Wir schaffen nichts wirklich Wichtiges, aber dennoch den Weg zur Ondekaremba Farm bei Windhoek mit einer letzten Nacht unter freiem Himmel. Gewohnt früh stehen wir auf, denn wir müssen packen, aufräumen, saubermachen, ordnen, sortieren, das Auto für ein weiteres Jahr des Stillstands in der Garage bereit machen. Wir tun es einfach, aber irgendwie ist es ein seltsames Gefühl; wie immer, wenn etwas Schönes zu Ende ist und der Alltag, der ja auch was hat, wieder loszugehen droht.
Annette und Joachim arbeiten auf Handgepäck hin, der Rest soll im Landy bleiben, ich stopf mein Zeug einfach in die Reisetasche und freu mich, dass ich erst überübermorgen richtig packen muss. Nach einem letzten Frühstück im Trockenbett des Campsite-II-Flusses, dem Gepacke und Gewienere, fahren wir das treue Auto am Farmhaus Ondekaremba vorbei zur Parkhalle, wo es die nächsten Monate diebstahlsicher verbringen wird. Ein bisschen Smalltalk mit den Ondekaremba-Rusts, dann bringt uns Opa Rust zum Flughafen, wir umarmen uns alle noch einmal heftig und schon fliegen Annette und Jochen via JHB nach Frankfurt, nehmen den Zug nach München, um gleich im Anschluß wieder rechtzeitig zur Arbeit zu erscheinen.
Ich starte ca. 1,5 Std. später nach JHB, habe aber noch zwei Tage der Karenz, auf die ich allerdings auch hätte verzichten können. Daniel, unser wegen Krankheit ausgefallener fünfter Mitreisender hat geschäftliche Beziehungen in JHB und eigentlich wollten wir noch zwei Tage dort verbringen und uns die Stadt und ein bisschen Umland von einem Native zeigen lassen. Nun aber ist Daniel nicht mit von der Partie gewesen, mein Flug war bereits gebucht, somit bleiben mir noch zwei Tage in JHB – Ende Mai…
Pünktlich landet mein Flug in Johannesburg, das Gepäck wird Stunden später auf einem der drei Carousels ausgespuckt. Die Nummer meines gebuchten Hostels (Africa Centre Lodge) hatte ich vorsichtshalber schon mal im Handy gespeichert, falls irgendwas nicht ganz nach deutscher Planung sollte… Und der Service der Africa Centre Lodge, die zwar kein wirklicher Freund von Buchungsbestätigungen ist, stellt sich als outstanding heraus. Als ich endlich meine Reisetasche in Händen halte und sie in den Arrival-Bereich rollere, steht da freudig strahlend ein schildwedelnder Abholer, der geduldig 3 Stunden meiner geharrt hat und auch noch gut gelaunt erträgt, dass ich zum Geldwechseln muss.
Mein Zimmer ist sehr hübsch, mehr als zweckmäßig und kuschelig, wenngleich auch ohne Heizung – und das bei fast arktischen Temperaturen des Nachts. Es ist so kalt in Johannesburg, dass ich sämtliche Pläne bezüglich touristischen End-Shoppens oder gezielter Flohmarktbesuche verwerfe und mich einfach in einer dicken Decke an den Pool packe. Da ist es windgeschützt, die Sonne scheint den ganzen Tag dort hin und – man kann sehen, wer im Hotel ein und aus geht. Zudem lerne ich viele nette Leute kennen, die es genauso friert wie mich. Langsam gelingt es mir, meine Eindrücke in Ruhe zu sortieren, ich komme wieder runter von diesem „Wie-soll-ich-jemals-wieder-arbeiten-Gefühl“ und schaffe es tatsächlich, mich meiner Urlaubslektüre zu widmen: David Quammens „Das Lächeln des Tigers“. Hätte ich das mal vor Romeo gelesen…
Pünktlich zur Abreise am 22. bin ich fertig mit dem Buch und komischerweise irgendwie bereit, heimzufliegen. Der fröhliche Abholer wird zum bedauernden Rückbringer, er liefert mich am Flughafen ab. Beim Vor-Wiegen meiner Tasche bibbert mich die Wiegetante blaugefroren an, am Checkin sitzen die Damen missgelaunt mit Handschuhen, es ist kalt und ungemütlich. Trotzdem fällt mir der Abschied schwer, so schwer. Am ganzen Flughafen gibt es – nach langer Suche werde ich fündig – zwei Orte, die einigermaßen kuschelig warm sind: das Damenklo und die Raucherlounge. In letzerer steht ein Sofa, auf das ich mich fläze, ein Abschieds-Castle konsumiere und ein paar Tränen verdrücke, bis mein Flug aufgerufen wird. Als Nichtorganisiert-Reisende, ohne Vorabend-Check-In und zudem fliegenderweise noch alleine unterwegs, werde ich in die hinterste 4er-Reihe „verbannt“, gleich beim Klo (was ja auch nicht der schlechteste Platz ist). Das ganze Flugzeug ist bis auf den letzten Platz besetzt, nur die drei Sitze neben mir bleiben frei. Ein müder Herr aus der Reihe vor mir und ich zwinkern uns verschwörerisch an und gleich nach dem Start machen wir uns dort breit und auch flach; ich schlafe wie ein Baby. Auf halber Flugstrecke nötigt mich meine Blase zum Aufstehen und als ich verrichteter Dinge wieder zu meiner Sitzreihe zurückgehe, fällt mein Blick aus einem der Fenster. Eine sehr niedrige, dichte Wolkendecke überzieht das unter uns liegende Gebiet und dort tobt ein Gewitter. Wie ein Stroboskop toben die Blitze, erleuchten die mächtigen Wolken, lassen sie fast bläulich-weiß erstrahlen. Es ist wunderschön und erst, als der letzte Blitz ausgezuckt hat, mache ich mich wieder auf meiner Sitzreihe flach – glücklich lächelnd.
Ausgeruht komme ich in London an, staue mich entrückt durch die kilometerlangen Schlangen vor den Sicherheitskontrollen und fast unversehens lande ich in München. Da genieße ich, wie immer, den Blick aus den sich neigenden Flugzeugfenstern auf meine Heimat, die kleinen Raps- und Getreidefelder, die roten Dächer, die Berge und ebenso wie immer wird mir dabei warm ums Herz. Daheim!
Am 23. Juni 2008 werde ich in Maun landen und genau das selbe Gefühl wieder haben: zuhause zu sein… Doch wer sagt, dass man nicht mehrere Heimaten haben kann!
Bild 2 © Louis
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