Nach einem gemütlichen Frühstück an den Popa Falls brechen wir auf in Richtung Otavi, wo wir heute Jens (er bleibt noch vier Wochen in Namibia) auf einer Farm abliefern werden. Die Strecke ist recht kurzweilig, überall am Straßenrand sind Souvenirs ausgestellt, die vom Üblichen teilweise stark abweichen: geschnitzte Flugzeuge, Loks und anderes technisches Gerät in allen Größen; wunderschön anzusehen und mit sehr viel Liebe zum Detail gefertigt. Wir kommen allerdings nicht dahinter, warum in dieser Region derart ungewöhnliche Souvenirs gefertigt werden. Doch man muss nicht alles wissen…
Gegen Mittag erreichen wir Grootfontein und nutzen einen der örtlichen Supermärkte, um noch ein paar Lunchleckereien zu erstehen, die wir dann am Straßenrand auf einem Picknickplatz genüsslich verzehren. Da es in dieser Gegend nicht gerade vor Sehenswürdigkeiten wimmelt, wir aber genügend Zeit haben, beschließen wir, den Hoba-Meteoriten nahe Grootfontein zu besichtigen. Der Stein aus dem All ist der größte Meteorit, der bis dato auf der Erde gefunden wurde und wiegt um die 55 Tonnen. Sein Alter kann nur geschätzt werden, aber er soll wohl zwischen 190 und 410 Millionen Jahre alt sein. Das klingt alles recht beeindruckend, aber wenn man den Klotz dann live sieht, verfliegt die Ehrfurcht. Lieblos präsentiert liegt der dann doch wenig imposante Brocken in einer Art Amphitheater und wer ihn einmal gesehen hat, muss das sicherlich nicht wiederholen.
Am Nachmittag sind wir bereits in Otavi, also nahe der Farm. Jens ruft dort an, um uns anzukündigen: vom Farmhaus bis zum Tor braucht man mit dem Auto wohl 10 Minuten und man will uns rechtzeitig das Gatter öffnen. Schon beeindruckend, diese Dimensionen namibischer Farmen – die Strecke von meiner Haustür bis zum Gartentor bewältige ich in gerade mal 15 Sekunden! Wir werden vom Farmbesitzer, der natürlich deutsch spricht, äußerst herzlich empfangen und zum Farmhaus geleitet. Dabei durchfahren wir mehrere Gatter. Diese Farm ist nicht nur ein landwirtschaftlicher Betrieb, sondern verdient auch Geld mit jagdfreudigen Touristen. Deshalb untergliedern mehrere Zäune das Gelände und trennen das Jagdgebiet vom Weideland.
Wir werden unglaublich warmherzig begrüßt, gleich zu Kaffee und Kuchen eingeladen und selbstverständlich dürfen wir auch unsere Zelte für die Nacht auf dem gepflegten Rasen aufstellen. Dennoch fühle ich mich so unwohl wie schon lange nicht mehr. Das Farmhaus, das so wunderschön liegt, ist derart deutsch und lieblos eingerichtet, gerade so, als wäre die Zeit in den 60ern stehen geblieben. Ein Jagdgast gesellt sich zu unserem Kaffeekränzchen und er verkörpert die Sorte Namibiatourist, bei der sich mir die Nackenhaare aufstellen. Dickbäuchig, markig, mit tausendtaschigem Survivalwestchen bekleidet, gibt er Phrasen von sich, die einem Denken entspringen, das lange schon der Vergangenheit angehören sollte. Der gute Mann macht geistig Urlaub in Deutsch-Südwest, nicht in Namibia; dementsprechend gibt er sich auch. Mir liegt es völlig fern, die Gastfreundschaft der Farmfamilie mit Lästereien zu danken, aber ich, und nicht nur ich alleine, befinde mich gerade im völlig falschen Film.
Dankbar entfliehen wir bald dieser Gänsehaut-Situation und errichten unser Nachtlager. Als mein Zelt steht, kuschelig eingerichtet ist und ich mich neugierig umblicke, erspähe ich in ca. 150 Metern Entfernung einen Geparden. Annette, kuck mal, höre ich mich noch sagen und zeige auf die gesprenkelte Katze. Ich sehe genau, wie das Tier meiner deutenden Handbewegung mit den Augen folgt, sich im selben Moment blitzschnell vom gemütlichen Liegen in stehende Position aufrichtet und im Affenzahn auf mich zugaloppiert. Auf so etwas war ich nun überhaupt nicht gefasst, mein Herz bleibt fast stehen, die komischsten Gedanken schießen in Sekundenbruchteilen durch meinen Kopf, wie angewurzelt stehe ich da. Annette stößt ein „Jetzt-würde-ich-aber-aufpassen“ hervor, ich denke mir gerade noch „Wie denn, bitte?“, als er schon bei mir ist und sich mit seinen ungefähr 60 kg auf meine Schultern wirft, mir die Zunge übers Gesicht zieht und dabei schnurrt wie eine Motorsäge. Es dauert, bis ich realisiere, dass der Gepard einfach nur schmusen und spielen möchte, dass er so zahm ist, wie eine Raubkatze nur zahm sein kann. Langsam lässt das Zittern meiner Hände nach und ich beginne es zu genießen, der großen Katze Streicheleinheiten zu verpassen.
Der Gepard, Romeo wird er genannt, verwaistes Baby aus einem Dreierwurf, wurde auf der Farm großgezogen und ist mehr oder weniger eine grosse Hauskatze. Er packt ordentlich zu, wenn er spielt, kann bisweilen richtig lästig sein, wenn er dich aus dem Off von hinten niedergaloppiert, er schmust, indem er dir mit einem ungestümen Katzenköpfer einen halben Schädelbruch zufügt, beißt zärtlich lang-bleibende Male in den Arm, schnurrt unglaublich laut und anheimelnd, fängt alles, was an einem zuppelt, wie Jackenzipfel, Haare, Fotoapparatbandl. Ein zweischneidiges Erlebnis, denn einerseits – alter Katzennarr, der ich bin – würde ich ihn am liebsten mitnehmen, auf der anderen Seite schockiert mich die derart gelungene Domestizierung eines großartigen Tieres. Romeo kennt es nicht anders, beruhige ich mich selbst und küsse ihn auf seine breite Nase…
Bild 1, 3 © Louis
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