Der Morgen in Morondava beginnt verheißungsvoll!
Ausgeruht springen wir frühmorgens aus dem Bett und begeben uns auf die Restaurant-Terrasse, um dort unser Frühstück einzunehmen. Ein Frühstück, für das ich eigentlich gar keine Zeit habe, denn auch Fonzy ist munter und verlangt nach Zärtlichkeit. Zwischen einigen Krauleinheiten schiebe ich mir Spiegelei und Baguette in den Mund, schlürfe brav meinen Tee. Heinz wechselt sich mit mir ab, sodass wir Fonzy schließlich schweren Herzens, aber gut durchgeplüscht, zurücklassen können. Wir kommen wieder, du Süßer! Eilig packen wir unsere Habseligkeiten, bezahlen unsere Mahlzeiten und traben zum Parkplatz, wo Mamy und Fitah bereits unser Gepäck verstauen, das sie freundlicherweise wieder für uns geschleppt haben. Guten Morgen! Mamy strahlt uns an und verkündet gute Neuigkeiten: er hat heute schon mit dem Büro telefoniert und unser Bungalow im Kirindy geht klar! Wir sind erleichtert und freuen uns jetzt, da alles geklärt ist, noch mehr auf unsere Tage in dem einzigartigen Trockenwald, der auf den ersten Blick vielleicht wenig attraktiv wirkt, aber so viele Schätze beherbergt. Jauchzend danken wir Mamy und signalisieren ihm, dass wir fahrbereit sind. Nur wegen des Kartons müssten wir nochmal anhalten. Mamy nickt. Ich öffne die hintere Tür des Autos, um meinen Tagesrucksack unterzubringen und will mich gerade auf die Rückbank schwingen, als ich etwas erblicke – ein Korb aus Palmblättern steht da neben meinem Platz, nicht zu klein, nicht zu groß und mit einem hübschen Muster versehen. Ich bin baff. „Mamy, du hast mir ein Büro besorgt?!“ Mamy nickt abermals und grinst mich an. „Wann hast du das denn gemacht?“ „Ich war beim Autowaschen und danach beim …“ Vor lauter Freude über diese Aufmerksamkeit ersticke ich seine Erläuterungen in einer dicken Umarmung. Ob das angebracht und schicklich ist, ist mir in diesem Moment egal, ich muss meiner Freude über diese Geste einfach Ausdruck verleihen. Und Mamy hat kein Problem damit, im Gegenteil. Er strahlt übers ganze Gesicht und ist ziemlich gerührt, dass er mir mit diesem einfachen Korb eine derartige Freude machen konnte. Nein, Mamy, es ist nicht der Korb allein, es ist die Geste und die Tatsache, dass du ein liebevolles und aufmerksames Herz hast. Danke dafür! Ach, was für ein Start in den Tag. Ein Tag, der unter diesen Vorzeichen doch nur gut werden kann.
Eine legendäre Sehenswürdigkeit?
Wir klettern ins Auto und starten unsere Fahrt nach Kirindy. Während wir Morondava durchqueren, räume ich mein Bürokörbchen ein, dann konzentriere ich mich wieder auf das, was um uns herum geschieht. Wir verlassen den quirligen Ort, in dem auch zu dieser frühen Stunde schon wieder der Bär steppt und biegen nach einer Weile links ab. Schlagartig wird es ruhiger, ländlicher, ja, fast menschenleer. Eine staubige Holperstraße führt durch recht verbuschtes Gelände, das von zahlreichen Baobabs überragt wird. Einer ist schöner als der andere und Heinz und ich können uns schon wieder nicht sattsehen. „Wartet, gleich kommen wir zur Baobab-Allee!“, verkündet Mamy. Zur Baobab-Allee, zu DER Baobab-Allee? Diese Allee ist weltbekannt, es gibt Touristen, die nur deswegen nach Morondava fliegen, sie ist das Bild, das vielen bekannt vorkommt, obwohl sie noch nie in Madagaskar waren, und zudem nicht mal wissen, wo diese Baumriesen überhaupt stehen. Auch wir haben natürlich genau dieses Bild im Kopf, unsere Erwartungen jedoch sind etwas ambivalent. Ist es wirklich so großartig, wie man auf zahlreichen Fotos sehen kann, oder handelt es sich hierbei mal wieder um eine gehypte Sehenswürdigkeit, die nur halb so viel Zauber verbreitet, wie man ursprünglich dachte? Da, da vorne! Wir rollen auf den Straßenabschnitt zu, der von den fotogenen Baobabs flankiert wird, wir passieren ihn, wir renken uns die Hälse aus, wir staunen, sind aber immer noch keinen Schritt weiter, ob unsere Erwartungshaltung nun erfüllt wurde oder nicht. Da stehen mehrere Dutzend Baobabs in Reih und Glied neben einer Straße. Imposante Stämme werden von skurril geformten Ästen gekrönt, die Bäume strahlen eine wahnsinnige Ruhe und Erhabenheit aus und sie gehören zudem der markantesten Spezies an. Die „Grandidieris“ stechen durch eine besonders augenfällige, einprägsame Silhouette hervor und sie haben eine durchaus begeisternde Wirkung auf uns. Aber nicht, weil sie diese Allee formen, sondern weil sie sind, wie sie sind. Vielleicht liegt das daran, dass wir eben ausgesprochene Pflanzenheinis sind und das Ganze von Haus aus mit anderen Augen sehen. Vielleicht aber auch daran, dass fast alle kursierenden Bilder bei Sonnenuntergang geschossen wurden – mit einer Extra-Portion Zauber sozusagen. „Auf dem Rückweg sind wir bei Sonnenuntergang hier“, sagt Mamy. Na ja, dann testen wir das touristische Highlight eben in ein paar Tagen nochmal an und sehen, wie seine Wirkung dann auf uns ist.
Unsere Jungs und unsere wahre Natur …
Wir lassen die Allee hinter uns und setzen unseren Weg fort. Ab und zu treffen uns dabei Mamys Blicke durch den Rückspiegel. Er ist wahrscheinlich aufgrund unserer mangelhaft enthusiastischen Reaktion über die Baobab-Allee etwas verunsichert. Wir hatten unseren beiden Jungs zwar schon erzählt, dass wir hochgradig botanisch interessiert und deshalb eventuell ein wenig anders sind, als andere Touristen, doch so ganz scheinen sie das nicht zu glauben. Spätestens jedoch, als ich mitten auf der Strecke „Stopp“ rufe, Mamy irritiert um sich schaut, aber nichts entdecken kann und deshalb erst nach einem zweiten, energischeren „Stopp“ langsam abbremst, dämmert ihm wohl, dass er doch etwas seltsame Touris an Bord hat. „Was hast du gesehen?“ „Ich glaube, da war eine Orchidee. Aber wir sind schon ein gutes Stück vorbei.“ „Orchidee, aha?! Ich setze mal zurück und wenn du sie siehst, sag Bescheid.“ Langsam fährt er rückwärts. Fitah, der gerade mal wieder aus seinem üblichen Fahrschlaf erwacht ist, fragt verwirrt, was denn los sei. „Orchid.“ „Orchid??“ Nachdem wir etwa 400 Meter zurückgerollt sind, sehe ich endlich die weißen Blüten im dürren Gestrüpp, die mich vorhin so angeleuchtet hatten. „Mamy, hier!“ „Oh ja, Orchideen, tatsächlich!“, staunt Mamy. Begeistert klettern Heinz und ich aus dem Auto und nähern uns den Blumen, die recht spärlich, aber unübersehbar über mehrere Meter in lichter Höhe im Gebüsch verteilt sind. Ein ellenlanger Trieb schlängelt sich von Ast zu Ast und stellt wunderschöne Blüten zur Schau, die in dieser dürren Umgebung fast unwirklich erscheinen. „Uih, das ist eine Vanilla“, meint Heinz fachmännisch und sucht sich den besten Standort, um die Blüten möglichst gut sehen zu können. Mamy tut es ihm gleich und bestätigt, dass das tatsächlich eine Vanilla sei. „Die wird bei uns als Aphrodisiakum verwendet. Mein Großvater hat sie oft als Medizin genommen und als ich ihn fragte, warum – ich war damals noch ein kleiner Junge – sagte er, das sei gegen Bauchschmerzen. Bauchschmerzen, hihi!“ Wir amüsieren uns mit Mamy, der sich über die pikante Erinnerung scheckig lacht.
Als wir die Vanille gebührend begutachtet und fotografiert haben, schicken sich unsere Jungs an, wieder im Auto Platz zu nehmen, doch Heinz und ich, einmal losgelassen beziehungsweise ausgestiegen, verfallen in unser übliches Verhaltensmuster und büxen aus. Heinz ins Gebüsch auf der anderen Straßenseite, ich ins Gestrüpp weit vor dem Auto, wo ich vorhin, bevor wir zurücksetzten hatten, einen recht straßennahen, früchtetragenden Baobab entdeckt hatte. Mamy und Fitah sehen ihren Touri-Schäfchen verdattert hinterher, doch wir sind so in unserem Element, dass wir das kaum bemerken. Unbeirrt stapft Heinz in den Wald, weil er einen Vogel und interessante Bäume gesichtet hat und ebenso unbeirrt tauche ich ins dichte Geäst, weil dort ein paar Baobab-Früchte am Boden liegen, die noch ziemlich gut und fruchtbar aussehen. Mhm, Spezies Grandidieri oder vielleicht Rubrostipa? Ich hoffe auf Grandidieris und sammle die Schoten ein, bevor ich zufrieden in Richtung Auto zurückstapfe. „Ah, du bist wieder da! Das ist gut.“ Stolz präsentiere ich meine Baobab-Früchte und versenke sie im Büro. Mamy und Fitah sehen sich vielsagend-verständnislos an, sind aber heilfroh, dass Heinz und ich wieder heil zurück sind. Fitah sinkt ermattet auf den Beifahrersitz und nuckelt durstig an seiner Wasserflasche. „Heiß hier, sehr heiß!“ „Ihr müsst das doch gewöhnt sein, ihr wohnt doch in diesem Land?!“ „Mhm, nein, wir sind beide aus dem Hochland, da ist es viel kühler. Und hier ist es schon sehr, sehr heiß!“ Heinz und ich blinzeln uns amüsiert zu, leisten aber dem Wink mit dem Zaunpfahl widerstandslos Folge, obwohl es so viel zu sehen gäbe.
Aber da wir unsere Jungs mit der In-den-Busch-Kriecherei und der ungewohnten Hitze nicht überstrapazieren wollen, merken wir uns stattdessen ein paar sehenswerte Stellen für den Rückweg vor. Außerdem, so hoffen wir wenigstens, bekommen wir die gleiche Flora ja bei unseren Exkursionen im Kirindy Forest in aller Ruhe zu Gesicht.
Also schreien wir nicht gleich Stopp, als wir interessante lila Blüten, noch viel mehr Orchideen und sogar ein Pachypodium erspähen.
Nur bei ein paar Vasapapageien und einem Wiedehopf können wir nicht widerstehen… Die Vögel hüpfen und turnen in einem großen Baum am Wegesrand umher – in Sichtweite einer Lodge, die merkwürdig nüchtern und steril aussieht und einen zweifelhaften Ausblick auf eine brandgerodete Ebene bietet, auf der noch einige imposante Baobabs der menschlichen Gier trotzen konnten. Während wir die Vögel beobachten, wandert unser Blick immer wieder zu dem merkwürdigen Resort, das sich „Retrait du Kirindy“ nennt. War es das, was Fitah mit dem Hotel, in dem wir absteigen sollten, gemeint hatte? Puh, hier möchten wir ja nicht tot über dem Zaun hängen! Doch Mamy klärt uns auf: Nein, das wäre es nicht gewesen. Diese Lodge läge außerhalb des Kirindy Forest und sei auch jenseits unseres Preissegments. Mann, da verzichten wir doch gerne auf einen Pool und andere Annehmlichkeiten, die zudem noch ordentlich kosten, wenn man allein schon eine knappe Stunde Anfahrt hat, um in den Park zu gelangen! Froh lehnen wir uns zurück und lassen uns die restliche Strecke zu unserem eigentlichen Ziel schaukeln.
Wenige Kilometer nachdem wir die Lodge hinter uns gelassen haben, zweigt ein Sträßlein rechts ab, wird einspurig und taucht in dichten Wald ein. Die Fahrbahn ist, natürlich, weiter ungeteert und von tiefen Schlaglöchern durchsetzt, in denen sich schlammiges Regenwasser gesammelt hat. Es hat geregnet? Hui, hoffentlich bleiben wir hier, im sogenannten Trockenwald, von Niederschlägen verschont – die Regenzeit fängt doch erst in einem Monat an! Nun ja, wir werden sehen. Eine knappe Stunde später erreichen wir schließlich die Kirindy Forest Eco Lodge, den Ort, an dem wir die nächsten vier Tage und Nächte verbringen werden. Ein weiter Platz, umrandet von Wald, tut sich vor uns auf, wir stellen das Auto ab und Mamy, Fitah und Heinz machen sich zur Rezeption auf, während ich beim Auto bleibe und mich ein wenig umsehe.
Hotel? Nein, Hexenhäuschen!
Aha, hier scheinen die Personalunterkünfte zu sein, dort vorne das Restaurant und da drüben ist noch ein komischer schwarzer, mehrstöckiger Kasten, der nicht gerade einladend wirkt. Menschen, die wie Touristen aussehen, gehen dort ein und aus. Hah, das muss das sogenannte Hotel sein! Und nein, auch hier möchte ich nicht unbedingt einquartiert werden. Doch jetzt warten wir erst mal ab, wie die Bungalows sind und, vor allen Dingen, wo.
Eine knappe Viertelstunde später kehren die drei Jungs zurück, wir sammeln unser Gepäck zusammen und werden zu unserem Bungalow begleitet. Es geht am Restaurant vorbei, ein Stückchen in den Wald hinein, und da stehen sie: schnuckelige kleine Holzhäuschen mit Veranda, beschattet von hohen Bäumen, in relativer Sichtweite zueinander, und trotzdem weit genug voneinander entfernt, um eine gewisse Privatsphäre zu gewährleisten. Nach ein paar Weggabelungen bleiben wir stehen, vor einem Hüttchen mit der Nummer 10, Mamy und Fitah öffnen die Tür, absolvieren ihre übliche Sanitär-Inspektionsrunde und bitten uns schließlich herein. Euer Bungalow! Begeistert treten wir ein, Ja, so ungefähr hatten wir uns das vorgestellt! Gemütlich, ruhig, im Wald, ein Domizil, in dem wir den Kirindy Forest ganz für uns allein genießen können und trotzdem auf nichts verzichten müssen. Gut, der Bungalow ist klein und sehr basic, das Bett nicht gerade King Size und der Wasserdruck der Dusche so gut wie nicht vorhanden, aber das stört uns nicht. Es ist einfach schön hier und das genügt uns.
Mamy und Fitah lassen uns mit unserer Begeisterung allein, versprechen jedoch, bald mit dem uns zugeteilten Forest-Guide wiederzukommen, um das Programm für den restlichen Tag zu besprechen. Heinz und ich können uns noch wenig darunter vorstellen, lassen jedoch alles entspannt auf uns zukommen und richten uns erst mal häuslich ein, bevor wir schließlich auf der Terrasse Platz nehmen und unser schieres Dasein genießen.
Mamy Bruder?
Wir sitzen noch nicht lange, als Mamy und Fitah wiederkehren, einen Herrn im Schlepptau, der fast Mamys Bruder sein könnte. Er guckt ein wenig grummelig, lächelt nur kurz und stellt sich dann vor. „Christian, euer Guide für die nächsten vier Tage. Ihr seid gerade angekommen, deshalb schlage ich vor, wir machen heute noch keinen Nachmittags-Walk, sondern gehen erst abends los. Um sechs Uhr vorne am Parkplatz, vergesst eure Lampen nicht. Bis dann, genießt den Nachmittag.“ Christian, Mamy und Fitah nicken uns zu und entfernen sich wieder. Aha, interessant! Heinz und ich sind etwas verwirrt, denn noch immer können wir uns nichts Konkretes darunter vorstellen, wie die nächsten Tage wohl ablaufen werden. Fahren wir mit dem Auto, gehen wir zu Fuß, wie oft und wohin? Ach, was solls, wir haben Urlaub, sind hier, um unsere Zeit zu genießen und werden sicher noch früh genug erfahren, was auf uns zukommt.
Entspannt lungern wir den restlichen Nachmittag weiter auf unserer Terrasse herum, beobachten einige Vögel, Eidechsen und, natürlich, andere Touristen. Dann setzt die Dämmerung ein, es wird rasch dunkel und auch Zeit, uns zum vereinbarten Treffpunkt aufzumachen.
Was für ein Auflauf!
Am Parkplatz angekommen, erwartet uns schon Mamy, Christian und Fitah stoßen wenig später dazu und mit ihnen eine beeindruckende Anzahl anderer Guides und Touristen. Es wimmelt wie auf dem Rummelplatz. Heinz, ein geborener Optimist, ist leicht befremdet, lässt sich aber nicht aus der Ruhe bringen. Mir hingegen stellt es alle Nackenhaare auf, erst recht, als wir gebeten werden, ins Auto zu steigen, dann eine Viertelstunde in die Dunkelheit fahren, die keine ist, weil sich vor und hinter uns so viele andere Fahrzeuge in die selbe Richtung bewegen, dass der nachtfinstere Wald in der näheren Umgebung taghell erscheint. Dieser für mich unfassbare Volksauflauf erinnert mich stark an das unschöne Schimpansen-Tracking im Kibale vor drei Jahren. Unmengen von Touristen, uninspirierte Guides und eine Exkursion, die eher einer Massenveranstaltung glich, als einem einmaligen Erlebnis.
Extrem missgelaunt klettere ich aus dem Auto, als wir fünfzehn Minuten später unser offensichtliches Ziel erreichen – eine Art Parkplatz mitten im Wald, auf dem Mamy nur noch mit Müh und Not eine Lücke findet, in die er unseren Wagen einparken kann. Mit eingezogenen Bäuchen, die Luft anhaltend, schlängeln wir uns aus dem Gefährt – die Parklücke ist so eng, dass wir die Türen lediglich einen kleinen Spalt öffnen können. Wir scharen uns um Christian, der kurz kundtut, was wir jetzt vorhaben und folgen schließlich ihm und den Lichtern der Stirnlampen all der anderen Gruppen. Unser Programm? Nocturnal lemurs. Christian blickt auf seine Armbanduhr und stapft los. Wir brav hinterher.
Im Zickzack mäandert Christian auf kleinen Pfaden durch den nächtlichen Wald. Lange passiert nichts, überall zwischen den Bäumen blinken die Stirn- und Taschenlampen der anderen Gruppen und man hört die Leute mehr oder weniger laut reden. Wenigstens verläuft sich das Ganze besser als erwartet und wir begegnen nur selten anderen Touris, was mich wieder ein bisschen mit der Sachlage versöhnt. Und was mich jedoch noch mehr versöhnt: dem Volksauflauf zum Trotz ist unser tierisches Sichtungsglück erstaunlich gut.
Jede Menge Wolfsspinnen, deren Augen im Schein unserer Lampen wie Brillanten glitzern, ein Gabelstreifenmaki, der hoch über uns Saft von einem Baum leckt, ein Mausmaki, der uns aus riesigen Kulleraugen erstaunt anschaut und zum Anbeißen putzig ist, ein Rotschwanz-Wieselmaki und ein wunderschön gemusterter Großkopf-Gecko besänftigen mein aufgebrachtes Gemüt. Nach exakt einer Stunde piepst Christians Uhr – nicht mal das regt mich mehr auf – und ich merke, wie er offensichtlich zum Umkehren ansetzt. Das klingt jetzt, als wüßte ich genau, wo wir uns befinden. In Wahrheit habe ich jedoch längst die Orientierung verloren und würde allein wohl nur mit viel Glück wieder heraus finden. Der Wald ist von einem dichten Wegenetz durchzogen, die Pfade wie auf kariertem Papier stets im rechten Winkel zueinander angeordnet und, gerade jetzt bei Dunkelheit, sieht irgendwie alles gleich aus. Trotzdem erkenne ich nach einer Weile ein paar markante Bäume wieder – wir sind dem Parkplatz nahe. Und tatsächlich: fünf Minuten später lichtet sich der Wald und wir stehen erneut auf dem Abstellplatz, der sich bereits beträchtlich geleert hat. Etwas enttäuscht, gleichzeitig aber auch positiv überrascht von diesem Night Walk, klettern wir nach exakt eineinhalb Stunden wieder ins Auto und lassen uns ins Camp zurückkutschieren. Unsere einheimischen Begleiter verabschieden sich rasch von uns, nachdem sie den Zeitpunkt für den morgigen Morning Walk bekanntgegeben haben und verschwinden in ihren Unterkünften, um sich fürs Mannschaftsessen frisch zu machen. Wir verzichten auf diesen Zwischenschritt der Hygiene und steuern gleich auf das kleine Freiluft-Restaurant zu, wo wir uns gespannt an einem Tisch niederlassen. Eine freundliche Kellnerin bringt Speisekarten und nimmt unsere Getränkebestellung entgegen. So, was gibt es denn Gutes? Der Blick in die Karte jedoch ist ernüchternd. Mhm, sehr übersichtlich! Da werden wir wohl in den vier Tagen, da wir auf das Restaurant angewiesen sind, die Karte mehrfach rauf und runter essen müssen. Na ja, nicht so schlimm. Schlimmer wäre es, würde dieser Volksauflauf im Busch so weitergehen. Doch uns bleibt nichts anderes, als es mit einem gewissen Optimismus auf uns zukommen zu lassen.
Was die Verpflegung anbelangt, läuft unser Optimismus jedoch gleich mal ziemlich ins Leere. Bier gibt es nur in 0,33er-Flaschen (eine Beleidigung für jeden Bayern), Heinz’ Hühnchen ist zäh und mein Zebu ertrinkt in einer seltsamen Sauce. Aber wir wollen nicht meckern – die vier Tage werden wir schon überstehen, ohne vom Fleisch zu fallen. Heinz und ich zwinkern uns gegenseitig ermutigend zu, essen brav auf und beschließen dann, den Abend mit einem weiteren Zwergen-Bier auf unserer Terrasse zu beenden, in der Hoffnung, dort vielleicht noch etwas Interessantes zu sehen. Doch die Zeit verstreicht ohne weitere Ereignisse, unsere Hintern schmerzen schnell auf den unbequemen Holzstühlen, das Bier ist noch schneller leer und wir entscheiden uns, unseren Popos zuliebe, das Bett aufzusuchen.
Puh, ist das heiß hier herinnen! Rasch öffnen wir die Fenster, nein, die Fensterläden, denn Fenster hat der Bungalow keine, und auch Fliegengitter gibt es nicht. Sollen wir wirklich mit offenen Fensterluken schlafen? Die Fensterbretter befinden sich gerade mal auf Oberschenkelhöhe – da kann ja nachts alles an Getier reinkommen, was ein bisschen klettern kann! Ach, egal, wird schon passen. Aufseufzend kuscheln wir uns ins Bett, lassen den Tag mit all seinen Höhen und Tiefen revue passieren und schlafen dann rasch ein.
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