Früh raus aus den Federn ist heute angesagt, wollen wir doch vor unserer Weiterfahrt noch den nahe gelegenen Mahango NP besuchen. Das Aufstehen fällt mir nicht schwer, vielmehr flüchte ich fast aus dem Zelt, denn die Nacht war unerträglich schwül und alles klebt an mir. Zumindest eine kleine Erfrischungs-Katzenwäsche täte jetzt Not, aber am Waschhaus kommt mir Tommi seufzend entgegen – kein Wasser! Wie auch schon gestern Abend, doch da dachten wir noch, die Pumpe sei über Nacht abgeschaltet worden. Verschwitzt und ungewaschen trinken wir rasch ein wenig Tee und knabbern Kekse, bevor wir aufbrechen. Noch ist der Fahrtwind kühl und erfrischend, doch die Strecke zum Mahango Gate ist kurz und als wir dort ankommen, ist die Sonne schon wieder ganz am Horizont erschienen. Ein neuer, schwül-heißer Tag beginnt und trotz der frühen Stunde ist auf den ersten Kilometern nicht viel los, der Park wirkt wie ausgestorben. Wir biegen zu einer kleinen Lagune ab, an der sich in weiter Ferne zahlreiche Wasservögel tummeln. Eine Paviangruppe hängt geradezu lasziv in einem abgestorbenen Baum herum, nur die Kleinsten turnen schon voller Energie. Eine Weile beobachten wir die Affen bei ihrem wohligen Morgensonnenbad, dann fahren wir auf den Hauptweg zurück.
In ziemlicher Nähe kreisen dort einige Geier, Aasgeruch hängt in der Luft, aber egal welchen Weg wir nehmen, wir kommen der Sache nicht näher. Dafür entdecken wir unzählige Tausendfüßler beachtlicher Größe, die wir uns im Schutz unserer Autos näher ansehen. Schön sind sie, wie braun-schwarze, glänzende Bleistifte, mit sich in Wellen bewegenden, kastanienfarbenen Beinchen. Auch ein Spähtrupp tiefschwarzer Matabele-Ameisen ist schon unterwegs, ihre Chitinpanzer blitzen wie frisch poliert im Morgenlicht. Hinter uns ist inzwischen ein weiteres Auto herangefahren, der Fahrer will wissen, was wir da gesichtet haben. „We are here for birding!“, tut er unsere Millipeden verächtlich ab und fährt mit seiner Truppe ungerührt weiter. Na dann viel Spaß, ihr Scheuklappen-Ornithologen. Ich kann ja spezielle Interessen gut verstehen, aber wenn man derart fixiert ist, entgeht einem doch so einiges. Zum Beispiel der idyllische Seerosenteich, an dessen Ufer ganze Felder winzigen Rainfarns wachsen, sich prachtvolle Schmetterlinge und schillernde Libellen tummeln. Oder die mächtigen Baobabs, die nicht nur Laub tragen, sondern auch in voller Blüte stehen. Über all diese kleinen Beobachtungen verfliegt die Zeit und wir müssen schön langsam wieder Richtung Camp. Auf dem Rückweg zeigen sich auf einmal auch größere Tiere: eine Zebraherde, Pukus, einige Hartebeests und zu Patricias Entzücken auch die ersten Elefanten dieses Urlaubs.
Zufrieden kehren wir in voller Mittagshitze ins Lager zurück. Jetzt eine Dusche, danach ausgiebig Frühstücken und dann weiter! Doch die Dusche geht immer noch nicht… Klebrig füllen wir unsere Mägen und bauen danach ab. Jürg kann’s nicht glauben und testet abermals den Wasserhahn – er läuft! Leider etwas zu spät, denn wir müssen nun wirklich los. Kurz noch die Hände gewaschen, ein Schwapps kühles Wasser ins Gesicht und schon sind wir wieder on the road. Kilometer um Kilometer zieht sich die Strecke durch den menschenleeren östlichen Teil des Caprivi, die Augen haben wenig Abwechslung, nur die sich mehrenden Wolken verändern sich permanent. Nette Schäfchenwolken platten sich auf der Unterseite zunehmend ab, formieren sich zu hoch aufragenden Türmen und zeigen damit deutlich ihr Gewitterpotential. Minütlich wird es bedeckter, die Luft knistert förmlich, aber uns erwischt glücklicherweise nur ein kleiner Ausläufer eines mächtigen Gewitters. Glücklicherweise, denn das Dachfenster des grünen Landys ist undicht und muss erst noch abgeklebt werden. Der kurze Regenschauer dringt nicht ins Auto, bringt aber auch keine Abkühlung, im Gegenteil. Die Straße dampft und dunstet schwülfeuchte Schwaden aus, die uns den Schweiß auf die Stirne treiben.
Obwohl schon seit mindestens einer Stunde Elefanten-Warnschilder am Straßenrand zu sehen sind und sich auch die Droppings der Dickhäuter mehren – erspäht haben wir noch keinen einzigen der Rüsselträger. Doch plötzlich, als wir ein kleines Sumpfgebiet überqueren, da sehen wir sie: zwei Caprivi-Elefanten, die zum Trinken durch hohes Schilf vorsichtig ans Wasser kommen. Begeistert sind die zwei Bullen nicht von uns stoppenden Menschen, aber die Distanz scheint doch groß genug, so dass sie sich schließlich ganz aus dem Schilf wagen. Eine ganze Weile beobachten wir die trinkenden und badenden Elefanten, freuen uns an dem zahlreichen Federvieh, das die Wasseroberfläche der Tümpel und umliegenden Bäume bevölkert: Witwenpfeifgänse, Ibisse, Klaffschnäbel, Jacanas und ein Schreiseeadler, der immer wieder seinen charakteristischen Ruf ertönen läßt. Ein richtiges Paradies ist das hier, direkt an der Straße!
Doch Letztere ruft schon wieder, wir trennen uns von Klein-Eden und erreichen nachmittags Camp Kwando, unser heutiges Nachtquartier. Während Annette eincheckt, vertreiben wir uns die Zeit mit der Beobachtung eines kleinen Wildbienenschwarms, der gerade emsig Waben auf einem Blatt baut. Winzig sind diese Bienchen, aber durch das Zoom erscheinen sie wie großköpfige Aliens. Bald kehrt Annette zurück – angemeldet sind wir, aber leider ist es für die vorgesehene Sundownerfahrt auf dem Kwando schon zu spät. Schade, da haben wir uns wohl vertrödelt! Eine Sonnenaufgangsfahrt morgen Früh ist uns auch nicht vergönnt, denn das campeigene Boot ist bereits verplant. Nun ja, jetzt suchen wir uns erst mal ein Plätzchen für unsere Zelte, dann sehen wir weiter.
Wir biegen vom Parkplatz Richtung Campground und sind nicht wirklich angetan von dem, was wir da sehen: der an sich große, schattige Platz ist rappelvoll und wir finden gerade noch so ein Fleckchen, das für unsere fünf Zelte ausreicht. Doch was soll’s, es ist ja nur für eine Nacht. Unter den beobachtenden Augen zahlreicher Nachbarn befreien wir den Rasengrund von stacheligen Akazienzweigen, errichten unser Lager und möchten dann gerne duschen. Doch Schicht-Showern ist angesagt, denn für all die Menschen hier gibt es nur je zwei Männlein- und zwei Weiblein-duschen und die sind natürlich alle besetzt. Annette und ich beobachten das relativ weit entfernte Waschhaus und stürmen los, als die Damenabteilung zwei frisch gewaschene Frauen ausspuckt. Beim Öffnen der Tür des Reinigungstempels klingt uns geschäftiges Rauschen entgegen: besetzt! Aber jetzt sind wir schon mal da, also warten wir vor Ort. Mann, das dauert! Apropos Mann: aus der durch einen Vorhang abgetrennten Zweierduschkabine tönt eindeutig eine Männerstimme hervor. Aha?! Nach zwanzig langen Minuten endlich wird das Wasser abgestellt, die Herrschaften trocknen, cremen, plaudern angeregt, in aller Seelenruhe, lassen sich Zeit, bis schließlich doch noch der Vorhang aufgeht. Und tatsächlich, eine Frau und ein Mann, die uns frisch geduscht freundlich zunicken. „Hello Ladies“, sage ich, „did you enjoy the Ladies’ shower?“ „Uch, Ladies? Oh, so sorry, we didn’t see a sign.“ Sprechen es und rauschen zur Tür hinaus, auf der deutlich sichtbar ein sehr eindeutiges Schild prangt. Nun aber nix wie unter die Dusche, bevor die nächsten Damen, die sich bereits dem Waschhaus nähern, noch an uns vorbeizischen und wir wieder warten müssen.
Ach, ist das herrlich; endlich nicht mehr kleben! Taufrisch wie der junge Morgen kehren wir zu unserem Platz zurück. Jürg, Tommi, Jochen und Sven genießen den lauen Abend im kleinen Pool gleich nebenan und wir, der Rest der Truppe, machen uns langsam an die Zubereitung des Abendessens – heute gibt es Bobotie, einen südafrikanischen Hackfleisch-Auflauf. Heinz, der gerne kocht und immer offen für neue Gerichte ist, schnibbelt, rührt und brutzelt voller Hingabe. Dass laut Rezept ein ganzes Päckchen Rosinen in die Hackfleischmasse gemengt werden soll, dämpft allerdings seine Vorfreude ein wenig, denn auf Früchte in pikantem Essen steht er so gar nicht. Dennoch tut er, wenn auch sehr skeptisch, was das Rezept sagt und bald wandert der Auflauf im Potije ins Lagerfeuer. Während das Bobotie langsam vor sich hin gart, diskutieren wir in kompletter Runde das Programm für morgen Vormittag. Eigentlich war ja ein Dorfschulbesuch vorgesehen, aber bis auf Jürg und Annette verspürt keiner so rechte Lust darauf. Jochens Vorschlag, doch den nahe gelegenen Mudumu NP statt dessen zu besuchen, wird vom Rest der Truppe begeistert angenommen – der optimale Ausgleich für die entgangene Bootsfahrt! Alle sind zufrieden – und hungrig.
Gerade rechtzeitig ist der Auflauf fertig und wir stürzen uns freudig auf das herrlich duftende Essen. Auch Heinz kostet ganz vorsichtig und ist entgegen seiner Erwartungen über die Maßen angetan; das muss zuhause sofort nachgekocht werden! Genüßlich lassen wir uns die Köstlichkeit schmecken und es könnte der perfekte Abend sein, würden nicht schön langsam die Mücken recht zudringlich. Also gehe zum Zelt, um mein Repellent zu holen, widerwillig, denn eigentlich möchte ich nicht schon wieder etwas Klebriges auf der Haut haben. Ich will gerade den Reißverschluss öffnen, als mir direkt über dem Zelteingang ein kleiner dunkler Fleck auffällt. Bei näherem Hinsehen entpuppt er sich als Spinne, die sich auch gerade ihr Dinner munden lässt. Schlaff hängt eine rötliche Raupe zwischen ihren Kieferzangen, wird bis auf den letzten Tropfen ausgesaugt. Die Augen der Spinne leuchten im Licht meiner Taschenlampe wie zwei funkelnde Steinchen – sie läßt sich nicht im geringsten bei ihrer Mahlzeit stören. Vorsichtig ziehe ich den Reißverschluss auf, greife mir die Mückenschmiere und gleich noch meine Kamera. Ich rufe die anderen herbei und gemeinsam leuchten wir den geduldigen Achtbeiner so aus, dass jedem von uns ein gutes Foto ohne zu harten Schattenwurf gelingt und ich muss wieder mal feststellen, dass mich solche „Kleinigkeiten“ zunehmend begeistern. Beglückt schicke ich mich an, meine Kamera wieder zu verstauen, als Patricia mich fragt, ob ich eigentlich auch den Frosch in der Damendusche gesehen hätte. Frosch? Nein, ich habe keinen gesehen. Aber kein Wunder, bin ich doch ohne Brille blind wie ein Maulwurf. Ob der wohl noch da ist? Auch Sven ist sofort Feuer und Flamme und wir ziehen zu dritt los.
Patricia und ich checken die Lage im Damenwaschhaus, aus dem uns gerade wieder ein Pärchen entgegenkommt, kamerabewaffnet weisen sie uns auf den Frosch hin. Aha, das hat sich also schon herum gesprochen. Und da sitzt er, ganz hinten im Eck, bräunlich mit sandfarbenen Flecken und roten Beinchen. Auch er läßt sich geduldig ablichten. So, dann können wir ja jetzt wieder zurück gehen. Aber nein, halt, wenn ich schon da bin, dann geh ich gleich noch auf’s Klo. Ich sitze gerade auf dem Topf, Patricia und Sven haben mich für mein Bedürfnis alleine gelassen, als jemand das Waschhaus betritt. Schritte klacken über den Fliesenboden, bleiben vor meiner Tür stehen, gehen wieder zurück. Dann ruft eine Frauenstimme: „No, wait, there’s still somebody in here.“ Ah, kombiniere ich, da will wohl noch jemand den Frosch fotografieren und informiere die Stimme, dass sie ruhig hereinkommen könnten, es würde mich nicht stören. Keine Reaktion, keine Antwort. Komisch. Als ich fertig bin und die Klotüre öffne, sehe ich eine junge Schwarze mit verschränkten Armen vor den Waschbecken stehen. Sie ist extrem auffällig geschminkt, steckt in einem hautengen, knappen Kleidchen und gewagten Plateau-Highheels. Statt meinen Gruß zu erwidern, sieht sie mich nur feindselig an. Vor der Tür warten zwei junge Herren, die keine Kamera dabei haben und auch nicht aussehen, als wollten sie fotografieren. Sie ignorieren ebenfalls meinen Abendgruß. Kaum habe ich das Waschhaus verlassen, stürmen die beiden hinein, die Eingangstüre wird mit einem vernehmlichen Klack von innen verriegelt. Na dann viel Spaß und vergeßt die Kondome nicht!
Zurück am Platz erzähle ich von meinem Erlebnis und auch die anderen finden das ganze reichlich befremdlich. Zumal eine halbe Stunde später die Lady alleine an uns vorbeistöckelt und Richtung Campground-Ausgang verschwindet. Die beiden Herren sind nirgendwo zu sehen. Es geht uns ja nichts an, macht aber den Platz nicht unbedingt sympathischer… Trotzdem oder gerade deswegen lassen wir den Abend noch gemütlich plauschend ausklingen, bevor wir müde in die Federn kriechen und uns von den Fröschen den nahen Kwando in den Schlaf quaken lassen.
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