Lebensträume und Traumpfade = LebensTraumPfade
Unter uns Menschen gibt eine ganz besondere Subspezies, die ich, ihrem Gebaren entsprechend, als „Abhaker“ bezeichne. Sie verhalten sich, als würde eine ellenlange Liste in ihrem Gehirn implementiert sein, die es im Laufe eines Lebens abzuarbeiten gilt – möglichst bis zur letzten Position. Schon als Kind empfand ich diese Typen als recht befremdlich: ich war mit meinen Eltern fast jedes Wochenende in den Bergen unterwegs und wir wanderten, weil wir Spaß daran hatten, weil wir die Natur und so manchen Gipfelblick genossen, gerne in ein kaltes Gebirgsbächlein sprangen, Schnee- und Schotterfelder herabrutschten und Freude am Erlebnis Berg als solchem hatten. Auf unseren Touren aber begegneten wir immer wieder diesen Menschen, die mit Scheuklappen bergauf hasteten, blind für die Schönheit der Natur; sie hatten nur eines im Blick: das Gipfelbuch und den dazugehörigen Stempel, den sie sich in ihr mitgeführtes Beweis-Büchlein droschen. Stempel drin, umkehren, runter ins Tal, am nächsten Tag der nächste Berg, bis die Liste abgearbeitet war. Der Lohn des Ganzen bestand, zumindest in unseren Augen, wohl lediglich darin, dass man für all die hurtig gesammelten Stempel vom jeweiligen Tourismusverband eine Plakette erhielt, die man sich stolz an den Wanderstock oder den rustikalen Filzhut tackern konnte. Für mein Empfinden ein Entgelt, das den Aufwand, noch dazu unter derartigen Blindflug-Konditionen, nicht lohnt, für die Abhaker hingegen offenbar das Nonplusultra, den Himmel auf Erden darstellt.
Solche Menschen gibt es jedoch nicht nur in den Bergen, sondern in allen Lebensbereichen, unter anderem also auch im Reisesektor – und für diese Leute existiert sogar eine To-Do-Liste in Buchform: „1000 places to see before you die“. Ich hab da mal, als ich in einer Buchhandlung nach etwas ganz anderem suchte, reingeguckt und war erstaunt, was ich alles schon gesehen und „erledigt“ hatte, ohne zu wissen, dass es als abhakenswert gilt! Für das südliche und östliche Afrika werden beispielsweise ganze 46 Muss-Ziele genannt; fast die Hälfte davon habe ich bereits besucht, jedoch kein abschließendes Häkchen dahinter gemacht. Mann, bin ich doof; wie soll ich das jetzt beweisen und wer verleiht mir eigentlich meine Plakette?
Ein Bild macht einen Lebenstraum – jetzt wird er Wirklichkeit
Aber mal Ironie beiseite: so abwegig, wie ich das hier schildere, ist dieses Buch nicht, denn es zählt wirklich viele der absoluten Traumziele eines jeden Reisenden auf. „Tracking the Mountain Gorillas“ ist zum Beispiel etwas, was auf der Wunschliste vieler Afrikatraveller ganz oben steht. Als unsere Freunde Annette und Jochen nun heuer erstmals zwei Touren nach Uganda anbieten, Gorilla-Tracking inklusive, ist auch Heinz sofort Feuer und Flamme. „Da fahren wir mit, das ist schon lange einer meiner Lebensträume!“, seufzt er begeistert. Diesen Traum erfülle ich ihm natürlich gerne, auch wenn es nicht einer meiner eigenen, dringlichsten ist. Die mögliche Erfüllung des meinigen aber entdecke ich kurz darauf im Tourplan: den Katavi Nationalpark. Seit ich vor vielen Jahren ein Bild von Michael Poliza gesehen hatte, das unzählige, wie Kopfsteinplaster aneinandergereihte Nilpferdkörper zeigte, zählt dieser entlegene, auf dem Landweg schwer erreichbare Park zu meinen besonderen, persönlichen Traumzielen – auch wenn dieses nicht in besagtem Buch verzeichnet ist und auch, wenn dieser Park für seine zahlreichen Tsetses bekannt ist. Mit denen nämlich stehe ich auf echtem Kriegsfuß…
Trotzdem melden wir uns ohne große Diskussionen sofort für diese Tour an und freuen uns auf ein gemeinsames Beschreiten unserer ganz persönlichen Lebenstraum-Pfade, zusammen mit unseren langjährigen Freunden Annette und Jochen und zwei weiteren Tourteilnehmern: Erika, die wir letztes Jahr kurz am Flughafen in Upington kennengelernt hatten und Gabi, die ich über berufliche Kontakte schon seit ewigen Jahren kenne und sehr schätze.
Und es wird besonders spannend, ob diese Träume tatsächlich auch in Erfüllung gehen, denn schließlich ist der Busch kein Zoo und es gibt für nichts eine Garantie. Nicht mal, wenn man pro Mann und Nase 500 US-Dollar bezahlt oder hunderte von Kilometer durchs abgelegenste Tansania kurvt, um einen tsetseverseuchten Nationalpark zu besuchen. Doch lest selbst!
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