In meinem Artikel über Salzteig schrieb ich ja, dass ich eine neue Flurgarderobe bauen wollte und auf diesem Wege auch beim Salzteig gelandet bin. Nun jedoch ist alles ganz anders gekommen, der Salzteig findet bei der Garderobe keine Verwendung, dafür aber habe ich einen ganzen Korb voller Ideen zu einer Garderobenwand verarbeitet, die genau so geworden ist, wie ich sie mir vorgestellt hatte. Beziehungsweise so, wie sich meine Vorstellung beim Bauen entwickelt hat.
Die Ideen dazu stammen natürlich nicht alle von mir – ich habe viel im Internet gelesen, geschaut und gesammelt -, und letztendlich habe ich aus den Informationen viele Anregungen herausziehen und für meine Zwecke abwandeln können. Dabei herausgekommen ist eine Aufbewahrungswand für Schuhe und Klamotten, die die vorhandene Nische optimal nutzt und zudem, wie von mir erträumt, ein bisschen neokolonial daherkommt und weit entfernt von jeder herkömmlichen Schuhschranklösung ist.
Wie so vieles in punkto Einrichtung ist natürlich auch diese Garderobenwand Geschmackssache, doch ich denke, es lohnt sich, ihre Entstehung vorzustellen, denn sicher kann jeder, der selbst etwas Handwerkliches in Richtung Möbelbau oder Holzverarbeitung geplant hat, die ein oder andere Idee für sich abwandeln und mit anderen Ideen zu Neuem kombinieren.
INHALT
Eine Nische, viele Klamotten, noch mehr Schuhe und ein bisschen wie bei Hempels unterm Sofa
Das sollte jetzt anders werden! Also, erst mal die Nische vermessen und dann nach Basismöbeln suchen, die da reinpassen und verstauungstechisch zu einer Flurgarderobe ohne Kompromisse umfunktioniert werden können. Mir stand, so sagte der Meterstab, eine Nische von rund 1,92 m Breite, 2,80 m Höhe und 41 cm Tiefe auf der rechten, 23 cm auf der linken Seite zur Verfügung. Nun wohne ich in einem Haus, das schon ein paar Jahre auf dem Buckel hat und es ist immer mit etwas schiefen Wänden zu rechnen, sodass ich in der Breite vorsichtshalber 5 cm abzog, um genügend Spiel zu haben. Dann machte ich mich auf die Suche nach passendem Grundmobiliar – und landete, beinahe unvermeidlich, bei Regalen des bekannten schwedischen Möbelhauses.
Basismöbel für die Flurgarderobe – ein Hack bahnt sich an
Kallax nennt sich das System, das es in allen möglichen Größen gibt. Die Regale mit feststehenden Böden, Fächern in Quadratform und einer Gesamttiefe von 39 cm erwiesen sich als ideal für mein Vorhaben. Bei einem anderen Hersteller fand ich schließlich noch zwei Regale mit einer Breite von je 40 cm und einer Tiefe von 24 cm. Das sollte perfekt passen!
Jetzt brauchte ich nur noch 16 Körbe, die in die beiden Kallax-Regale passen sollten. Auch da wurde ich bald fündig: 16 Faltkörbe mit einem Geflecht aus Wasserhyazinthe, das farblich und strukturell so einigermaßen meinen Vorstellungen entsprach. Na ja, so einigermaßen, denn gerne hätte ich ein etwas feineres Rattan- oder Seegrasgeflecht gehabt, oder, mein absoluter Traum, etwas mit Wiener Geflecht. Doch das blieb ein Traum, denn die Preise für derartige Körbe hätten jeglichen Finanzrahmen gesprengt.
Die vier Regale kamen zusammen auf knapp 250 Euro. Ein Preis von 784 oder gar 1115 Euro für 16 Wiener Geflecht-Körbe und immerhin noch zirka 400 Euro für passende Rattan-Körbe hielt ich für deutlich übertrieben. Deshalb entschloss ich mich für die Behältnisse aus Wasserhyazinthe, die sich mit den Regalen preislich die Waage hielten. Dann orderte ich noch Winkeleisen (zum Befestigen der Regale an der Wand), eine Kleiderstange aus Edelstahl, verschiedene Möbelfüße aus Buchenholz (um die Höhenunterschiede zwischen der Kallax-Seite und dem schmalen Regalturm auszugleichen), Scharniere, Magnetschnapper, diverse Leisten aus Kiefernholz und, um meinen Traum doch noch, wenn auch an anderer Stelle zu verwirklichen, eine Rolle Wiener Geflecht.
Ein Plan nimmt Gestalt an
Im Laufe der nächsten Tage und Wochen trudelten die bestellten Artikel ein und ich begann, alles zusammenzubauen. Erst die schmalen Regale, Füße dran, ein Loch für den Klingelknopf ausschneiden, aufstellen. Dann waren die Kallax-Regale an der Reihe. Füßchen an das untere, quergelegte Regal anschrauben, das andere hochkant drauf. Jetzt zeigte sich, dass meine 5 Sicherheits-Zentimeter, die ich vorsichtshalber eingerechnet hatte, Gold wert waren. Das Ensemble passte grade mal so in die Nische. Und es hatte einen deutlich schwedischen Look…
Anpassung 1: Unterteilung der Schuhkörbe.
Körbe auspacken, entfalten, ins Regal verfrachten, die Kleiderstange auf passende Breite kürzen und befestigen. Nun war die Garderobe theoretisch nutzbar, doch es fehlten noch diverse Details. Zum Beispiel die Inneneinteilung der Körbe. Auf keinen Fall wollte ich die Schuhe in den Körben übereinander stapeln, denn man braucht, so sagt die Erfahrung, grundsätzlich das, was zuunterst liegt. So bewahrte ich schon im Vorfeld alles an Kartonmaterial aus den Lieferungen auf, was mir brauchbar erschien und bastelte schließlich Kreuze zur Unterteilung der Boxen daraus.
Das ist ganz einfach: Je zwei Kartons in Höhe und Breite passend zuschneiden, beide in ihrer Mitte halb einschneiden, ineinanderstecken und ab damit in den Korb. Je nach Größe oder Schafthöhe der Schuhe passen so 2 bis 4 Paar in einen Korb, sind jederzeit zugänglich und beschmutzen sich nicht gegenseitig. Und das alles völlig kostenfrei. Man muss nur ein bisschen Zeit investieren, um das Verpackungsmaterial zuzuschneiden – das ist alles. Doch noch immer sah das Konstrukt heftig nach Schweden aus – logisch, denn von der Unterteilung war ja von außen nichts zu erkennen…
Anpassung 2: Beschriftung der Körbe
Wie mache ich das? Wie kennzeichne ich die Körbe, um zu wissen, was drin ist. Die Idee mit dem Salzteig endete in einer Sackgasse, es musste also ein aussagekräftigerer Weg gefunden werden. Meine Lösung nach langem Gegrübel: eine Holzwäscheklammer mit Draht am Korb befestigen, daran einen Kofferanhänger aus (Kunst-)Leder klemmen und darin schmale Einstecker aus hellbraunem Karton platzieren. Auf den Karton wird mit schwarzem Stift eine charakteristische Silhouette der jeweils enthaltenen Schuhe aufgemalt, darunter ein Quadrat, das in der Farbe der jeweiligen Schuhe ausgemalt wird. Zu meiner Freude bröckelte nun der Schwedenlook bereits etwas…
Anpassung 3: Holz strukturieren und beizen
Nun waren die Türen für den schmalen Regalturm und der Rahmen für den Klingelknopf an der Reihe. Hierfür wollte ich Holz, das wertig aussieht, aber nicht so teuer ist. Ein schier unmögliches Unterfangen? Nein, ganz und gar nicht! Dank zahlreicher Beschreibungen, die ich im Internet gefunden hatte, konnte ich einige Methoden kennenlernen, mit denen man Holz auf einfache Art und Weise aufwerten kann. Techniken, die ich höchst faszinierend finde und die ungeahnt ansehnliche Resultate bringen.
Ich habe zu diesem Zweck also ganz simple Kiefernleisten erworben. Leisten, wie man sie für relativ wenig Geld in jedem Baumarkt bekommt. Ich beschloss, eine der Techniken, über die ich so viel gelesen hatte, erst mal an etwas Kleinem auszuprobieren – und da kam mir der Rahmen, den ich um den ausgeschnittenen Klingelknopf zimmern wollte, gerade recht.
Ich nahm also eine Kiefernleiste zur Hand und traktierte sie ausgiebig mit einer harten Stahlbürste. Dabei entfernt man die weichen Teile des Holzes, die harten Jahresringe bleiben relativ unbeschadet stehen. Diese Prozedur verleiht dem Holz Struktur und ein schnödes Stück Baumarktleiste sieht gleich ganz anders aus.
Viele Artikel im Internet empfehlen nun noch, mit einem Hammer auf dem Holz herumzudreschen, es mit einem Cutter zu malträtieren, Nagellöcher reinzumachen, Schraubengewinde einzudrücken und derlei mehr. Das lässt das Holz dann „used“ aussehen und nach einer zusätzlichen Behandlung mit Beize und/oder diversen Wachsen ist es tatsächlich kaum noch von wirklich altem Holz zu unterscheiden. Auf derlei Misshandlungen habe ich allerdings weitestgehend verzichtet – ich wollte einen anderen Weg gehen.
Die geheimnisvolle Methode
Doch zuerst zu dieser einen Methode, die es mir ganz besonders angetan hatte: eigentlich wollte ich ja einen sehr hellen Treibholzlook erzeugen, doch besagte andere Technik hatte mich noch mehr gefesselt. Und dafür benötigt man schwarzen Tee, ultrafeine Stahlwolle und Essigessenz. Das ist alles.
Die Stahlwolle gibt man in ein Glas, schüttet Essigessenz drauf, bis die Stahlwolle gut bedeckt ist und wartet ab. Ein Tag ist absolutes Minimum, besser sind mehrere Tage, man kann den Ansatz aber auch stehenlassen, bis sich die Stahlwolle ganz aufgelöst hat. Je länger Essig und Stahlwolle miteinander reagieren können, desto intensiver wird der Effekt. Diesen kann man zusätzlich noch mit schwarzem Tee verstärken, besonders dann, wenn man ein Holz behandelt, das nicht so tanninhaltig ist. Kiefernholz zum Beispiel ist so eines. Im Gegensatz dazu enthalten Hölzer wie Eiche, Birke, Kastanie, Akazie reichlich Tannine und Tee ist hier nicht unbedingt vonnöten. Bei der blonden, gerbstoffarmen Kiefer hingegen schon – deshalb bereitete ich zusätzlich einen starken Sud aus meinem Frühstücks-Earl-Grey zu.
Dann endlich war es so weit! Die Essigplörre stand nun schon eine Woche und roch höchst unfein vor sich hin – und ich konnte es vor Spannung kaum noch aushalten. Ich pinselte also zunächst die mittlerweile auf Gehrung geschnittenen Leisten für den Klingelknopf mit schwarzem Tee ein, ließ sie trocknen und strich sie abermals mit Tee (was übrigens kaum eine Farbänderung hervorrief).
Weil ich es aber vor Neugierde nicht mehr aushalten und den zweimaligen Trocknungsvorgang kaum abwarten konnte, schnappte ich mir vorab ein Frühstücksbrettchen aus Akazienholz, das, wie ich gelernt hatte, sehr tanninhaltig war und bestrich es mit angehaltenem Atem (schuld war die Spannung, aber auch der Essiggestank) mit der Essigplörre. Und sofort vollzog sich ein Wunder vor meinen Augen. Was für eine faszinierende chemische Reaktion und was für ein wundervolles Braun!
Anpassung 4: Holz auf alt trimmen, Shabby-Vintage-Look
Aufgeregt wartete ich auf das Abtrocknen der Kiefernleisten, dann pinselte ich auch diese mit der Essiglösung ein. Und hier zeigte sich nach einiger Zeit ebenfalls ein satter Braunton, allerdings war er etwas rötlicher als beim Akazienholz. So gab ich im zweiten Streichvorgang noch eine Prise Kurkuma hinzu und siehe da, der Rotstich verflog und wich einem entsättigten, dunklen Braun. Eine tolle Farbe.
Aber ich wollte nun ja auch noch den Antik-Shabby-Vintage-Look testen. Zu diesem Behufe bestrich ich die Leisten mit Bohnerwachs, ließ dieses weitestgehend trocknen und rieb das Holz schließlich mit Kaolin ein. Perfekt! Und – das frisch gekaufte, nagelneue Kiefernholz sah plötzlich aus, als wäre es mindestens hundert Jahre alt.
Shabby oder nicht?
Dieses Braun und die Methode, es mit simpelsten Mitteln zu erzeugen, faszinierte mich dermaßen, dass ich meinen ursprünglichen Plan verwarf: eigentlich hatte ich Türen bauen wollen, deren Rahmen treibholz-weiß und die Füllung mit Wiener Geflecht im selben Beigeton wie die Wasserhyazinthenkörbe erstrahlen sollten, quasi als Fortführung der Regalwand. Nun aber fand ich dieses Braun im Zusammenklang mit der herausgearbeiteten Maserung so wunderschön, dass ich umdisponierte. Meine Türen müssen braun werden! So hübsch der Shabby-Look mit Kaolin auch aussah, so wollte ich trotzdem auf diesen verzichten, denn er ist zwar momentan unheimlich trendy, aber ich fürchte, man sieht sich recht schnell daran ab. Und meine neue Flurgarderobe sollte ja einige Zeit Bestand haben, auch optisch, versteht sich.
Also begann ich erneut, Kiefernleisten mit der Stahlbürste zu masern, schnitt sie passend auf Gehrung, verleimte sie und unterzog sie anschließend der Tee-Essig-Behandlung. Ein warmes dunkles Braun verwandelte die simplen Kiefernholzleisten in einen wunderschönen, ganz und gar nicht billig aussehenden Rahmen, der geradezu dazu angetan war, die Regalkombi noch weiter vom Ikea-Look abzurücken. Nun war ich schon sehr glücklich.
Als letzte Arbeiten vor dem Einbau montierte ich nun noch mein geliebtes Wiener Geflecht, leimte von hinten dünne Stabilisierungsleisten auf das Konstrukt und tackerte noch schwarzen Filz darauf, um die Türen blick- und staubdicht zu machen. Dann befestigten Heinz und ich die Schmuckstücke am Regalturm. Das sah toll aus, so toll, dass ich am liebsten mein Bett davor aufgeschlagen hätte, um es jederzeit bestaunen zu können, sobald ich die Augen aufschlug. Ich war so happy!
Anpassung 5: Türgriffe
Jetzt musste ich nur noch passende Türgriffe finden! Ein Unterfangen, das sich als unerwartet schwierig herausstellte. Ich durchforstete Baumarkt- und Designseiten im Internet, suchte bei etsy (hier findet man eigentlich immer was Besonderes, wenn auch zu höheren Preisen) und wühlte mich durch den schier unerschöpflichen Ideenfundus von pinterest (mit vielen DIY-Anleitungen und kreativen Lösungen), konnte jedoch nichts finden, was mich restlos zufriedenstellte. Doch diese Türen durften auf keinen Fall durch falsche Griffe entweiht werden!
Also beschloss ich, quasi als Notlösung, zunächst mal selbst Griffe zu basteln, bis mir eine zündende Idee kommen und ich das Gesamtbild nach meinem Gusto würde fertig stellen können. Gesagt, getan.
Der Zufall schlägt zu …
Die Coronazahlen stiegen seit Tagen wieder eklatant, weswegen Heinz und ich Garten- und Baumarkt einen Besuch abstatteten, bevor alles wieder geschlossen werden würde. Im Gartenmarkt, wir hatten alles Nötige im Wagen, schlenderte ich zum Schluss, wie immer, durch die Dekoabteilung. Im Regal mit den Gusseisensachen entdeckte ich eine 25 cm lange Eidechse und kleine Frösche. Ach, wie hübsch, da könnte ich doch Buchstützen draus machen. Komm, für 6,99 Euro beziehungsweise 1,99 Euro kann man das guten Gewissens mitnehmen. Doch eigentlich wären das genau die Türgriffe, die ich mir gewünscht hatte. Mann, wenn das passen würde!!!
Zurück zuhause: gespannt hielt ich die beiden Tiere auf die Türen. Und sie passten wie die Faust aufs Auge! Ich werd’ verrückt! Und ja, das werden meine Türgriffe! Die Echse, mit Bohrlöchern in den Füßen, wurde sofort auf der großen Tür angebracht, den Frosch bohrten wir vorsichtig an, und schon zierte er die obere, kleinere Tür. Perfekt!
Und so sieht sie aus, die neue Flurgarderobe. Ich bin ganz verliebt!
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