsten Gewässer transportieren, dort waschen und vielfach schwerer, weil nass, wieder nach Hause zerren – zusammen mit der zusätzlichen Last mindestens eines wonneproppigen Kindes, das sie sich umgebunden haben.
Und wer das schon mal bewusst wahrgenommen und sich Gedanken darüber gemacht hat, der kann sich nur fragen: wer sind wir, dass wir uns erdreisten, Holz wegzuwerfen, einfach so? Und noch dazu Holz von guter Qualität, fein gehobelt, glatt, nahezu unbeschädigt, nicht behandelt und in einer Brettergröße, die durchaus sinnvoll weiterverwendet werden kann. Und genau das habe ich jetzt auch vor – das Holz der Kiste weiterverwenden!
Frau bekommen Kiste …
Kaum ist ein Tag nach meinem Gespräch mit „Herrn Rabota“ vergangen, wird besagte Kiste endlich entleert, die „Jungs“, vom Capo zur besonderen Sorgfalt beim Öffnen ermahnt, weil ja Frau Kiste wollen, geben sich wirklich Mühe, einer der Arbeiter zerteilt mir das Riesentrumm sogar noch mit der Kettensäge, ich bringe es in Sicherheit und zwei Tage später, am Wochenende, hole ich es zusammen mit Heinz mit dem Auto ab.
Wir laden 18 Bretter à etwa 1,5 Meter, zwei stabile Endplatten, diverse Latten und vier eindrucksvolle Balken in den Kofferraum – und ich weiß auch schon, was ich draus machen werde: ein Pflanzregal für den Garten und eine kurze Recamiere – und das alles aus diesem tollen Holz, das eigentlich weggeworfen werden sollte!
Recyclingprojekt Eins – ein mobiles Outdoorregal
Das erste Projekt, quasi zum Aufwärmen, ist ein mobiles Outdoor-Tischregal. Es ist relativ einfach in der Konstruktion, doch, so denke ich wenigstens, ungemein praktisch.
Was ich dafür brauche:
Aus dem Wegwerffundus
4 Pfosten – 100 x 60 x 770 mm
5 Bretter – 145 x 18 x 450 mm
10 Bretter – 145 x 18 x 400
6 Latten 30 x 50 x 200 mm
6 Latten – 30 x 50 x 600
Kisten-Endplatte – 400 x 300 mm
Was der Werkzeugkeller so hergibt oder dazugekauft
Senkkopf- Holzschrauben 4 x 80, 4 x 30 und 4 x 45 mm
farbige Holzlasur auf Wasserbasis
750 ml farbige Holzschutzlasur für Draußen
Alukette
Schraubhaken
2 Edelstahlscharniere
0,5 mm Alublech – 700 x 1000 mm und 4 Stück 100 x 400 mm
20 mm Stahlnägel
4 Strandkorbrollen
Metallhaken zum Anschrauben
dünne Verpackungsfolie 750 x450 mm
Werkzeug
Bohrmaschine mit Schraubfunktion
Holz-Bohrer 2,5 mm
Kreuzschlitz-Bit
Stichsäge
Pinsel
Cuttermesser
Meterstab
Winkellineal
Bleistift
Schleifpapier
Das meiste an benötigtem Material und Werkzeug habe ich den Tiefen unserer Werkzeugkeller-Regale entlocken können – Opa und Papa sei Dank – sodass ich lediglich die Schutzlasur, die Strandkorbrollen und das Alublech extra kaufen musste. Das alles schlug summa summarum mit rund 70 Euro zu Buche. Hätte ich das Holz auch kaufen müssen, ach, dann hätte ich das Tischregal wohl nie gebaut …
Abfall wird zu etwas Nützlichem
Nachdem ich mir über die geeigneten Maße Gedanken gemacht habe – angenehme Arbeitshöhe, maximale Breite (sodass das Regal auch quer noch durch eine Tür passt), praxisorientierte Abstände der Regalfächer – lege ich los und schneide mir aus alten Dachlatten die Verbindungselemente für die Pfosten und aus den Resten der Transportkiste die Einlegebretter für die Regalböden zu.
Das Grundkonstrukt aus Pfosten und Verbindern schraube ich vorab schon mal zusammen, lege probehalber die Regalböden ein, um zu sehen, ob alles passt, schneide erforderlich Aussparungen heraus, dann lasiere ich die Einzelteile. Zuerst mit einer wasserbasierten Lasur, die ich noch im Keller gefunden habe, und die dem Holz einen dunklen Nussbaumton verpasst. Sobald das Ganze getrocknet ist, erfolgt der erste Anstrich mit der Schutzlasur, bei der ich mich für Kastanienbraun entschieden habe. Beide Farbtöne zusammen ergeben ein lebendiges, intensives Braun, das zwischen Mahagoni und Teak liegt und mir sehr gefällt.
Nun kann der Zusammenbau erfolgen. Zuerst bastle ich Alu-Kappen für die Füße, die das Holz vor Nässe von unten schützen sollen. Gut geeignet hierfür ist Aluminiumblech mit 0,5 mm Stärke. Das ist zwar stabil, lässt sich aber noch gut mit Cutter und/oder Blechschere bearbeiten. Die Falzlinien ritze ich mit mäßigem Druck mit besagtem Cutter vor, den Rest schneide ich mit der Blechschere. Hat man keine solche, kann man auch mit dem Cutter mehr Druck ausüben, mehrfach an der gewünschten Linie entlangschneiden und das überschüssige Blech anschließend recht einfach durch beherztes Knicken entfernen.
Die Schuhe daraufhin passend zurechtbiegen und mit einfachen Stahlnägeln mit großem, flachem Kopf an den Füßen des Regals befestigen, Bodenabschluss aufnageln und anschließend die Befestigungslöcher für die Strandkorbrollen vorbohren, bevor man selbige endgültig festschraubt. Für die mitgelieferten 4 mm-Schrauben wähle ich zum Vorbohren einen 2,5 mm-Bohrer; das genügt, um ein Sprengen des Stirnholzes mit den Schrauben zu verhindern.
Im zweiten Schritt werden die Regalböden mit je 2 Edelstahlschrauben pro Seite auf den Verbindern befestigt. Die Tischplatte, die ebenfalls aus 5 Bretter besteht, nun mit der dünnen Verpackungsffolie gleichmäßig belegen. Diese Auflage gleicht eventuelle Unebenheiten ein wenig aus, sodass das Alublech, das anschließend zum Schutz der Platte darüber befestigt wird, in der Folge glatter und somit optisch ansprechender bleibt.
Ist das geschehen, verbrauche ich den letzten Rest meiner Holzschutzlasur, indem ich nochmal über alle oben liegenden Flächen und Stirnseiten pinsle. Während nun der finale Anstrich trocknet, schraube ich die Scharniere an die Ausklapp-Platte, befestige diese an der Schmalseite des Regals, sichere sie mit zwei Aluketten in passender Länge (die Ketten tragen das Gewicht der Platte samt darauf Abgestelltem) und den Schraubhaken, biege mir aus einem Nagel einen s-förmigen Winkel und schlage diesen so ins Holz, dass er die Platte in hochgeklapptem Zustand sicher hält.
Zum Abschluss noch an ein paar geeigneten Stellen Edelstahlhaken anbringen und schon ist das mobile Outdoor-Tischregal zum Einsatz bereit. Bei uns findet es vorwiegend Verwendung als Pflanztisch zum Pikieren und Umtopfen, als Ablage für Wäschekorb und Klammern, wird aber auch mal hierhin oder dorthin geschoben, um es für andere Zwecke zu verwenden. Dank der relativ gut geländegängigen, doppelrädrigen Strandkorbrollen geht das übrigens recht mühelos – selbst über Rasenflächen!
Upcycling – Trend zur Nachhaltigkeit
Mit meiner Aktion, aus einem zum Abfall erklärten Stoff etwas Neues zu machen, das Wegwerfmaterial also stofflich aufzuwerten und einem echten Verwendungszweck zuzuführen, liege ich voll im Trend. Das zeigt deutlich, dass die Gesellschaft sich zunehmend ihrer Verantwortung in puncto Nachhaltigkeit gegenüber der Umwelt und folgenden Generationen bewusst wird, was sehr zu begrüßen und bitter nötig ist.
Und diesem Trend werde ich nun auch in einem zweiten Projekt weiter folgen, denn es ist ja noch reichlich Holz von der zerlegten Transportkiste übrig. Dieses Vorhaben ist allerdings deutlich anspruchsvoller und ich bin mir nicht sicher, ob ich mir da nicht ein wenig zu viel vorgenommen habe; schließlich bin ich weder Schreiner noch Polsterer… Doch seht selbst in Teil 2 meiner Wiederverwertungsgeschichte, was ich geplant habe und ob es wirklich gelingt!
Ein bisschen dauerts allerdings noch – es ist mehr Arbeit als ich dachte…
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