Eine Nacht in Savuti – und wir sind noch am Leben (hihi) und begeben uns auf eine vorfrühstückliche Morgenpirsch rund um Rhino Vlei. Vielleicht sind ja die Löwen noch da – nur wo? Nach einer Weile sehen wir in der Ferne mehrere Fahrzeuge, die sich nicht bewegen; ein untrügliches Zeichen, dass es da etwas zu sehen gibt. So schnell es der holprige Weg eben zulässt, begeben wir uns dorthin und werden von einem Leoparden überrascht. Malerisch auf einem umgestürzten Baum direkt neben der Fahrspur drapiert, lässt er sich von der Morgensonne den gefleckten Pelz wärmen. Der Anblick ist so begeisternd, die Nähe zu diesem Tier so faszinierend, dass man die anderen Autos ganz gut ausblenden kann. Wir hätten ihn wohl auch schwerlich entdecken können, den Tarnungskünstler, wären sie nicht gewesen. Des Leoparden Begeisterung hingegen hält sich in Grenzen, er zeigt sich sichtlich genervt. Bald steigt er, die Autos demonstrativ ignorierend, von seinem Baumstamm, durchschreitet lautlos das Gras, um sich noch viel fotogener vor einem Busch erneut niederzulassen.
Sofort werden diverse Motoren angeworfen und die Fahrzeuge, die alle der Savuti Safari Lodge oder irgendwelchen anderen Tourveranstaltern gehören, in optimale, dem Leoparden möglichst nahe Foto-Position gebracht. Natürlich wird dazu auch die Fahrspur verlassen. Es ist immer wieder bedauerlich erleben zu müssen, dass gerade die, die von dem leben, was die Natur zu bieten hat, nicht willens sind, ihren Gästen den angebrachten Respekt vor selbiger vorzuleben. Und wer sagt, dass bei dem stattlichen Preis ab 425 Euro pro Person und Nacht ein Leopard inkludiert sein muss, geschweige denn eine fotografische Beinahe-Rektoskopie der armen Katze. Trotzdem, immerhin das, wird der Safari-Benimm-Code befolgt, der da besagt, dass man sich nicht vor bereits stehende Autos stellt und den Insassen somit die Sicht nimmt. Wir, die wir immer noch brav an der Fahrspur stehen, haben nun fast den besten Blick. Der Leopard schaut ein paar Mal nach rechts und links bevor er weiterzieht, weg von der Fahrspur, bald verborgen durchs Gras. So schnell, wie wir dann alleine da stehen, können wir gar nicht schauen…
Die afrikanische Tierwelt wäre schon lange nicht mehr die heutige – bereits deutlich ausgedünnt, aber immer noch reichhaltig – gäbe es nicht diese hochpreisige Art des Tourismus – das will ich nicht in Abrede stellen. Auch nicht, dass ich es wahnsinnig geniesse, einem Leoparden so nahe sein zu können. Aber es hinterlässt jedes Mal einen schalen Nachgeschmack, einen so rücksichtslosen Hype erleben zu müssen. Meine Freundin Ute und ich waren letztes Jahr völlig unfreiwillig für drei Tage in der Tandala Lodge (Ruaha NP, Tansania) stationiert worden. Warum, weswegen? Eine lange Geschichte, zu lange. Doch wir waren nun mal da, auch wenn wir viel lieber im Bush genächtigt hätten. Ab sofort wurden wir somit als Lodgisten behandelt und „genossen“ den Rundum-Service des Luxus-Zeltcamps, das auch einen Fahrer nebst lodgeeigenem Fahrzeug einschloss. Der Fahrer war gepolt aufs Offroad-Fahren, sprich weg vom offiziellen Fahrweg, wann immer sich ein lohnendes Spektakel anbot. Er ignorierte unsere dringenden Bitten, auf den Wegen zu bleiben und begann schließlich auch noch, größere Steinchen in Gebüsche zu pfeffern, um dort verborgene Tiere, die man eventuell erahnen aber nicht wirklich sehen konnte, fotogen aufzuschrecken. Ein sehr kritisches Gespräch mit den Lodgebetreibern erbrachte uns nur den Status zweier „personae non gratae“. Wir müssten doch verstehen, dass 97 % aller Kunden genau das wollten, was wir so vehement ablehnen. Ein Urlaub in Afrika: viel zahlen, damit man rundum gepampert wird und auf keinen Komfort verzichten muss; viel Tier, schön nah, aber bitte nicht riechen, nur sensationell fotogen sein; es sei gefälligst alles aufzuwarten, was Afrika zu bieten hat, und wenn’s zu weit weg ist, fährt man eben ran. Gebucht, bezahlt, fotografiert, fertig, nächster Kontinent.
Zurück zum eigentlichen Thema: Nach diesem denkwürdigen Ereignis kehren wir zurück ins Camp, zur Siesta, sehen unterwegs noch einige Elefanten und einen wunderschönen Kudu. Die Zufahrt zum Camp wird uns allerdings zunächst verwehrt – von zwei grauen Wänden, sprich Elefanten, die mitten im Weg stehen und es überhaupt nicht eilig haben. Nach einiger Zeit, die wir mehr oder weniger Aug in Aug verbringen, lassen sie uns passieren, um bald darauf wieder auf unserer Site zu erscheinen und die Kameldornakazie ordentlich herzubeuteln. Die gemütliche Siesta nutzen wir zum Klamottenwaschen, lesen, Daten nachtragen, genießen, immer scharf beobachtet von einer ganzen Schar Tokos, die wohl darauf warten, dass wir zu Kaffee und Kuchen einladen. Aber nichts da, denn nachmittags sind wir schon wieder unterwegs und sehen uns die naheliegenden Bushman-Paintings an. Ein wenig spektakulärer Ort: man robbt über von tausenden von Touristenfüßen glattgewienerte Felsen, um schließlich auf dreieinhalb Zeichnungen zu stoßen. Der Ausblick von der Felskuppe hingegen lohnt sich; man hat einen weiten Blick übers Land. Die nähere Umgebung des Painting-Hills erkunden wir noch, bevor wir bei beginnender Dämmerung erneut zu unseren Zelten zurückfahren. Die obligatorischen Elefanten stehen wieder im Weg, eine neue Wagenburg hat sich gebildet; diesmal nur aus 7 Autos, was die Sache echt zu einer crowdy Angelegenheit macht. Aber die Sicherheitssüchtigen scheinen sich wohl zu fühlen. Wir auch, bei einem ruhigen Abend am Lagerfeuer, lediglich „gestört“ durch den Besuch eines mies gelaunten Honigdachses, der schimpfend unseren Platz überquert.
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