Nein, ich will nicht viele Worte über das verlieren, was unsere Wildkamera vergangene Nacht aufgenommen hat, denn einziges reicht völlig aus: NIX! Heinz hakt sowohl das Thema als auch die Kamera achselzuckend vom Baum ab und wir widmen uns erfreulicheren Themen – frühstücken und liebe, gefiederte Gäste bewirten. Wenigstens das klappt reibungslos! Eine genussvolle Stunde später, in deren Verlauf auch mein malträtierter Zeh wie durch Zauberhand seine Schmerzfreiheit und volle Beweglichkeit wiedererlangt, beginnen wir gesättigt mit den Abbauarbeiten an unserem Lager. Die verfressene Starendame ahnt Schreckliches, was tatsächlichzur bitteren Wahrheit für sie wird, als der letzte Teller abgespülterweise in der Geschirrkiste landet. Als dann das satte, endgültig klingende Plöpp der Verriegelungsflügel ertönt, da ist auch sie, die bis zuletzt ausgeharrt hatte, weg. Tja, und wir sind abreisebereit. Nein, halt! Ich muss mir doch noch die zerstörte Hydnora bei Tageslicht ansehen und mich mit einem Schlückchen Wasser bei ihr entschuldigen! Eilig haste ich an der Uferbank entlang und finde das beschädigte Gewächs sofort wieder. Und jetzt, bei vollem Licht, ist der Schaden gut zu sehen: mein Zeh hat in einem Rutsch die harte Außenschicht, die sich bereits zu teilen begann, von der faserigen Innenschicht der Pflanze rasiert. Vorsichtig und entschuldigend setze ich das abgefallene Käppchen wieder auf den verbliebenen Strunk, gieße dem bizarren Wurzelparasiten zur Versöhnung ein paar Schlückchen Wasser hin und hoffe, die Konsistenz der Pflanze möge auf ihre Überlebensfähigkeit schließen lassen. Wer so hart ist, sollte die Attacke eines weichen, deutschen Großzehs doch überstehen können…
Von dieser Hoffnung beseelt, klettere nun auch ich in unser Auto, das bereits mit laufendem Motor neben mir wartet und wir verlassen wehmütig diesen wundervollen Ort. Wehmütig auch deswegen, weil uns heute eine Fahrt in Namibias Hauptstadt Windhoek bevorsteht. Diese Fahrt ist zwar relativ kurz, aber eben auch relativ uninteressant; doch das, was uns am wenigsten kickt, ist die Tatsache, dass wir hier auch die kommende Nacht verbringen müssen, bevor wir nach zwei weiteren, harten Fahrtagen die Zentralkalahari erreichen werden. Lange Fahrtage und Stadtbesuche sind einfach nicht unser Ding, aber beides ist leider nötig, um in drei Tagen erneut wohl ausgestattet in die Einsamkeit der Kalahari eintauchen zu können. Darauf freuen wir uns schon sehr und nehmen deshalb zähneknirschend sogar den Windhoek-Tag in Kauf. Apropos Kauf: genau das ist Heinz’ und mein Plan, um uns den unvermeidlichen Tag in Namibias Hauptstadt so weit wie möglich zu versüßen: Souvenirs kaufen und einschlägige Fachliteratur erwerben. Windhoeks Buchläden sind ja durchaus nicht zu verachten und sie alle haben eine mehr oder weniger große Ecke, wo eine Auswahl landesspezifischer Flora- und Faunawerke angeboten wird. Mit dieser Hoffnung fahren wir in Windhoek ein, lassen uns von Annette und Jochen, die komplett andere Pläne haben, auf der Mandume Ndemufayo absetzen und schreiten los – Richtung Independance Ave. Der erste Weg führt uns dort zur Touristen-Info, wo wir einen Stadtplan organisieren, um zielgerichtet all die Läden abklappern zu können, die wir uns vorgemerkt haben.
Gut, den Stadtplan haben wir! Doch allein die Tatsache, dass wir dieses Ding in der Hand halten, kennzeichnet uns als Touristen – dabei haben wir nicht mal größere Taschen, Rucksäcke oder Kameras dabei. Das alles haben wir aus Sicherheitsgründen in der Obhut unserer Freunde zurückgelassen… Wir verlassen also den Touri-Info-Point, der momentan in einem Baucontainer untergebracht ist, traben ein paar Schritte und sind sofort von einer Heerschar der obligatorischen Nüsschenschnitzer umgeben. Hello, how are you, where are you from, whats your name? So schallt es uns aus allen Richtungen entgegen. Heinz gibt konsequent keinerlei Antworten, nachdem er auf unserer letzen Tour praktisch ahnungslos beinahe in solche eine Falle getappt wäre. Ich hingegen bin heute auf Krawall gebürstet und begrüße deshalb den erstbesten Schnitzfuzzi mit diabolischem Grinsen. „Hello, I’m fine, I’m from Germany and my name, ähm, yes, is a bit long: my name is Barbara-Katharina-Leutheusser-Schnarrenberger. And yours?“ Ungläubiges Schweigen folgt, die zu beschnitzende Makalani-Nuss wird ratlos angestarrt, dann gibt der Schnitzer wortlos auf. Mein Name ringelt sich in seiner Vorstellung wohl mehrfach um die kleine Samenkapsel, scheint aber, auch bei bestem Willen, nicht unterzubringen zu sein. Während der arme Nüsschenmann noch immer mit großen Augen auf den Palmsamen glotzt, ergreifen wir zügig die Flucht. Die anderen Makalanimänner, die stets in Hab-acht-Stellung auf Kunden lauern und diese auch ansprechen, obwohl schon zehn Vorgänger bei den potenziellen Käufern abgeblitzt sind, verhalten sich äußerst zurückhaltend: die Verwirrung unseres ersten Schnitzers signalisiert wohl deutlich genug, dass mit uns was faul ist…
Wir nutzen die Gunst dieser Stunde und machen uns angenehm unbehelligt auf die Suche nach den erwähnten Buchhandlungen. Unser Reiseführer, den wir vorab studiert hatten, nannte drei namhafte Geschäfte, die wir nun besuchen wollen. Bei unserem endlosen Zickzacklauf durch Windhoeks Straßen jedoch zeigt sich, dass leider nur noch eines davon existiert – und an dem sind wir schon vor eineinhalb Stunden vorbeigelatscht, weil wir ja erst die anderen, weniger zentral gelegenen zuerst aufsuchen wollten. Mann, das hätten wir uns echt sparen können! Und unser Nüsschenschnitzer-Verwirrungsbonus ist mittlerweile leider auch schon abgelaufen, sodass der Rückweg zur Windhoeker Buchhandlung auf der Independence beinahe zum Spießroutenlauf ausartet. Aber endlich sind wir da, schlüpfen in den Laden und atmen durch, als wir die von uns ersehnte Bücherecke entdecken. In gekühlter Umgebungsluft durchstöbern wir das Angebot, das zwar reichhaltig, lange aber nicht so üppig ist, wie wir es uns gewünscht hätten. Naja, das mag auch daran liegen, dass die Literatur für unsere bevorzugten Fachgebiete halt nicht wie Belletristik aus dem Boden schießt. Dennoch werden wir fündig – natürlich: Heinz erwirbt einen Vierhundert-Seiten-Schinken über die Mittagsblumen dieser Welt, die zu 99,9% im südlichen Afrika beheimatet sind, und ich erstarre vor Glück, als ich tatsächlich den beinahe druckfrischen zweiten Band von Coleen Mannheimer über die Flora Zentral-Namibias entdecke, an den ich schon gar nicht mehr glauben wollte: vor einigen Jahren bekam ich ihr Pflanzenbestimmungsbuch über die südliche Namib geschenkt und war begeistert, denn es ist einer der besten Pflanzenführer über diese Gegend, die man bekommen kann. Auf dem Buchrücken war, neben Autoren und Titel, eine „1“ vermerkt, was ja durchaus einen zweiten Band nahelegt. Der jedoch war nirgendwo zu finden: keine Andeutung darauf im Vor- oder Nachwort, kein Resultat im Internet, kein sonstiger Hinweis. Doch jetzt liegt die so lange erhoffte Fortsetzung tatsächlich vor mir! „Der ist letzte Woche erst reingekommen,“, sagt der deutschsprachige Buchhändler zu mir, „und wurde von Frau Mannheimer persönlich signiert!“ Naja, die Unterschrift der sehr wertgeschätzten Botanikerin ist mir im Moment relativ wurst, wichtig ist nur, endlich dieses zweite Buch der Reihe, das das zentrale Hochland Namibias botanisch abdeckt, endlich in Händen zu halten! Beglückt bezahlen Heinz und ich unsere Schätze und machen uns entspannt an die weitere Erforschung der Windhoeker Innenstadt, der wir ja auch noch ein paar Souvenirs aus den Rippen leiern möchten – von Makalaninüssen abgesehen…
Zu diesem Behufe marschieren wir jetzt erst mal durch die Post Mall Street, in der wir auf unserer letzten Tour auf ein äußerst verheissungsvolles Geschäft gestossen waren; der kleine, kioskähnliche Laden inmitten dieser touristisch belebten Fussgängerzone stellte sehr ansprechende Souvenirs in seinen knapp bemessenen Schaufenstern aus. Leider waren sie allesamt nicht ausgepreist und das Geschäft hatte damals zudem schon geschlossen. Heute hingegen ist noch geöffnet und alles mit Preisschildern bestückt – nur bei den Gegenständen, die uns wirklich gefallen, müssen wir nachfragen. Und wie sollte es auch anders sein: schier astronomische Preise werden uns daraufhin genannt; Preise, die uns die Kauflust durch ihre Unverschämtheit von Grund auf austreiben. Doch was hatten wir erwartet, hier, in der zentralen Shopping-Meile Windhoeks?! Unverschämte Preise, ja! Nichtsdestotrotz fühlen wir uns ein wenig verarscht und kehren deshalb dem Laden demonstrativ den Rücken, um uns auf die Suche nach attraktiveren Waren zu machen. Zielgerichtet steuern wir hierbei auf ein Geschäft zu, in dem wir letztes Jahr noch wundervolle, antiquarische Bücher erstanden hatten. Den Laden gibt es auch heute noch – physikalisch – doch das Angebot hat deutlich gewechselt: ein Handyshop, was sonst… Tja, das entspricht dem typischen Gang der Ding heutzutage; weg mit dem analogen Kack, her mit den crossmedialen Gesamtvernetzungtools, die uns das Denken und die Phantasie immer mehr abgewöhnen. Heinz und ich sind etwas frustriert, stürzen uns aber dennoch todesmutig in die Höhle des Löwen, sprich in die Smartphonehölle, um nach dem Verbleib des Vormieters zu fragen. Bücherladen? BÜ-CHER-LA-DEN? Es ist, als erkundigten wir uns auf Mandarin nach einem völlig unbekannten, ja fast bedrohlichen Phänomen, von dem nur Eingeweihte jemals etwas gehört haben. BÜ-CHER-LA-DEN??? HIER? Niemals, und wenn, dann muss das schon ewig her sein. Ja, so ziemlich genau zwei Jahre. Der Handyman kuckt uns an, als sprächen wir von zwei Lichtjahren. Nein, da könne er uns nicht weiterhelfen. Na, unter diesen Umständen völlig klar.
Höflich verabschieden wir uns und denken kurz über verlässlichere Auskunftsquellen nach, wovon uns tatsächlich eine recht schnell einfällt: im Innenhof dieses Gebäudes, das auch die ehemalige Kaiserkrone, heute The Gourmet, beherbergt, gibt es schon seit mindestens 25 (Licht-)Jahren ein Juweliergeschäft, in dem man wissen sollte, wo der antiquarische Laden abgeblieben ist. Also steuern wir auf den Juwelenshop zu, den zu betreten uns ein wenig Sorgen bereitet – schließlich sehen wir nicht gerade standesgemäß aus, nicht gerade finanzstark. Doch der Zufall kommt uns zu Hilfe. Ein älterer, sehr distinguiert wirkender Herr schließt soeben das Geschäft von außen ab und gibt uns freundlich und bereitwillig Auskunft: ja, das Antiquariat sei verzogen in die alte Brauerei, drüben bei der Mandume Ndemufayo und es sei so schade, dass sich stattdessen immer mehr nichtssagende, schnelllebige Shops in dieser Mall die Klinke in die Hand gäben. Dem können wir nur vollen Herzens zustimmen, ändern aber können wir es leider nicht. Herzlich danken wir dem hilfsbereiten Juwelier und begeben uns wieder hinaus auf die Mall.
Tja, was nun? Dem Kunstgewerbe-Areal der Alten Brauerei hatten wir schon einen kurzen Besuch abgestattet, als Annette und Jochen uns in der Stadt abgesetzt hatten und es als zu kommerziell befunden. Außerdem müssten wir jetzt den ganzen Weg in die Mandume Ndemufayo zurücklatschen – und dazu haben wir definitiv keine Lust. Also vertagen wir die Sache mit dem Antiquariat auf unseren nächsten Windhoek-Besuch und überqueren stattdessen die Independence, um den Open-air-Souvenirmarkt in Augenschein zu nehmen. Oh, ja, das ist schon mehr nach unserem Geschmack! Natürlich gibt es auch hier den üblichen „Kram“, doch zwischen der touristischen Massenware schlummert durchaus das ein oder andere Stück, das ein wenig aus der Reihe fällt – und sei es nur, weil es in der Proportion etwas missglückt erscheint. Aber genau so was suchen wir. Heinz ist zum Beispiel schon lange auf der Suche nach einem ansprechenden Perlhuhn und erblickt auf diesem Markt so einiges, was ihm gefällt. Allerdings möchte er erst das gesamte Angebot sichten, bevor er zuschlägt. Das aber ist recht zeitaufwändig, denn an jedem der Stände wird man angesprochen, in ein Gespräch verwickelt und aufs Aufdringlichste zum Kauf animiert. Wir sind, wie immer beim Souvenirshopping, ein bisschen genervt, wollen jedoch nicht unhöflich erscheinen und finden deshalb für jeden Verkäufer ein paar verbindliche Worte, bevor wir zum nächsten Stand weiterziehen.
Nach einer dreiviertel Stunde schließlich haben wir alles gesehen und treten den Rückweg an, wobei wir zielgerichtet die Stände besuchen, in denen wir etwas Interessantes erspäht hatten. Hatten. Denn leider haben wir mal wieder die Zeit aus den Augen verloren und dabei auch noch völlig verdrängt, dass wir ja in Windhoek sind – der Stadt, in der die Gehsteige zu dörflichen Zeiten nach oben geklappt werden… Und so müssen wir leider feststellen, dass fast alles, was wir auch nur ansatzweise begehrenswert fanden, mittlerweile in irgendwelchen Kartons verschwunden ist und zum Abtransport bereitsteht. Ein hübsches geschnitztes Hühnchen aber entdecken wir doch noch und Heinz greift kurz entschlossen, nach langen Preisverhandlungen, zu. So, nun ist unserer Einkaufslust, zumindest im Ansatz, Genüge getan und wir könnten uns gemächlich auf den Weg zu unserem Camp machen, wäre da nicht eine besonders sympathische Verkäuferin, die unbedingt eine ihrer Straußeneier-Ketten an meinem Hals sehen möchte. Mit Charme und unglaublichen Schmeicheleien schafft sie es tatsächlich, mir ein derartiges Geschmeide aufzuschwatzen. Als ich bezahlen will und Heinz darauf besteht, mir die Kette zu schenken, bricht sie vor (gespielter) Rührung fast in Tränen aus: so eine große Liebe, so ein schönes Paar, so eine wundervolle Kette! Die Kette ist wirklich schön; aber gut, dass sie kein Sinnbild unserer Liebe ist, denn die kleinen Plättchen aus Straußeneierschale sind so eng auf den Trägerfaden gefädelt, dass sie bei jeder Bewegung meines Halses winzige Hautpartien wie mit einer Beisszange erfassen und mir ein schmerzhaftes Tragegefühl vermitteln. Also packe ich das Geschmeide in meine Tasche und nehme mir vor, zuhause ein paar Plättchen herauszubrechen, um das gute Stück tragbar zu machen. Heinz ist ein wenig enttäuscht, dass sein Geschenk so gemein zu meinem Hals ist, aber als wir beschließen, jetzt sofort noch was essen zu gehen, erleuchtet ein vorfreudiges Grinsen sein Gesicht und die Enttäuschung ist vergessen. Das ist auch verständlich: seit wir nämlich vorhin am The Gourmet vorbei gekommen sind, schwebt uns beiden ein saftiges Straußencarpaccio mit pikant-krümeligen Parmesanspänen und dem erfrischenden Hauch einer Zitronenmarinade vor dem geistigen Auge. Während wir nun hurtigen Schrittes die Independence erneut überqueren, läuft uns schon das Wasser im Munde zusammen – wie dem Esel, dem man eine Karotte vor die Nase gebunden hat…
Und juhu, es ist sogar noch ein hübsches Plätzchen auf der überdachten Terrasse frei, auf dem wir uns ungeduldig und schon fast sabbernd niederlassen und sofort schwelgend in der Speisekarte versinken. Aaaah, Carpaccio, uuuuh, Grillteller, ooooh, Steak, mhhhhm, Pizza! Sollen wir nur eine Vorspeise nehmen oder doch gleich noch „was G’scheids“ dazu? Nicht, dass Annette was gekocht hat und wir keinen Hunger mehr haben. Ach was, egal! Die Auswahl ist so verführerisch, dass wir uns ein volles Menü bestellen und dies, vor Genuss schweigend, über unsere lechzenden Zungen gleiten lassen, verzückt mit den Zähnen zerkleinern, um anschließend jeden Bissen mit Andacht zu schlucken und sorgsam im Magen zu verstauen. Was für eine Gaumenfreude! Satt und mehr als zufrieden lassen wir den letzten Schluck Bier durch unsere Kehlen rinnen, dann bezahlen wir und machen uns endlich auf den Weg zu unserem Camp, das in der Schanzenstraße liegt. Annette hatte heute Morgen noch gesagt, es wäre nicht weit: das Camp hat Hausnummer zwei und das müsse ja dann ziemlich am Anfang der Schanzenstraße liegen. Tja, damit hatte sie durchaus recht; das Camp liegt tatsächlich am Anfang besagter Straße, nur leider steigen die Hausnummern nicht von der Innenstadt weg, wie in Deutschland, sondern zählen von draußen nach drinnen hoch. Somit haben wir nun echt eine richtige Meile vor uns, die wir mit unseren vollen Bäuchen und vom Shoppen geplagten Füßen nur stöhnend und schnaufend bewältigen. Zwischendurch vergewissern wir uns sicherheitshalber nochmal bei einer einheimischen Dame, die wir auf der Straße ansprechen, ob wir auch wirklich auf dem richtigen Weg sind. Ja, sagt sie, und deutet weit, weit in die Ferne… Ohje! Schließlich aber kommen wir doch noch an – gerade rechtzeitig. Denn es wird allmählich ziemlich finster, was jedoch nicht nur an der hereinbrechenden Nacht liegt, sondern auch an einem dräuenden Gewitter, das, kaum haben wir das Camp betreten und unsere Freunde lokalisiert, wie aus Kübeln losplöddert. Mit einem beherzten Hopser retten wir uns unter unser Gazebo, das Annette und Jochen strategisch günstig vor dem überdachten Bereich unserer Campsite aufgebaut haben und lassen uns ermattet in unsere bereitstehenden Campingstühle niedersinken. Puh, für heute reicht’s uns!
Unsere Freunde, die schon vor etlichen Stunden im Urban Camp angekommen sind, haben dankenswerterweise bereits alles aufs Trefflichste eingerichtet, sogar unser Zelt steht schon – und nun empfangen sie uns mit einem Willkommensbier, einem kleinen Sparmenü, vielen Fragen über unseren Tag und ebenso vielen Erzählungen über den ihren. Mich lullen das Gerede und der prasselnde Regen allerdings so tierisch ein, dass jetzt erst richtig merke, wie sehr mich dieser Shoppingtag ausgelaugt hat – stehenden Fußes verabschiede ich mich deshalb und falle in unser Zelt, richte es rasch behaglich her und kuschle mich dann sofort in meinen Schlafsack. Innerhalb von Sekunden bin ich weg. Heinz, der sonst immer derjenige ist, der, z. B. während der längeren Autofahrten, sofort wegdämmert, harrt diesmal wacker aus und isst sogar noch was… Ich hingegen bin jenseits von Eden und schlafe einen kurzen, aber sehr gerechten und noch erholsameren Schlaf der Erschöpften, bevor ich mich wieder hochrapple und doch noch versuche, am abendlichen Campleben teilzunehmen. Verstrubbelt krabble ich aus dem Zelt und geselle mich zu Annette und Jochen, die entspannt am Tisch sitzen. Heinz ist gerade telefonieren, er nutzt den großstädtischen Megaempfang, um daheim anzurufen, sagen mir die beiden. Tja, das könnt ich auch mal tun, denke ich gerade, als Heinz, ebenfalls völlig verstrubbelt, aus dem Gestrüpp hinter unserer Campsite wieder auftaucht. „Huh!“, sagt er, „jetzt hab ich telefoniert und mich dabei eben mal gegen den Zaun gelehnt. Und der hat so was von Strom drauf! Mei, hat mir das eine geschnalzt. Gut, dass ich ned a no meinen Bedürfnissen nachgegeben und dagegengestrullert hab…“
Bei dieser Vorstellung müssen wir laut auflachen; aber wir sind froh, dass der Zaun tatsächlich ordentlich unter Strom steht, denn das verspricht Sicherheit und eine ungestörte Nachtruhe inmitten der Großstadt. Mit diesem Wissen beschließen wir bald den Abend und begeben uns in unsere gut befriedeten Zelte, um möglichst viel Kraft für den morgigen Fahrtag zu tanken.
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